Ich habe mir jetzt auchmal ein wenig Zeit für Alice genommen. Bin noch nicht vollständig durch, erstmal nur bis Ende D.

Schon vom Grafikstil her erstmal einer der schönsten Ersteindrücke unter den Kelven-Spiele für meinen Geschmack. (Kann aber nicht direkt vergleichen, habe Übersicht verloren! )
Insbesondere die Beleuchtung weiß mir zu gefallen. Unterstützt die düstere Stimmung ganz gut, ist aber noch Röhrenmonitor-freundlich.
Die Musikuntermalung ist ebenfalls stimmig und hochwertig. Nur einmal, als ich (absichtlich und vorgewarnt, gut mitgedacht, danke!) durch die offene Tür im Norden in die Finsternis vordrang (ich hab ja schließlich auch die Drucktür der Raumkapsel in Trolls Allreise geöffnet...), fand ich die Trackauswahl weniger passend: Zu positiv bei einem tragischen Game Over für meinen Geschmack.

Zu den Rätseln: Passt soweit für mich ganz gut. Nicht allzu schwer, aber ohne Denken geht's auch wieder nicht. Wirklich nett fand ich, dass sich an mehreren Stellen Begründungen finden lassen, warum einer sonst alltäglichen Handlung hier ein vorgeschaltetes Rätsel entgegensteht! (Als Beispiel sei etwa das Schloß am Kühlschrank genannt.) Obwohl ein Adventurespieler sowas als Genrekonvention andernfalls wohl auch unkommentiert hinnehmen würde...

Zum Steuerungssystem: Ich will dich keinesfalls davon abhalten, es für spätere Projekte auszubauen. Es könnte mit mehr Optionen durchaus noch sinnvoll werden, aber mit den paar Möglichkeiten, die es in Alice bietet, ist die Aufwand/Ertrag-Rechnung definitiv noch nicht aufgegangen:
"Untersuche=>is ne Kiste!; öffne=>geht nicht!; wähle Stemmeisen=>gewählt!; benutze Stemmeisen=>krach!; untersuche=>'n Questitem!"
Ist genauso 100% genretypisch wie 100% nervig! Und besonders schlimm wirds bei:
"Untersuche=>is ne Kiste!; öffne=>geht nicht!; wähle Stemmeisen=>gewählt!; benutze Stemmeisen=>geht nicht!"
Nur weil ausgebildete, erfahrene, gutbezahlte Profis mit einer anständigen Entwicklungsumgebung das genauso machen, heißt das nicht, dass du das nicht besser machen dürftest!
Was spricht denn gegen:
"Untersuche=>is ne Kiste!; öffne=>Stemmeisen, krach, Questitem, bitteschön! "
mit den Alternativen:
"öffne=>dafür fehlt mir ein Stemmeisen!" und "öffne=>leer/sinnlos/etc."
Zumal ja Funktionen wie Leute ansprechen, oder bestimmte Dinge aufheben/einstecken zeigen, dass es keine bewußte Designentscheidung von dir war, die komfortable Standardinteraktion zugunsten von detaillierteren Spielerentscheidungen zu opfern!
Und bei der Itemwahl könnte man doch auch direkt durchschalten, statt Funktion wählen, scrollen und bestätigen. Da sich der Inventarinhalt eh alle drei Schritte ändert und man somit nicht weiß, ob hoch- oder runterscrollen kürzer ist, könnte man so doch zwei Tastendrücke einsparen.

Ansonsten ist mir noch eine winzige inkonsistente Kleinigkeit in Bezug auf Mapping/Perspektive aufgefallen, und zwar folgendes:
Manchmal ist die gelbe Kante des roten Teppichs an Südseiten bündig mit der Linie, wo die höhere Wand optisch aufhört, obwohl der Teppich sonst immer bis zum Rand geht - mich persönlich störender Perspektivfehler.
Manchmal ist sie (an Abzweigen sichtbar) um mehrere Felder (Wandhöhe) versetzt, aber man darf da ja ohne den halben Maker auszuhebeln nie langgehen - richtige Perspektive, Makerunannehmlichkeit.
Manchmal ist sie dort gesetzt, wo man auch genau noch langgehen darf - ganz leichter Perspektivfehler, aber für mich der beste Kompromiss!
Nix davon ist jetzt für sich wirklich schlimm, aber ich finde in dieser Mischung wirkt das nicht so aus einem Guss, wie die sonstige Präsentation.

Zur Story: Ganz kenne ich sie ja in deiner Umsetzung noch nicht, und naja, die Buchvorlage habe ich immer noch nicht gelesen, weil ich ich nicht weiß, ob ich mir das auf Englisch zutrauen soll oder doch in Übersetzung und dann kommt immer ein anderes Buch dazwischen... Aber gemessen an dem, was hierzulande und heutzutage fundiertes Allgemeinwissen und eine anständige Ausbildung ersetzt - also Zeichentrickserien - empfinde ich es als eine interessante Auseinandersetzung mit der Vorlage. Egal, ob sie (d.h. die Vorlage) nun in Gelehrtenkreisen als Darstellung psychologischer Extreme oder als Erfahrungsbericht über Drogenmißbrauch gewertet wird: Da, dem Medium Spiel geschuldet, nicht viel Textinhalt möglich/sinnvoll ist, war es die in meinen Augen richtige Entscheidung, sich auf eine einzige - diesmal düstere - Interpretation, Erfahrung und Sichtweise zu beschränken und diese Stimmung dafür umso konsequenter rüberzubringen!

Ich fände es aber dennoch interessant, wenn du dieser Darstellung noch eine weitere, ergänzende oder konträre Alice hinzugesellen würdest. Selbst und gerade wenn die späteren Enden gegen eine Fortsetzung sprechen sollten, dieser Stoff bietet da doch durchaus so seine Möglichkeiten!

Alles in allem überwiegen die positiven Aspekte deutlich und ich hoffe, ich konnte meine paar Kritikpunkte hinreichend konstruktiv darlegen!
Wenn mir im folgenden Spielverlauf noch weiteres ins Auge springt, melde ich mich nochmal - bis dahin lautet mein Fazit:
Dankeschön und weiter so!