"Befreundet sein" bedeutet, dass ein tiefes, seelisches Band zwei Menschen verbindet. Es zeichnet sich durch Treue, Vertrauen, Respekt und Loyalität zueinander aus, aber auch Unverbindlichkeit, gewisse Freiheiten, sind Dinge, die nicht fehlen dürfen...Ich brauche die Freiheit, einen Freund nachts um 3 anrufen zu können, aber er hat auch die Freiheit, nicht ran zu gehen. Es ist wie ein Geben und Nehmen, ohne große Erwartung: Ich muss nicht geben, ich muss nicht nehmen - und meine Freunde müssen es ebenso wenig. Ich erwarte nicht, dass meine Freunde mir bei meinem Umzug helfen, ich erwarte nicht, dass sie darauf Rücksicht nehmen, das ich zB in einer Woche Prüfungen schreibe und daher wenig Zeit habe. Ich erwarte nicht, das sich jeden Tag jemand bei mir meldet und ich erwarte erst recht nicht mehr, das Freunde sofort wissen, das etwas nicht stimmt, wenn mir etwas auf dem Herzen liegt. Es steht jedem Frei, wann er was macht, wo er mich bei haben möchte, was man mir erzählt. Aber als Freund von mir weiß man, dass man mir alles erzählen kann und ich dem ganzen Aufmerksamkeit schenke, so weit ich selbst in der Lage dazu bin. Ich erwarte nicht von meinen Freunden, das sie alles nachvollziehen können, was ich tue, ich erwarte von ihnen nicht, das sie hinter dem stehen, was ich mache und ich erwarte schon gar nicht, das sie mir in irgendeiner Form unter die Arme greifen, wenn ich Hilfe brauche. Ich erwarte es nicht und bin dafür umso Dankbarer dafür, wenn sie mir eine Bereicherung sind.
Eine Freundschaft entsteht nicht dadurch, das man jemanden fragt, ob man befreundet sein möchte und sie enden nicht mit "Ich lade dich nicht auf meinen Geburtstag ein!".
Sie entsteht nicht dadurch, das man sich mal gut unterhält oder zusammen was spielt oder erarbeitet. Freundschaft ist ein soziales Gefühl von Verbundenheit, das durch Kontinuität und Dauer wächst und gedeiht, sie geht tiefer in die emotionale und soziale Welt. Man kommt sich in gewisser Weise näher, Gesprächsthemen vertiefen sich in privatere Ebenen (zum Beispiel statt "Die Party hat Spaß gemacht!" wird detaillierter von den Gefühlen und Gedanken erzählt, die man auf dieser Party hatte). Es liegt an mir, mich den Personen zu öffnen, zu denen ich bereits ein gewisses Vertrauen habe. Fühle ich mich dann in diesem Vertrauen bestätigt, vertieft das diese Freundschaft und lässt sie weiter gedeihen.
Man selbst muss sie zulassen, und man muss wissen, das Freundschaft nicht jedem dasselbe bedeutet - und bloß, weil man ein freundschaftliches Gefühl zu einer anderen Person hat, und sagt, dass diese Person ein Freund ist, heißt das nicht, dass diese Person das auch so sieht. (Was ziemlich fies klingt, allerdings ist das im Verliebtsein genau dasselbe Problem!)
Dann gibt es noch verschiedene Ebenen der Freundschaft. Mit meinem besten Freund bin ich auf einer grundsätzlich sehr individuellen Ebene, eine Ebene, die ich bisher mit niemandem zuvor betreten habe - auf der wir gemeinsam Gedanken austauschen, philosophieren, unsere Probleme reflektieren und über tiefgründigere Dinge nachdenken. Wir verbringen viel Zeit miteinander, er weiß, dass er sich JEDERZEIT bei mir melden kann. Egal, wo ich sonst bin - und wenn ich bei anderen Freunden bin, wenn mein bester Freund anruft, hat er erst einmal Vorrang. Das ist mir wichtig. Dann gibts noch andere Freunde, mit denen ich über oberflächlichere Themen rede. Zum einen bin ich mit ihnen noch nie auf den tieferen Ebenen der Gedanken getaucht, ich vertraue ihnen hinsichtlich meiner kognitiven Sphären nicht so sehr, als das ich ihnen von meinen Gedankengängen erzählen wöllte. Ich vertraue nicht darauf, das sie verstehen, was ich sagen will, wenn ich meine philosophischeren oder kritischeren Gedanken ausspreche. Zum anderen haben diese oberflächlicheren Freundschaften den Sinn, das ich auch eine Pause vom ganzen Tauchen brauche. Man muss auch mal an die Oberfläche, um Frischluft zu atmen und wieder zu Kräften zu kommen. (Das sollte nicht so klingen als würde ich mich für was besseres halten, im Gegenteil. Ich denke viel darüber nach, was ich tue, sage, und was alles für Folgen hat und betrachte oft meine eigene Handlungen kritischer als die der Anderen. Lediglich meine Reflektionsfähigkeit ist ausgeprägter als die der Anderen. Dafür habe ich tatsächlich oft größere Schwierigkeiten damit, solche sozialen Bündnisse wie Freundschaften einzugehen und in der Hinsicht wiederum erscheinen es andere Menschen definitiv einfacher zu haben. Vielleicht auch genau aus dem Grund, weil sie da nicht so viel drüber nachdenken.)
[Mal eben abweichen, zur Entstehung und Entwicklung zwischenmenschlichen Beziehungen generell:]
Jede Form von zwischenmenschlichen Beziehungen ist unsagbar wichtig für die Entwicklung und die Gesundheit von Geist und die Seele eines Einzelnen.
Freundschaft ist ein Bereich von etlichen Stufen von Beziehung. Ich gehe mit einem Menschen bereits dann eine Beziehung ein, wenn wir uns wahrnehmen. Wir können Bekannte sein, Kumpels, Freunde, ein Paar - Geschwister, Vater-Tochter, oder Geschäftspartner. Er könnte einfach nur mein Sachbearbeiter von der Bürgerbehörde sein, der meinen Personalausweis ausschreibt, oder nur sein Kollege. Er kann der stinkende Penner in der Bahn sein, der Jogger im Park, der Verkäufer im H&M. Das, was zum Entstehen einer Beziehung unverzichtbar ist, ist die Wahrnehmung: Wir nehmen uns wahr und Empfinden darüber hinaus eine Symphatie zueinander oder eine Antipathie.Sympathie und Antipathie sind wie eine Wagschale, auf die der Mensch mit der ersten Wahrnehmung gelegt wird. Ist eher eine Antipathie vorhanden, so wird das Entstehen größerer Verbindungen zueinander (=Bekanntschaften, Kumpelstatus, Freundschaften, mehr?) erschwert. Man empfindet zunächst Misstrauen zueinander. Dadurch, das ich auch solche Menschen in meinem Umfeld zugelassen habe, und mich ihnen nicht abgewandt habe, habe ich mich auch mit Menschen anfreunden können, denen gegenüber ich zunächst eine Antipathie empfand. Der Prozess dauerte in dem Fall natürlich wesentlich länger und war schwieriger durchzuhalten, als wenn stattdessen sofort eine Sympathie zugegen gewesen wäre. Doch meine Erfahrung, das auch für die ersten Eindrücke sehr symphatische Menschen ziemlich hinterrücks und fies gegen einen selbst Handeln können (nicht gerade Vertrauensvoll und obendrein entsetzlich respektlos), hat mich gelehrt, auch den Menschen Chancen zu geben, die man im ersten Augenblick abwertend betrachtet. Hassen tue ich grundsätzlich niemanden mehr, und im großen und ganzen weiß ich sehr genau, dass jeder Mensch mehr könnte, als nur irgendein Mensch.