Puh. Um eine Figur des Films zu zitieren: Ich fühle mich innerlich zerrissen

Im Grunde kann ich mich in den meisten Punkten Itaju und zum Teil auch Keaton anschließen. Vieles war total klasse. Doch das, was die beiden als kleine Meckerei auf hohem Niveau anführen, sind für mich manchmal richtig harte Kritikpunkte, die mir eine Menge kaputt machen, sodass die Dinge, die toll waren, einige Mühe haben, noch mitzuhalten, um irgendwie das Gesamtbild zu retten. Unterm Strich überwiegt grade eher die Enttäuschung, aber vielleicht wirds nach mehrmaliger Sichtung und vor allem nach Episode VIII und IX besser. Ist auch eher diese Art der Ernüchterung, dass man so vieles mehr draus hätte machen können, aber sich nicht getraut hat sondern sich lieber hinter ein paar alten Klassikern von vor über 35 Jahren versteckt. Ohne den Einfluss und die Zusammenhänge besagter Ur-Trilogie fällt der neue Film wie ein Kartenhaus in sich zusammen, was gar nicht hätte sein müssen. Er kann storymäßig nicht auf eigenen Beinen stehen.

Ich fang mal mit den guten Dingen an (solche allgemeinen Aussagen zählen imho nicht als Spoiler - wer gar nichts wissen möchte, der sollte in diesen Thread nicht reinschauen!)
  • Kaum nennenswerte Lensflares, schon gar keine, die mitten über den Bildschirm trudeln und die Sicht versperren! Wow, dass ich das bei Abrams noch erleben darf...
  • Rey, Finn und Poe sind das Herz des Films und als neue Hauptcharaktere absolut top. Haben meine Erwartungen weit übertroffen. Kommen super sympathisch rüber, und ich möchte mehr von ihnen sehen und mehr über sie erfahren. Auch wie sie miteinander und mit anderen Figuren interagieren war mehr als unterhaltsam! Von den dreien sticht Rey als leuchtender Stern noch heraus und zählt schon jetzt zu den besten Protagonisten der Saga. Sie hat einfach alles, hält die Handlung zusammen und sorgt praktisch im Alleingang dafür, dass ich trotz aller Probleme auf die Fortsetzungen gespannt bin
  • Die Dialoge. Genau das, was Lucas mit den Prequels vergeigt hat, läuft hier butterweich. Nie zu viel, selten zu wenig, oft voll ins Schwarze.
  • Der lockere, augenzwinkernde Humor. Genau das, wovon die Prequels viel zu wenig hatten (oder worin sie trotz Versuchen versagten). Erinnerte beizeiten an die Originaltrilogie, aber ging noch darüber hinaus. Ein paar Szenen und Wortgefechte waren tierisch amüsant Die von Itaju erwähnte Stelle mit BB-8 war mitunter das Highlight des Films, hehe.
  • BB-8. Mehr braucht man dazu eigentlich kaum sagen. Außer vielleicht, dass ich dann doch ein wenig Angst habe, dass er so toll ist, dass er R2-D2 in den kommenden Episoden die Show stehlen wird. Denn letzterer hatte diesmal ja quasi durchgängig Sendepause. Wird auf jeden Fall nicht leicht, demnächst mit drei Droiden die richtige Balance zu finden, zumal sich zwei davon stark ähneln. Machbar ist das aber.
  • Effekte, Set-, Kreaturen- und Kostümdesign super. Vor allem die real gedrehten Schauplätze und animatronischen Aliens haben einiges her gemacht. Wirkte dadurch viel lebendiger und echter, auch wenn es nach wie vor viel CGI war.
  • Die Schlachten mit Schiffen haben weitgehend gerockt.
  • Würdevoller Umgang mit den "Legacy-Charakteren" (das kann man leider nicht vom gesamten Erbe behaupten, aber dazu weiter unten mehr), die auch ein paar schöne Momente hatten. Allen voran natürlich Han Solo.
  • Lichtschwertkampf war zwar nicht mein bevorzugter Stil, aber die Art und Weise war ja ohnehin wie erwartet storybedingt, sodass da demnächst noch einiges auf uns zukommen kann. Für das, was es war, ist es super gelungen.
  • Die Szene mit der Vision von Rey war faszinierend, sowohl bei der filmischen Umsetzung als auch inhaltlich. Hat mich an Episode V in der Höhle erinnert, nur besser.
  • Achtung, heftiger Spoiler: Hans Tod war irgendwann abzusehen, fand ich aber völlig in Ordnung und ansprechend ausgestaltet. Brachte die Story voran und verlieh dieser Beziehungskiste Tiefe. Schön, ihn mit diesem Film nochmal in Aktion erlebt zu haben.


So-so, aber irgendwie eher kritisch: John Williams Soundtrack war wie immer auf einem qualitativ astronomischen Level und alle klassischen Themen, die man hören wollte, wurden angespielt, aber ich fands doch etwas schade, kein nennenswertes neues Motiv herausgehört zu haben. Da fehlte mir irgendwie was. Episode I hatte Duel of the Fates, Episode II hatte Across the Stars, Episode III hatte Battle of the Heroes, Episode IV bis VI natürlich über ein halbes Dutzend an ikonischen, damals neuen Themen. Was hatte in der Beziehung Episode VII, das wir nicht schon auf die eine oder andere Weise kannten ? Jedenfalls nichts, das so positiv und bedeutsam hervorstechen würde.

Lasst euch nicht zu sehr davon täuschen, wenn das Untenstehende viel ausführlicher ausfällt. Die Sachen da oben haben eine Menge Gewicht und die Hälfte hab ich grade bestimmt sowieso vergessen. Aber es gibt da ein paar Faktoren, die ich so dermaßen Scheiße finde, dass sie mir die halbe Erfahrung verdorben haben.

Die negativen Dinge packe ich mal lieber komplett in einen Spoilerkasten.


Insofern würde ich Itajus Aussage unterstreichen und noch deutlicher formulieren: Auf der Mikroebene macht der Film praktisch alles richtig, aber leistet sich auf der Makro-Ebene übelst heftige Fehler und Enttäuschungen. Da fehlte die Ausgewogenheit, die die Originaltrilogie hatte. Bei den Prequels war es meiner Ansicht nach genau andersherum (Makro hui, Mikro pfui). Und, schon klar, dafür werde ich jetzt gesteinigt, aber deshalb hatte ich an den Prequels wenigstens stellenweise deutlich mehr Freude, da ich auf das große Ganze viel Wert lege. Bei den Prequels kann ich drei (oder wohl doch eher zehn) Schritte zurück gehen und mit ein wenig Mühe die schwachen Dialoge oder unsympathischen Charaktere beiseite schieben, sodass der spannende und intrigant verschachtelte Fall einer Republik illustriert wird. Bei Episode VII komme ich (noch?) nicht damit klar, wie handstreichartig mit so wichtigen "großen" Elementen umgegangen wurde. Wäre nach wie vor daran interessiert zu erfahren, was für Ideen Lucas als Grundlage hatte, und ob ich für die im Nachhinein nicht doch lieber ein paar der grauenvollen Prequel-Defizite in Kauf genommen hätte.

The Force Awakens war für mich ein recht guter Film (but not great), aber als Star Wars für meine Begriffe nur gehobenes Mittelmaß. Ohne Rey wäre er mit Abstand ganz unten in meiner Liste. Guardians of the Galaxy ist imho die bessere und unterhaltsamere Space Opera der letzten Zeit und ja, ich finde, das kann man durchaus miteinander vergleichen.

Sorry für den Rant-Part. Freut mich dass ihr daran so viel Spaß hattet. Ein Stück davon bekam ich auch. Ich hab euch alle lieb.
Zitat Zitat von Keaton Beitrag anzeigen
wer Episode VII nicht mag, wird keinen Teil mögen
Hmmm. Naja.
Zitat Zitat von Taro Misaki Beitrag anzeigen
Was ist hier eigentlich los? Noch kein 500-Zeiliger Anti JJ-Rant von Enkidu?
Tadaaa! Abrams bleibt für mich ein zweitklassiger Filmemacher, dem ich nicht über den Weg traue. Ich wünschte wirklich, Episode VII hätte das ändern können.
Zitat Zitat
Lol. Glaub ich zwar nicht, aber würde sich irgendwie zu den unpassendsten und blödesten Plot-Twists der letzten Jahre einreihen. Wenn die sowas machen, und auch noch Star Wars mit den von mir verhassten Zeitreisen vergiften, wäre diese Franchise für mich gestorben.