Will ich den Suebenknoten wieder sorgfältig rausflechten, meinen treuen Sax zur Seite legen und von den glorreichen Abenteuern im Wolfenhain berichten.
Ich muss sagen, dass du die Veröffentlichung der Demo gutes Timing war, zusammen mit einer Erkältung hatte ich in diesem kurzen Jahr wenigstens etwas zu tun außer mürrisch im Bett zu liegen.

Erstmal, ich bin kein Freund von typischen Fantasy-Settings, Herr der Ringe habe ich nie gelesen, trotz mehrerer Anläufe, die Filme nie ohne Einschlafen geschafft, Conan bleibt auch auf unbestimmte Zeit ungesehen - das einzige was in die Richtung geht und dass ich zu Ende geschafft habe ist der Beowulf - deshalb dürfte mir die Demo auch so gut gefallen haben, kein "Haargel-Fantasy" (naja, wenn man die germanischen Kalkstachelfrisuren bedenkt, ist Steroidenfantasy wohl der passendere Name ) sondern zurück zum ursprünglichen Quellmaterial

Mein Kurzeindruck nach dem mich die Handlung zum ersten Mal nach Moorwehr führte war ungefähr: Es ist bisher das Beste was ich auf dem Maker gespielt habe. Und es ist sogar schön anzusehen, solch leckere Grafik.
Und da kann ich die Kritik von Cyangmou nicht verstehen. Auch wenn es ein Fantasyspiel, auf historische Akkuratesse darfst du nicht zu sehr setzen und glaub mir, die Allreise war da nicht wirklich besser, Lederstrumpf aus der Mitte des 18. (!) Jahrhunderts im selben Setting mit einem Bufallo-Bill, der schon seine Show-Tour macht obwohl Custer noch lebt, etc und und und...
Und trotzdem ist Wolfenhain so nah an historischer und mythologischer Genauigkeit und Anspielungen, wie ich es wirklich nicht erwartet hätte und wie ich es bisher in keinem Spiel kommerziell/indie gesehen habe. Die Langhäuser in Moorwehr sind doch da das perfekte Beispiel, neben den Dingen, neben den von dir genannten Kleinigkeiten wie Krähenfußhexenhaus ala baba Yaga, stehlenden Wichteln und Hexen/Zaubererkonflikt.
Die Atmosphäre und die innere Logik des Ganzen ist mMn bisher nicht erreicht worden - und da zähle ich auch internationale Titel wie Sunset over Imdahl dazu.
Die heiligen Eichen/Linden in der Mitte eines Dorfes war auch nicht wirklich überall vorhanden und hat sich auch erst später im Mittelalter durchgesetzt, aber über sowas würde ich mich natürlich auch freuen, wie über Thinghallen und sonstigen germanischen Kram, die Mooropferung und die hollywoodangehauchte Piratenhalle gingen ja schon in diese Richtung. Das Fantasy-Setting ist doch ein Vorteil, wie langweilig wäre denn ein Spiel was historisch korrekt sein will?
Wenn dich bspw. stört, dass die Inquisition nicht reinpasst, müsste dich auch stören, dass bspw. Greensleeves - das für mich wie das Leitmotiv des Spiels rüberkam - stammt aus dem 15/16 Jahrhundert, das Vorbild der Räuberbande datiert je nach welchen Text man nimmt vom 11-13 Jahrhundert, und die Märchenvorbilder sind alle erst im 19 Jahrhundert niedergeschrieben wurden und ziemlich von der Romantikbewegung beeinflusst...
Wie auch immer, meiner meinung kann die Zeitdiskrepanz zur "Realität" weiter ausgebaut werden, ich hätte nichts dagegen wenn Brun sich in einer Doktor Schnabel von Rom Gasmaske durch den tödlichen Nebel kämpft um unpasierbare Stellen zu erreichen.

Es gibt eigentlich nur zwei Kleinigkeiten, wo das Fantasy-Setting die Immersion für mich beinträchtigt hat, erstens die Wölfe, die Wargen hießen (obwohl das Spiel WOLFENhain heißt und im Fischersdorf die Trophäe auch als Wolf bezeichnet wird) und bei deinem Pantheon - der mich nicht gefesselt hat, vllt. waren die Expositionsfetzen zu früh oder zu viel, aber jedes Mal wenn ich Brun Ordensgeschichten erzählen habe lassen, hab ich dies dann doch bereut und Buttonsmashing betrieben ohne die Texte wirklich zu lesen. Ein anderes Problem dürfte sein, dass ich bei erfundenen Göttern zu meiner eigenen Interpretatio Romana neige um es mir zu vereinfachen, bei einigen Göttern ist das leicht, der Fischersgott ist mehr oder weniger 1:1 Poseidon, beim Güldenen - und damit beim ersten vorgestellten Gott - ist es aber schwieriger, mir war nicht klar ob er ein monotheistisches Ra/Jawhe Konglomerat ist, oder eine Rolle im übrigen Götterkult spielt, da er eigentlich zuuu gut/makellos für eine indogermanische Gottheit alter Schule dargestellt wird und die Anhänger des Ordens nicht den besten Ruf bei der restlichen Bevölkerung haben.
Von den Interaktionen gehe ich davon aus, dass der Güldene ein akzeptierter Gott in der restlichen Bevölkerung ist, aber die Diskrepanz fand ich da schon störend, eben weil er als Analogie der abrahamatischen Religionen zu funktionieren scheint...

Das Märchensetting gefällt mir aber wie erwähnt super, bleibt es durchgehend nordisch/europäisch? Ich würde es nämlich begrüßen, wenn es im Verlauf der Reise zur internationaler wird. Ein Tausend-Und-Eine-Nacht Bagdhad (hattest du ja teilweise in der Allreise schon), ein Gilgamesh-Babylon, eine greco-romanische Ebene voller Satyren, Zentauren und Dryaden, selbst ostasiatische Settings wären machbar und für japanische Folklorefiguren gibt es auch genügend Ressourcen, scheinbar hatte wohl jedes Snes-RPG Kappas...

Die Hauptcharaktere gefallen mir wieder prima, Gisulf als gemütliche Mitte zwischen den anderen beiden Streithähnen, mit seinem netten Lachen und furchteinflössenden Brummen hat ähnlichen Wiedererkennungswert wie die bekannten zwei Gallier. An den Posen und Animationen, ja selbst wie der Bart sich beim Gehen windet, kann ich mich nicht satt sehen.
Erfrischend ist auch, dass es sich nicht um Witzfiguren handelt, sondern um "ernsthafte" Charaktere, die ihre Umwelt ernst nehmen (herzhaft gelacht habe ich bei der Rettung der Magd von den Piraten)
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So und nun zu den Dingen, die mr nicht gefallen haben, bitte mach noch einmal Feintuning bei den Kämpfen, eben durch das Kampfsystem wird es manchmal (und damit meine ich immer) zu happig, mit Olaf hatte ich seltsamerweise wenig Probleme, weil ich glücklicherweise das LiesMich gelesen habe, aber schon beim Tutorialkampf gegen den Geist, brauchte ich vier Anläufe weil seine Doppeelattacken mir zugesetzt haben.
Eine Zeitlang dachte ich, es liege an meiner Unfähigkeit und machte was ich hasse, leveln um neue Fertigkeiten auf der Burg zu lernen, wurde dann aber mit dem Piep begrüßt
Abstürze hatte ich wohl um die 8 Mal, was ich aber auf den Maker und nicht auf dich schieben will, beim Waffenwechsel von Brun passiert es gerne und die Fische scheinen besonders anfällig zu sein, erst beim dritten Anlauf aufs Westufer schaffte ich es ohne Fehlermeldung.
Korinthenkackerei: Der "Rabe" in der Baba Yaga Hexenhütte ist eine fremdsprachentalentierte Amsel (-> Farbe des Schnabels und der Füße)
Greensleeves ist ein tolles Lied und wohl die Melodie, die jeder sofort mit dem Mittelalter in Verbindung bringt, aber nach schätzungsweise 7-8 Stunden Wolfenhain hängt es mir zum Hals raus. In Moorwehr wird es gespielt, wenn die Party übernachtet und man lernt es am See (und ich wette ich habe vergessen wo es noch vorkommt)
Beim zweiten Brückentroll und einem halbend Dutzend toten Küken habe ich gecheatet, Nichts, Leere, Schwarz/Schwärze waren einge Wörter die ich ausprobiert habe, hab dann den Wert der Variablen im Maker gezählt... wäre ehrlich nicht drauf gekommen.
An der Fetchquest der Zutaten habe ich auch lange gehangen, weil man die Dunkelbeeren extrem schlecht sieht - und hab dann erstmal die Sidequests gelöst (Auch bei der Haupthandlung war das so, erst ganz am Ende wurde mir klar, dass ich durch die Sidequests überhaupt das Tor lösen kann, weil mir Keim und normale Wuchtwaffen allein nicht helfen). Aber ich gehöre halt zu den Spielern, die es lieber haben am Händchen geführt zu werden und eher beschränkte Freiheit zu genießen.

Zitat Zitat
Wenn du wüsstest, bei wie vielen kommerziellen Spielen ich Ideen für Wolfenhain geklaut habe, würden sich die Gewichte wieder verschieben. Ich mus beizeiten ein umfassendes Geständnis ablegen. Aber noch nicht, noch ist das Lob viel zu schön.
Das finde ich schade, ich finde nämlich die faustsche Frage meistens genauso interessant wie das Endprodukt. Was waren die Gedanken, die Einflüsse, das Ziel...
Making-Ofs und Einblicke hinter die Kulissen sind interessant und helfen meistens die Dinge besser zu verstehen und die eigenen kreativen Fähigkeiten zu schulen. Also bitte nicht vor sowas drücken. Lob kriegst du sowieso, gewöhn dich dran :P