Wendungen bei Charakteren:
Ich sehe dort mehrere Risiken. Die Konsistenz kann schnell verloren gehen, im schlimmsten Fall findet der Spieler den plötzlichen Charakterwandel unfreiwillig komisch. Ich hab schon einige Geschichten gesehen, da hat der Charakter innerhalb kürzester Zeit mehrmals seine Persönlichkeit gewechselt. Außerdem können sich solche mehrdeutigen Charaktere schnell abnutzen. Mehr als einer sollte es nicht sein, sonst wirkt es vielleicht zu gekünstelt. Solche Wendungen bieten sich mMn hauptsächlich bei Nebenfiguren an. Wenn sich ein spielbarer Charakter als mehrdeutig entpuppt und der Spieler die "falsche" Persönlichkeit mochte, dann schaut er in die Röhre. Ich kenne auch kaum ein J-RPG, bei dem so was mal passiert. Eine Ausnahme ist natürlich der Klassiker "Feind wird später zum Freund" und umgekehrt, aber das ist für mich keine überraschende Wendung.
Wendungen bei der Handlung:
Die sind auch so eine Sache. Es kann schnell passieren, dass die Wendungen zu willkürlich wirken und sich nicht aus der Handlung ergeben. Ich kenne einige Beispiel (keine Spiele), bei denen nur der Überraschung wegen überrascht wird. Das ist nicht gut. Im schlimmsten Fall führt das zu den ominösen loltwists. Außerdem passen überraschende Wendungen nicht zu jedem Spielkonzept. Manche Geschichten müssen gradlinig sein, z. B. die klassische Heldengeschichte mit dem diabolischen Antagonisten. Egal was in der Community gerne gesagt wird - diese Geschichten sind nicht schlecht. Und sie sind vor allem einfach zu schreiben, eben weil sie so gradlinig sind.
Nein, das wird aber auch nur recht selten so gehandhabt. Trotzdem gibt es Geschichten, die so eine Schwarz-Weiß-Zeichnung brauchen.Zitat
Noch was zur Gesinnung:
Ich halte es beim typischen Maker-RPG für praktischer, die Figuren klar in gut und böse einzuteilen. Allerdings darf man diese Wörter auch nicht missverstehen. Gut und Böse sind Wertkategorien, die in Rollenspielen meistens nur Folgendes bedeuten: handelt moralisch bzw. ist skrupellos. Graue Charaktere können auch interessant sein, aber man muss dabei auch aufpassen. Ein grauer Held ruft beim Spieler vielleicht weniger Sympathie vor, es sei denn es handelt sich dabei um so einen coolen badass wie Dante (Devil May Cry), was aber auch nur daran liegt, dass er in Wirklichkeit gut ist. Bei grauen Gegenspielern muss man aufpassen nicht zu sehr zu entschuldigen. Besonders beliebt ist hier die schlechte Kindheit, in der etwas ganz Dramatisches passiert ist. Das wird manchmal überstrapaziert und wirkt in einigen Fällen sogar unfreiwillig komisch (ist aber auch eine Frage der Inszenierung).
Was ich selbst bevorzuge: Ich mag Helden, die moralische Prinzipien haben, aber es darf kein Gutmensch sein. Ich mag auch badass-Charaktere, was für mich erst mal nur Figuren sind, die vielleicht ein loses Mundwerk haben, sarkastisch sind, es mit den Regeln nicht so genau nehmen usw. Keine wirklich amoralischen Charaktere. So eine Figur würde ich niemals spielen wollen, weil ich sie für absolut unsympathisch halte.