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Deus
April und die außergewöhnliche Welt /Avril et le monde truqué (2015)

Französischer Animationsfilm. So sehr ich Steampunk auch liebe, von diesem hatte ich mir eindeutig mehr erhofft, besonders nachdem alle so begeistert davon waren und die Kritiken uneingeschränkt positiv ausfielen. Irgendwo da drin steckt ein interessantes Werk, das aber durch blöde narrative Entscheidungen und einen lahmen visuellen Stil völlig verwässert wurde und am Ende seltsam flach und klischeehaft wirkt. Da wäre zum einen der vor nerviger Exposition überquellende Anfang mit gleich zwei Zeitsprüngen - unnötig, da einer zu viel. Die eigentliche Handlung beginnt im Grunde erst ab der 20 Minuten Marke (ohne dass die Hauptfigur bis dahin schon vernünftig etabliert worden wäre), und das bei einer Laufzeit von insgesamt nur gut 100 Minuten.
Dann die extrem vorhersehbaren Wendungen: Bei ein paar wichtigen Punkten ist das Foreshadowing so offensichtlich, dass es den Spaß späterer Enthüllungen mindert. Der allseits unbeliebte Liar-Reveal-Trope darf zwischendurch natürlich auch nicht fehlen >_>' Die Figur des Inspektors Pizoni wird nach der Anfangsphase komplett redundant. Darüber hinaus ist die Handlung weichgespült. Selbst wenn es viel zu oft zunächst so aussieht, kaum mal wird jemand ernsthaft verletzt oder gar getötet, obwohl das die Erzählung viel besser und logischer voranbringen und die Einsätze und die Spannung erhöhen könnte. Ebenso wie einige deplatzierte aber immerhin kurz gehaltene Slapstick-Einlagen widerspricht das dem allgemein doch eher düster-grauen World-Building und zieht das bisschen Drama, das noch drin wäre, ins Lächerliche.
Was mir den Film aber am meisten runtergezogen hat, ist das uninspirierte, grobe, regelrecht billig und hässlich aussehende Charakterdesign. Habe hier schonmal irgendwo erwähnt, wie wichtig mir solche ästhetischen Fragen gerade bei Animation sind, und auch wenn es in diesem Fall eine bewusste Entscheidung gewesen sein mag, vielleicht um einen bestimmten Comic-Look zu wahren (Soll sich angeblich an Jacques Tardi orientieren, aber der kann das wesentlich besser!), es macht mir einfach keine Freude, die anzuschauen. Speziell in Nahaufnahmen wenn die dicken, schwarzen Umrandungen so richtig deutlich hervortreten und man sieht, dass da nirgends vernünftig mit Schatten etc. gearbeitet wurde, oder wie minimalistisch die Gesichtsausdrücke sind.
Die Animation fällt meist enttäuschend statisch aus, mit Gestik und Mimik wird viel zu wenig angestellt, was wahrscheinlich auch ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Leute einen so unterkühlten und in letzter Konsequenz beinahe unsympathischen Eindruck hinterlassen. Es spricht für sich, dass die sprechende Katze in der Geschichte lebendiger und detaillierter rüberkommt als die menschlichen Figuren. Was diese Makel so hervorstehen lässt, sind vielleicht auch die oft richtig schicken, malerischen Hintergründe (der Dschungel!), die sich mit den Charakteren beißen bzw. in manchen Szenen überhaupt nicht damit zusammenpassen. Wie aus zwei verschiedenen Welten zusammengemixt.
Möchte auch nicht zuu negativ klingen. Die Abenteuer-Elemente und diverse Maschinen hatten auf jeden Fall ihren Reiz. Es ist nur frustrierend, wenn man, wie gesagt, Potential darin erkennt, das nicht genutzt wurde. Man kürze den Anfang auf die Hälfte der Zeit zusammen, verwende einen Stil für die Charaktere, der zum Beispiel mehr in Richtung Mike Mignola oder Disney's Atlantis geht, lasse einige der sinnlosen Übertreibungen weg und ersetze sie durch Schmerz, und - BÄM! - wir hätten einen neuen Genre-Klassiker gehabt, der bei mir ganz hoch im Kurs stehen würde. Verdammt, selbst als typischer Anime hätte das hier besser funktioniert. Ohnehin erinnert die Prämisse, speziell im letzten Drittel, irgendwie an Blue Submarine No 6. Aber so wie es ist? Eine kaputte, trostlos-graue Steampunk-Welt mit alternativem Geschichtsverlauf und phantastischer Verschwörung geht in meinen Augen absolut nicht mit solch einer Unbekümmertheit und forcierter Gewaltlosigkeit zusammen. Der Film traut sich gar nichts; kann sich nicht entscheiden, ob er ernst genommen oder als leicht verdauliche Version eines Pulp-Comics verstanden werden möchte.
Geändert von Enkidu (12.03.2017 um 00:26 Uhr)
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