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Deus
Der Kuaför aus der Keupstraße (2015)
Doku über den Nagelbombenanschlag in Köln von 2004 auf einen türkischen Frisörsalon, bei dem 22 Menschen verletzt wurden und die anschließenden Ermittlungen kaum weniger skandalös waren, da praktisch ausschließlich die Opfer verdächtigt und verhört wurden. Erst 2011 konnte die Tat der fremdenfeindlich-rechtsterroristischen Vereinigung NSU zugeordnet werden. Hmm. Relevantes Thema, das interessante Einblicke gewährt, wichtige Fragen aufwirft und so zum Nachdenken anregt. Dennoch muss ich sagen, dass mir das nicht gefallen hat. Dass da einiges bei den Ermittlungen mies gelaufen ist liegt auf der Hand, sowieso für jeden, der das damals mitbekommen und die Berichte gelesen hat. Aber für eine Doku war mir das hier echt zu unsachlich und suggestiv.
Die realen Aufnahmen und Interviews sind nicht das Problem, das ist das Beste am Film, obwohl ich mir hier nebenher noch eine höhere Informationsdichte per qualifiziertem Kommentar aus dem Off gewünscht hätte. Was mich echt gestört hat, waren die nachgestellten Szenen und Interviews, in denen die an anderen Stellen persönlich vorkommenden, beteiligten Opfer von Schauspielern verkörpert werden. Das war mir viel zu einseitig und offensichtlich dargestellt, der unsichtbare Vernehmungsbeamte hat auch noch eine fiese, verstellte Stimme, als würde er ein schmieriger, verschlagener Bösewicht sein - bloß keine potentielle Sympathie beim Zuschauer aufkommen lassen! Zudem frage ich mich, ob das nur auf Erinnerungen der Verhörten basiert, oder ob den Machern die jeweiligen Protokolle vorlagen - dazu schweigt sich die Doku komplett aus! Auch die Wiederholungen von Material, das Motiv der fallenden Nägel, und die bedrückende Musik. Alles zusammen genommen war mir das bei Weitem zu übertrieben in eine Richtung gedeutet.
Versteht mich nicht falsch: Ich finds völlig legitim, das aus dieser Perspektive aufzuziehen und sich auf die Seite der Opfer zu schlagen, ihnen Stimme und Gesicht zu geben, ihre Geschichte zu erzählen. Dazu gibt es auch allen Grund. Aber ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn mir eine Doku auf so oberflächliche und billige Weise vorzuschreiben versucht, was ich wie zu verstehen und zu denken habe. Ich möchte mir da lieber eine eigene Meinung bilden, und eine gute Dokumentation zu solchen Themen sollte da wirklich mehrere Seiten klarer argumentativ beleuchten und so zu einem Fazit gelangen. Ein umfassendes Bild abgeben sozusagen. Vielleicht hab ich diesbezüglich einfach nur hohe Ansprüche, aber die wurden hiermit sicher nicht erfüllt. In der Zeit, in der der Erzähler absichtlich extrem langsam seine allgemeinen Fragen stellt und komisch bildliche Vergleiche zieht, die wenig beitragen ("Was ist ein Türsteher? Ein Mann, der in einer Tür steht"), hätte man sehr viel mehr zu der Situation und den Ermittlungen sagen können.
Ich wollte informiert werden und kein experimentelles Kunstwerk sehen. Für letzteres sind mir die Ereignisse als Gegenstand ehrlich gesagt auch schlicht zu heikel. Einfach nur um mit dem Finger auf die Leute zu zeigen, die da wahrscheinlich was falsch gemacht haben, aber aus Mangel an Nachforschungsmöglichkeiten unbenannt bleiben, dafür brauche ich keine Doku. Da reicht es mir, irgendwo einen entsprechend knappen Artikel zu lesen. Gegebenenfalls erfüllt das Werk seinen Zweck, wenn die Opfer ihre Lage repräsentiert sehen und ein paar mehr Leute drauf aufmerksam werden. Aber für eine Doku war das imho nicht sonderlich gelungen und zu einseitig und unreflektiert. On a side note: Wenn Türkisch gesprochen wird, sollten die Untertitel zum Hintergrund des Bildes passen und entsprechend schwarz umrandet sein, denn die Schrift war so hell, dass man sie mehrfach kaum entziffern konnte. Anfängerfehler?
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