Das Jahr neigt sich dem Ende zu und ich freue mich, dass ich am Ende noch ein RPG gespielt hat, das mir so richtig gut gefallen hat. Wie auch Ni no Kuni und Xillia, die anderen „großen“ Neuerscheinungen des Jahres, hat sicherlich auch Bravely Default einige Schwächen, aber der Endeindruck ist überwiegend positiv und ich würde auch sagen, dass Bravely Default für mich das Spiel des Jahres ist. Kommen wir zu den Details.

Story & Charaktere
Ganz klassisch FF-mäßig (ja, Bravely Default ist ein Final Fantasy) beginnt die Geschichte mit einem simplen Plot um die Kristalle, und wie das Schicksal so will, bildet sich nach einer kurzen Weile eine Gruppe von vier Leuten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Kristallen wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Im Zentrum der Handlung steht eine junge Frau namens Agnès, die die einzige ist, die die vier Kristalle wieder zum Leben erwecken kann.

Tiz ist ein relativ profilloser Protagonist, dessen Heimatdorf zerstört wurde, und der Agnès bei ihrer Mission hilft, aber auch den Wunsch hat, sein Dorf eines Tages wieder aufzubauen. Außerdem dabei sind die hitzköpfige und anfangs feindlich gesonnene Soldatin Edea und der unter Amnesie leidende Möchtegern-Frauengeld Ringabel. Es dauert eine Weile, bis die vier warm miteinander werden. Ich als Spieler hatte damit aber persönlich auch Probleme – gegen Anfang des Spiels gab es zwar ein paar nette Ansätze bei den Interaktionen der Charaktere und die Dialoge sind generell nicht schlecht geschrieben, aber wirklich interessant wurde es für mich lange nicht. Erst ab Kapitel 4 (~55-60% des Spiels) ging es bergauf, denn dort begann die Geschichte, spannender zu werden und besonders Edea und Ringabel haben davon deutlich profitiert, denn ihre Rollen in der Story wurden dadurch schlagartig interessanter.

Das Spiel besteht aus insgesamt 8 Kapiteln (und dem Prolog). Die ersten vier davon sind jeweils einem Kristall gewidmet, ab Kapitel 5 werden die Kapitel deutlich kürzer und haben mehr optionalen Content. Dieser ist leider recht faul aufbereitet und hätte deutlich mehr Spaß machen können, was meiner Motivation in den späteren Kapiteln aber keinen Abbruch getan hat. Die eine oder andere Wendung in der Geschichte war tatsächlich ziemlich spannend, und nach der relativ uninteressanten ersten Hälfte habe ich gemerkt, wie mich der zweite Teil des Spiels deutlich mehr eingenommen hat.

Es gibt ein normales Ende und ein True End. Das normale Ende ist nicht halbherzig hingeschludert, aber man weiß, dass noch nicht alle Fragen geklärt sind. Das wahre Ende ist deutlich zufriedenstellender und wartet zudem noch mit einem genial inszenierten Teaser auf Bravely Second auf.


Gameplay

Wie in den meisten RPGs wird auch das Gameplay von Bravely Default sehr stark von den Kämpfen getrieben. Das Schöne ist: Es funktioniert in diesem Spiel richtig gut. Schon zu Beginn hat man die Möglichkeit, die Encounter Rate zu regulieren (zwischen -100% und +100%) und kann also spielen, wie man möchte. Ich persönlich habe aber sehr viel gekämpft, weil ich das Job-System unheimlich motivierend fand. Das funktioniert quasi genauso wie in Final Fantasy V, auch wenn es ein paar kleine Unterschiede gibt. Im Spiel gibt es 24 Jobs, darunter auch die Klassiker wie Ritter, Weißmagier, Schwarzmagier und Mönch. Nicht alle dieser Jobs sind gleich nützlich, aber wenige sind absolut nutzlos.

Ein bisschen problematisch ist der Jobwechsel, denn sobald man mit einem neuen Job von Stufe 1 anfängt (jeder Job hat 14 Stufen), ist der entsprechende Charakter auch erst mal erheblich schwächer, zumindest was die normalen Angriffe betrifft. Daran hätte man noch ein wenig feilen können, finde ich, aber es ist kein Weltuntergang. Wenn man „normal“ spielt, also anders als ich übermäßig viel grindet (), dann kommt man auch des Öfteren in die Lage, die Möglichkeiten des Systems auch mal auszunutzen. Wie in Final Fantasy V gibt es nämlich zahllose Fähigkeit (und auch reichlich Ausrüstungsgegenstände), die man auch miteinander kombinieren kann, und gegen verschiedene Gegner sind auch verschiedene Strategien erforderlich. Na ja, wenn man nicht gerade stark genug ist, sich auch ohne Strategie durchzuschlagen.

Der größte Unterschied zu konventionellen rundenbasierten Kampfsystemen ist das Brave-System. Ganz simpel erklärt: Man startet den Kampf mit 0 Brave Points (BP). Jede Runde erhält man einen BP dazu, und jede Aktion verbraucht (mindestens) einen BP. Mit dem Default-Befehl, der äquivalent zu „Verteidigen“ ist, verbraucht man keinen BP. Mit dem Brave-Kommando hingegen kann man bis zu vier Aktionen pro Runde ausführen, aber jede Aktion verbraucht mindestens einen BP. Hat man zu viele BP benutzt, muss man so lange warten, bis man wieder 0 BP hat, bevor man handeln kann. Gegen schwache Gegner kann man einfach All-Out gehen, weil der Kampf danach eh vorbei ist, aber gegen stärkere Feinde kann es schnell zum Untergang führen, wenn nach einem Zug plötzlich alle Charaktere -3 BP haben. Ebenso wie die eigenen Charaktere können auch die Gegner das Brave-System nutzen, und das tun sie auch. Vor Allem die Bosse.


Abgesehen von den Kämpfen gibt es noch einige Nebenaufgaben unterschiedlichen Umfangs, von denen die meisten ziemlich cool oder charmant gemacht sind, und bei denen man am Ende einen neuen Job bekommt. (Schätzungsweise die Hälfte der Jobs sind optional.) Abgesehen davon gibt's nicht viel außerhalb der Haupthandlung zu tun. Allerdings kann man das Dorf von Tiz aufbauen, was allerdings eher passiv geschieht und die Online-Funktion des 3DS in Anspruch nimmt. Anfangs hat man nur einen Arbeiter im Dorf, aber jeden Tag kann man per Verbindung mit dem Internet ein paar neue dazukriegen. Diese Arbeiter kann man dazu nutzen, die verschiedenen Läden im Dorf wiederaufzubauen. Das dauert alles seine Zeit, und solange der 3DS im Standby-Modus ist, arbeiten die Leute fleißig weiter. Die Items etc. in den Shops stehen einem auch anschließend zur Verfügung. Auf diese Weise kann man theoretisch schon früh im Spiel sehr starke Waffen kaufen, vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld.

Ein bisschen schade ist es, dass die Dungeons an sich relativ gleichartig aufgebaut sind und kaum Abwechslung bieten. Sie machen Spaß, so wie sie sind, aber man läuft immer durch gleich aufgebaute Gänge, statt auch mal eine große Wiese oder ein paar interessante Rätsel zu sehen.

Bravely Default spielt sich gänzlich frustfrei (zumindest war das bei mir so), und wahrt eine gute Balance zwischen einem klassischen Spielgefühl und sinnvollen Komfortfunktionen. Die Netzwerkfeatures sind nette Gimmicks, aber bereichern das Spiel meiner Meinung nach nicht großartig, besonders weil man sich durch das Rufen von überpowerten Freunden auch locker die Spielbalance zerstören kann. Aber davon muss man ja nicht Gebrauch machen.

Fazit
Bravely Default funktioniert so, wie es ist, ziemlich gut. Es braucht eine Weile, um sich richtig zu entfalten und hätte sicherlich eine lebendigere Welt haben können. Das Gameplay funktioniert gut und ist wunderbar motivierend, und die Geschichte wird im späteren Handlungsverlauf recht spannend. Untermalt wird das ganze Erlebnis durch eine charmante Grafik und einen richtig tollen Soundtrack. Alles in Allem war es ein sehr schönes Spielerlebnis für mich, das ausgezeichnet demonstriert hat, wie schön klassisches Gameplay in moderner Form wieder aufbereitet werden kann. Bravely Default war kein Spiel, das mich restlos begeistert hat, aber trotzdem ein sehr gutes und für mich persönlich das Spiel des Jahres.

Spielzeit: 58:30h
Wertung: 8 von 10 Punkten