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Trotz Massenware keinen Massenabsatz? Da stimmt doch irgendetwas nicht.Zitat
Aber mal ernsthaft, ich gehe mal auf deine Punkte einzeln ein:
1) Erst mal ein paar Worte zur Atelier-Serie: In den Atelier-Spielen ging es seit der ersten Stunde, und zwar seit 1997 mit Atelier Marie für die PlayStation, eine Spielereihe, in der es darum ging, Items und Rezepte zu sammeln und sich die Kraft der Alchemie zu Nutze zu machen, um neue Items zu erschaffen.
Und auch wenn es ein paar Ausnahmen gibt (Atelier Iris), hatten die Atelier-Spiele auch von Beginn an eine dominierende Zahl weiblicher Protagonisten und eine Geschichte, die eher locker und humorvoll als dramatisch und episch war. Dies war eine bewusste Entscheidung von GUST, denn die Atelier-Spiele sollten sich von anderen Spielen des Genres abgrenzen. Die weiblichen Protagonisten waren u.A. eine Antwort auf die überwiegende Zahl männlicher Hauptcharaktere in RPGs. Überhaupt war in RPGs eine Verteilung von 3:1 (männliche ↔ weibliche Charaktere) nicht unüblich. Das Gegenteil war jedenfalls viel seltener der Fall. Dass jetzt eine Spieleserie den Mut hat, dagegen anzugehen und eine damals vergleichs kleien Zielgruppe anzusprechen, finde ich jetzt überhaupt nicht verwerflich.
2) Du erwähntest das Design der Charaktere. Ich kann verstehen, wenn dir die Moe-Elemente nicht gefallen. Die sind heute auch noch stärker vorhanden als früher, das gebe ich zu. Was ich allerdings nicht so stehen lassen kann ist dass die Charakterdesigns generisch sind. Wenn man sich die Gesichter der drei Frauen ansieht, sehen die sich in vielen Aspekten ziemlich ähnlich. Augenform, Gesichtsform, der Gesichtsausdruck. Allein anhand ein paar Bilder darauf zu schließen, die komplette Palette der Charaktere (übrigens gibt es auch noch einen älteren Mann als Charakter in Atelier Ayesha) als generisch abzustempeln, obwohl man sie nicht in ihrem kompletten Facettenreichtum gesehen hat, halte ich für ziemlich voreilig. Und, wie gesagt, das ist keine Veränderung der letzten paar Jahre; die Atelier-Reihe setzt schon seit 15 Jahren auf solche Elemente.
3) Kleidungsdesign. Wenn du versuchst, das Kleidungsdesign als möglichst praktisch für den Kampf anzusehen, bist du bei RPGs wohl im falschen Genre. Wie oft gab es denn schon komische Rüstungen, wirre Bänder, Gürtel und sonstige Kleidungsstücke, die im Kampf ganz sicher keinen tollen Zweck erfüllt haben? Schau dir mal deine Bilder aus Secret of Mana an: Der Knochenhelm ist doch sicherlich ein ganz praktischer Schutz im Kampf, oder?
Und die Waffe, die Ayesha in der Hand hält, ist ein Zepter. Das ist die Waffe der Alchemisten in den Atelier-Spielen. Das Blumendesign sollte auch nicht kritisiert werden, weil Blumen eines der zentralen Hauptthemen und -motiven des Spiels ist.
4) Der Beschützerinstinkt. Ayesha und co. sind mit Sicherheit nicht hilflos, und Ayesha ist auch die einzige der drei, die durch ihren Gesichtsausdruck wirklich einen solchen Eindruck erzeugt. Die rothaarige zum Beispiel hat auf mich immer den Eindruck einer sehr starken Frau gemacht. Und so eine Gesichtsmimik soll nicht die Beschützerinstinkte der pubertierenden älteren japanischen wecken, sondern in Männern allgemein. Das ist ein alter menschlicher Urinstikt der hier angesprochen wird, das hat nichts mit einer pubertierenden Persönlichkeit oder einem verqueren Weltbild zu tun. So etwas gab es übrigens auch schon immer in anderen RPGs, zum Beispiel in sehr vielen Fällen, wenn man einen jüngeren Charakter, z.B. ein Kind in der Gruppe hatte.
Auch Stäbe als Waffe gab es schon immer. Oder andere Waffen, die nicht besonders mächtig Aussehen. Die Atelier-Spiele arbeiten zudem noch mit sehr viel Alchemie in den Kämpfen, also magischen Elementen, die nicht an den physischen Kontakt der Waffe mit den Gegner gebunden sind.
Was die Haarfarben angeht: Was würdest du denn lieber sehen? Ein realistisch Design von schwarzen, braunen und blonden Haaren? Oder lieber ganze viele Farben wie grün, rot, weiß, blau, blond, pink? Oder gefallen dir einfach manche Farben nicht?
Und abseits der Atelier-Serie kenne ich nicht viele andere RPGs, die eine so dominierenden Anteil weiblicher Charaktere haben. (Und nein, Parodie-Spiele wie Hyperdimension Neptunia zähle ich jetzt mal nicht mit).
5) Epische JRPGs. Davon gibt es immer noch ein paar, aber bitte kritisiere keine lange, traditionsreiche Serie wie die Atelier-Serie dafür, dass sie sich nicht im Laufe der Jahre zu etwas gewandelt hast, was du spielen möchtest. Nach wie vor sind die Atelier-Spiele keine reinrassigen RPGs, und es geht nicht darum, die Welt zu retten.
6) Krise der JRPGs. Nein, wenn es Massenware wäre, würden JRPGs doch gerade nicht in der Krise stecken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass gerade die Technik daran Schuld ist, dass es den JRPGs nicht mehr so gut geht. Wenn man sich mal anschaut, was zu PS2-Zeiten alles für stationäre Konsolen herausgekommen ist, und das mal mit der jetzigen Generation vergleicht, ist ziemlich offensichtlich, dass viele auch bekannte Serien nicht die nötigen finanziellen Mittel aufbringen können, um weiterhin umfangreiche, epische Rollenspiele zu entwickeln, da HD-Grafik einfach unglaublich kostenspielig ist.
Die Atelier-Spiele setzen da andere Schwerpunkte, deshalb kann GUST noch für die PS3 entwickeln, während die meisten anderen Serien auf Handhelds ausgewichen sind, während sich (besonders die westlichen) Fans beschweren, dass nicht mehr viel für die PS3 kommt.
Der rückständige technische Aspekt mag auch damit zu tun haben, aber der erklärt nicht, warum vom Wechsel der PS2 zur PS3 auf einmal schlagartig zwei Drittel der bewährten JRPG-Serien ausgestorben sind.
7) Wenn du eine wirklich großartige, klassische und durchaus auch epische RPG-Serie spielen willst, empfehle ich dir Falcoms „The Legend of Heroes“ bzw. die Trails-in-the-Sky-Reihe. Leider ist bisher erst ein Teil übersetzt worden, aber in diesem einen Spiel, das eigentlich nur ein Prolog ist, werden dem Spiel durch großartige Dialoge und viel Charme eine ganze Reihe toller Charaktere nahegebracht, zu denen man auch wirklich eine dichte Beziehung entwickelt. Darüber hinaus wird auch der Grundstein für möglicherweise einer der epischsten und komplexesten Geschichten gelegt, die je in JRPGs erzählt wurde.
Und nochmal zu einem Punkt, nämlich deiner Meinung: Wenn das deine Meinung ist und du sie argumentativ verteidigen kannst, also nicht durch durch halbwissen oder verobjektivte Aussagen, der eigentlich subjektiv sind, dann ist das okay. Ich akzeptiere völlig, dass dir das Design nicht zusagt und würde dir deshalb auch nie ein Atelier-Spiel nahebringen wollen. Aber die Atelier-Spiele stehen nicht für das ganze Genre und lassen sich auch nicht darauf anwenden, und vielen der Kritikpunkte, die du anbringst, fehlt auch einfach das nötige Hintergrundwissen. Es ist okay, wenn dir das Design nicht gefällt und ein paar deiner Kritikpunkte halte ich für berechtigt, wenn sie nicht gerade einen allgemeingültigen Anspruch erheben.