Der Bösewicht hat nur zwei Szenen, die trotz krasser Ausstrahlung von Jared Leto und Bibel-Pathos-Gotteskomplex in der Gesamthandlung irgendwie kaum eine Bedeutung haben, immerhin treffen Prota- und Antagonist sich noch nicht einmal persönlich!
Gosling spielt sich wieder selbst, als wolle er seine Corn Flakes immer noch nicht essen. Damit ist er aber eigentlich perfekt besetzt (wie auch der Rest des Films).
Logiklöcher gab es leider auch, die mich aus der Immersion gerissen haben. Wir bekommen hier eine Welt vorgesetzt, in der künstliches Leben erschaffen werden kann, in der Hologramme frei herumlaufen können, obwohl ihr Projektionsgerät in der Hosentasche liegt, aber trotzdem kann eine schicke Dame unbemerkt wichtige Materialien aus einer Polizeistation stehlen und dann noch einmal (!) bis in die Chefetage vordringen und die Polizeichefin töten??? Überwachungskameras oder so sollte es da schon geben, oder?
Ich fand den Kniff, dass es sich bei K's Erinnerungen auch um Fake News handelte, die er mit einigen anderen Replikanten teilt, ziemlich spannend und war der einzige Moment im Film, wo man ein bisschen an der Nase herumgeführt wurde.
So ganz bisschen fühlte sich der Film so an, als würde er den Grundstein für ein neues Franchise legen wollen, was nun jeder Filmproduzent irgendwo doch ein bisschen hofft, wodurch der Film keine runde Sache wird. Man wollte nicht den ganz großen Bogen spannen und eine Actiongeschichte über die Replikantenrebellen gegen den Konzern erzählen. Das verstehe ich. Man wollte eine eher kleine Geschichte über K's Menscheln erzählen. Das verstehe ich. Aber irgendwie hätte man dann konsequenter bei der kleinen Geschichte bleiben sollen, einfach eine Novelle in einem spannenden Universum über das Schicksal einer oder weniger unbedeutender Personen. Wenn man große Szenen mit der großen Weltverschwörung und dem Weltenlenker macht, dann sollte man das bitte auch zu Ende erzählen, um zu einem runden Abschluss zu kommen. Mir schwant, dass jetzt bald ein viel schlechterer inhaltsleerer dritter Teil kommt, bei dem dann die fehlende Action nachgeliefert wird. Ich hätte dann lieber gerne ein paar novellenartige Geschichten, die nicht das ganz große Fass aufmachen, aber einfach MEHR von Filmwelt, Sound und Optik bieten.
Die Frage, ob Deckard ein Replikant ist, wird immer noch nicht beantwortet, was ich aber auch gut finde. Sollen die Kiddies weiter an ihre Version glauben, aber für mich ist die Sache auch nur ein Plothole aus dem ersten Film: warum sollte Deckard ein Replikant sein, der andere Replikanten jagt, wenn er ihnen selbst körperlich so heftig unterlegen ist? Ich dachte, das war einfach nur so eine etwas bekloppte Idee von Scott, der meinte: hey, wäre es nicht cool, wenn in diesem Film, wo sich alles darum dreht, wer wirklich ein Mensch ist, auch die Hauptfigur sich am Ende diese Frage stellen muss? Nur ein Kartenspielertrick, der aber im vollständigen Film überhaupt nicht konsequent umgesetzt wurde, von den paar Origamifiguren und Einhornträumen abgesehen.
Die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen künstlichem Menschen und Programm war dann gemeinsam mit dem Kunstgriff, überhaupt kein Geheimnis daraus zu machen, dass K ein zunächst höriger Replikant ist, das beste am Film auf inhaltlicher Ebene und regte sogar ein bisschen zum Nachdenken an. Der Film zeigt hier eine Gesellschaft, die sich beim Bedürfnis nach Nähe schon ein gutes Stück von unser heutigen weg entwickelt hat. Wo die eigene Freundin einfach nach Belieben auf Pause gestellt werden kann. Dennoch hatte der Film auf der Ebene fast gar nichts zu bieten, was "Her" nicht bereits besser gemacht hätte. (Wobei die Joi-Darstellerin einfach hinreißend aussah). Offensichtlich war natürlich auch, dass sie das Filmende nicht "erleben" wird, sobald sie gesagt hat, dass ihre Sicherheitskopie vernichtet werden muss.
Das Blade Runner Universum ist leider ein Universum, das für mich vorne und hinten nicht schlüssig ist und das schon beim hochgelobten ersten Film. Im ersten Teil wird ja eigentlich nur angedeutet, was Replikanten nun sind (in Dicks Original übrigens explizit als Androiden und afaik auch robotisch beschrieben), obwohl sie offensichtlich zumindest zu großen Teilen biologisch sind. Da gibt es ernsthaft einen Konzern, der künstliche menschenähnliche Arbeitsmaschinen (wohlgemerkt für körperliche Arbeiten und nur für wenige Ausnahmen auch im Dienstleistungsbereich) herstellt und vergisst dabei ein offensichtliches äußerliches Erkennungsmerkmal, dass keine Wärmekamera, kein Scan oder so, nein nur ein aufwändiger Psychologischer Test diese Minenarbeiter von echten Menschen unterscheidet? Im zweiten Teil wird dann ein Barcode unter dem Auge als bahnbrechende Neuerung verkauft. Gibt es denn nicht mal Tätowierungen oder das Fehlen eines Bauchnabels oder irgendetwas anderes auf das man schon hätte kommen können?
Jetzt endlich die Auflösung: Replikanten sind biologisch von Menschen (abgesehen vom Code unterm Auge bei den neueren Modellen) überhaupt nicht zu unterscheiden. Aber wieso kann man so tolle Sachen wie eine künstliche Lebensbegrenzung und gewisse Hörigkeit einbauen und schafft es dennoch nicht. Wären einfache robotische Minenarbeiter nicht eine technisch weitaus einfachere Möglichkeit? Mann kann sogar noch tiefer gehen mit dem Nitpicking: wenn sie 1:1 genetische Kopien sind, die man nicht einmal anhand eines Gentests von echten Menschen unterscheiden kann, warum sind sie dann zeugungsunfähig, können übermenschlich stark sein (müssen ja kräftigere Muskeln haben, die man trotzdem nicht nachweisen kann), haben in einigen Modellen eine verkürzte Lebensspanne und unterscheiden sich in ihrer Psyche trotzdem nur in Details von Menschen?
Im zweiten Teil kommen dann auch noch weitere Logiklöcher hinzu: wir haben hier ein deutlich besseres Modell, das höriger sein soll (ist das der Grund, warum K's Chefin später keinen Beweis von der "Ruhestandversetzung" an dem Wunderkind verlangt, obwohl das, wie man in der Exposition sieht, eigentlich in Form eines Auges von ihr verlangt wird? noch ein Plothole). Warum brauch so ein Replikant eigentlich ein geregeltes Leben? Warum trinkt er gerne gute Drinks (und wird damit einen für einen Menschen ganz gewöhnlichen Stoffwechsel haben), führt eine Beziehung, sehnt sich nach Sex und lebt in einer Wohnung unter Leuten, die ihn beleidigen? Irgendwo geht es ja darum, dass die Replikanten nur gut funktionieren, wenn sie einem annähernd normalem Leben nachgehen, aber das führt wieder zu ökonomischen Fragen und Widersprüchen zurück, warum man sich solche "günstigen" Sklaven hält, wenn man sie noch bezahlen muss, damit sie für Miete und Unterhalt aufkommen können.
Man kann als Zuschauer leider nicht anders als diese hanebüchene Prämisse anzunehmen, damit es den Rest des Films nicht vollständig ruiniert, aber davon dann irgendwelche spannenden philosophischen Fragen abzuleiten, dafür hätte es einen deutlich besseren Unterbau gebraucht.
Der zweite Film macht die Prämisse des ersten Teils deswegen nur noch absurder. Die ganzen Fragen, die sich Scott und nun auch Villeneuve wünschen, mit denen wir uns beschäftigen, was Menschsein ausmacht und blablabla stellen sich mir, aus diesen Gründen einfach nicht, dafür ist das Konzept mit den Replikanten einfach viel zu hohl und bescheuert als da jetzt geniale philosophische Fragen abwandeln zu können. Das haben Filme wie AI, Her oder sogar the Matrix einfach besser gemacht.
Und für einen Film ab 12 war er dann doch recht hart. Mein Vater musste immer wieder anmerken, dass so etwas vor 20 Jahren nie durchgegangen wäre. Herausgeschnittene Augen, Verrenkte Kiefer, Blut, Blut Blut. Also mit welchen Verrenkungen die FSK das hingebogen hat, ist mir ein Rätsel.
Mit nochmal zu Enkidus Kommentar zu CGI-Rachael gespannt. Diesmal war es so unglaublich gut umgesetzt, dass ich erst googlen musste, ob das nun ein Bodydouble war, oder wie sie das hinbekommen haben.