Lilith hatte sich in den Schatten eines Baumes gestellt, da die Sonne inzwischen hoch am Himmel stand und auf sie herunter brannte. Das war allerdings nicht der einzige Grund, warum die Hitze ihr förmlich ins Gesicht stieg und ihre Wangen rot färbte. Zu entscheiden, das Leben von jemandem zu nehmen, zum Wohl des Dorfes... konnten sie das einfach tun? Es war nicht lange her, seit Ralf sie aus freien Stücken begleitet hatte...
Das Herz der Bäckerin begann zu klopfen. Sollte sie den anderen erzählen, was der Söldner gesagt hatte? Etwas unsicher sah sie zu Avery, aber sie konnte nicht erahnen, was er dachte. Eigentlich sollte sie den Jägern und dem Hauptmann alles erzählen, was sie wusste, denn jede Hilfe war kostbar. Außerdem hielt auch Isabella den Söldner für schuldig, und sie war schließlich ein Profi.
Liliths Gedanken drehten sich unweigerlich um dieses Thema, und sie wurde beinahe verrückt davon. Doch auch wenn Ralf sich merkwürdig und äußerst unhöflich verhielt, konnte sie es einfach nicht übers Herz bringen, die Gerüchte noch weiter zu schüren. Stattdessen warf sie einen Blick durch die Menge, und ihr fiel auf, dass einige der Dorfbewohner nicht anwesend waren.
Was hatte der Hexenjäger gesagt? "Ich denke, sie werden sich ruhig verhalten. Sehr ruhig." Lilith seufzte und lehnte sich an den Baum, in dessen Schatten sie stand. In ein paar Stunden würde die Sonne untergehen, und bis dahin musste auch sie sich entscheiden, sonst würde noch viel Schrecklicheres geschehen.
Godfrey war mit stapfenden Schritten durch das Dorf gelaufen, hatte hie und da forschend in Gesichter geblickt, doch im Gegensatz zum roten Haar der Hexenweiber, war ein junger und neu verfluchter Werwolf noch so menschlich, dass es keinen Sinn hatte, nach Äußerlichkeiten zu gehen. Auch das aggressive Temperament würde erst nach vielen Monden und unzähligen Opfern zum festen Bestandteil des Lebens werden, es war also, als würde man versuchen, bei einem jüdischen Händler einen Rabatt erfeilschen zu wollen - schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit und dies minderte seine Laune noch weiter.
Der Hut schützte ihn vor der Hitze der tiefstehenden, fast schon abendlichen Sonne und er spürte, wie ihre Zeit wie Sand zwischen den Fingern zerrann. Die Nervösität und auch die Furcht stand vielen ins Gesicht geschrieben, Godfrey ging es kaum anders...
Er hatte viele Schlachten gefochten, viele Duelle bestritten und soviele Jagden geführt - doch so mysteriösen, zahlreichen und starken Gegnern war er noch nie gegenübergestanden.
Und während er sein Kreuz so inständig umfasste, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, betete er, dass Ralf unschuldig sei, weil er auf einen Krieger seines Kablibers nicht verzichten konnte.
Und doch... damals hatte er sich schon einmal geirrt.
Er presste die Lippen aufeinander und sah den Schatten eines Baumes, der sich als wunderschöne Silhouette gegen den tiefroten und dunkelblauen Himmel abhob, darunter sah er die Bäckerin sitzen und er konnte es auch in ihrem Gesicht sehen, dass sie sich den Kopf zermarterte.
Unbewusst und gleichzeitig entschlossen stapfte er auf sie zu, bis sein massiger Schatten auf sie fiel und er taxierte sie mit seinem letzten Auge.
"Etwas quält dich, Deutsche. Ich sehe es an deinem Blick.", sagte er mit samtweicher Stimme, die ihm schon manches Mal aus Schwierigkeiten gerettet hatte und manches Mal auch einen reuigen Sünder zum Einlenken bewogen hatte. In erster Linie aber sprach er so, weil er in ihrem Beisein von alleine ein Stückweit sanftmütiger wurde.
Wie damals auch.
Schon bevor er bei ihr war, konnte Lilith das Knarzen des Leders und die stapfenden Schritte, die sich ihr näherten hören, aber erst als Godfrey vor ihr stand, registrierte sie, dass er wirklich mit ihr sprach. Sofort stand sie auf und nahm eine ordentliche Haltung an. "Nun, ich denke uns alle quält an diesem Tag so einiges." ,sagte sie, doch ihr übliches Lächeln wirkte diesmal eher wie eine traurige Grimasse. Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: "Ein einfaches Gemüt wie ich hat bestimmt nichts Wertvolles zu dieser Sache beizutragen, und doch mache ich mir meine Gedanken. Ich muss zugeben, dass Ralf mir auch nicht ganz geheuer ist, seit er mir seine Definition von einem Helden erzählt hat." Sie hielt kurz inne, da ihr nun doch ein leichtes Lächeln über das Gesicht huschte.
Ein Held sah für sie genau so aus, wie der Mann, der gerade vor ihr stand; vielleicht war er innerlich und auch äußerlich gezeichnet von seinen Erlebnissen, aber wie erschreckend seine Erscheinung auf den ersten Blick auch sein mochte, man fühlte sich in seiner Gegenwart, als würde er alles zum Guten wenden können, mochte es auch noch so unmöglich klingen. "Aber ich fürchte mich auch, dass wir, die sich auf das Offensichtliche stürzen, die Wahrheit übersehen könnten. Versteht Ihr, was ich meine?" Die Bäckerin sah Godfrey nun mit großen Augen fragend an, da sie hoffte, er könne vielleicht irgendwie ein wenig Ordnung in ihre Gedankenwelt bringen.
Der Hexenjäger sah sie lange und nachdenklich an, sein Blick schien in die Ferne zu schweifen, bis er schließlich seinen Mantel von den Schultern zog, ihn vor dem Baum legte und ihr mit einer Geste sich zu setzen hieß, wobei er sich dann dem Abstand angemessen neben ihr niederließ, den er für keusch und züchtig genug für zwei Unverheiratete hielt.
Schließlich begann er leise zu sprechen, nachdenklich und mit gewählten Worten.
"Wenn ich eine Sache in meinem Leben gelernt habe, dann dass es keine einfachen Gemüter gibt. Unser Gemüt, unsere Seele ist wie ein Haus, in dem sich böse Gedanken wie Staub, dunkle Begierden wie Unrat und schleichende Lüste wie Spinnweben einnisten und niederlassen und nur das Gebet, ein Gespräch unter Freunden oder eine gute Tat können den Schmutz in unserem Inneren reinigen. Wer sich also Gedanken macht, der ist im Begriff, seine Seele zu reinigen und die Meinung von Menschen, die sich um ihr Seelenheil Gedanken machen, ist mir stets wichtig."
Er strich seine halbgrauen Haare ein wenig glatt, die fettig an seinem kantigen Kopf klebten und das untere Lid seines blinden Auges zuckte nervös.
"Ralf ist ein Mann des Schwertes, er kann nur verlieren. Die Bevölkerung hat ihn in eine Position getrieben, in der er sich nicht mehr zu helfen weiß, seine Kunst ist der Kampf, seine Feder das Schwert. Verbal ist er den meisten unterlegen, doch die Waffe zu ziehen, wäre noch schneller sein Todesurteil. Er wurde in die Enge getrieben und ob unschuldig oder nicht - er beißt um sich wie ein waidwundes Tier."
Er seufzte leise, dann lehnte er sich nach hinten, wobei er aus reiner Gewohnheit den Hals und den Nacken der Dame neben ihm betrachtete, fast als meinte er dort Vampirbisse oder Dämonenmale zu sehen, doch als er sich lächelnd einen alten Narren schalt, da blickte er wieder nach vorne, auch wenn ihm einige alte unzüchtige Ziatet über die Schwanengleichheit des weiblichen Halses in den Kopf schossen, die ein recht frecher Barde einst gesungen hatte, der ihnen einst den Treffpunkt eines Hexenkovens verraten hatte.
"Was also ist zu tun?", meinte er leise, um dann langsam die Augen zu schließen und mit geschlossenen Augen weiterzusprechen. " 'Gott ist unser Kommandant, wir sind seine Soldaten. Sein Herold ist unser Herz, rechtschaffen und ohne Fehl sind die Worte, die durch unsere Adern strömen.' Reichsritter Gunther von Cologne, um 1100 herum, ein Mann aus deiner Heimat... " , meinte er dann leise. "Wir können dieser Tage nur auf die Stimme unseres Herzens hören, denn der Verstand wird allzuleicht vergiftet von Luzifer.
Sollten wir den Söldner hängen, wird es ruhiger im Dorf sein und uns fehlt ein ausgeziechnetet Kämpfer. Wir werden Blut vergießen müssen, das einzige, was wir tun können, ist diesen armen Teufeln die Absolution zu erteilen und ihre Sünden auf uns zu nehmen, so dass sie ins Himmelreich fahren können."
Er lächelte ob des Gedankens, dann griff er sich in den Nacken und er holte sein hölzernes Kreuz hervor. "Eine feste Burg ist Gott, der HERR und mir wird es an nichts mangeln."
Er nahm es ab und küsste das alte, spröde und ausgeblichene Holz mit trockenen Lippen, dann reichte er das Amulett an die Bäckerin weiter.
"Unsere Kraft und den Glauben mit anderen Menschen zu teilen, ist dem Teilenden ein Labsal. Nimm dieses Amulett an dich. Es ist nur ein Stück Holz, es ist..." Er stockte leicht. "... nur ein Stück Holz. Was auch immer passiert, die folgenden Tage sind es wert, im Herzen aufbewahrt zu werden und zu reifen, Ängste zu besiegen und über den Feind zu triumphieren, zum Glauben zu finden und sich dem Bösen zu stellen. Was immer auch passiert - dein Leben wird danach nicht mehr dasselbe sein. Dieses Amulett soll dich an die letzte Nacht erinnern, in der dir alles bekannt war. Und solltest du überleben, wofür ich mich verwenden werde, wird es dir eine Erinnerung sein, wie hundert Wölfe dich nicht überwinden konnten."
Ralf entfernte sich aus dem Fokus der Aufmerksamkeit, langsam schritt er Richtung Waldrand. Dort zog er sich den Waffenrock aus, es war wirklich ein verdammt heisser Tag geworden.
"Seh dir die Planzen ihn deiner Umgebung an, eine jede von ihr bildet die Grundlage des Lebens. Mit Erde, Luft, Wasser und Sonnenlicht, bildet sie Nahrung für höhere Lebewesen. In ihrer Art so perfekt wie nur irgend möglich. Keine von ihnen hat je einen Gedanken gedacht. Die Gedanken werden von Luzifer selbst beeinflusst und dagegen anzukämpfen ist unmöglich, Perfektion ist unmöglich. Also wirst du deine Klinge solange schwingen bis aufhörst zu denken, du wirst immer und immer wieder diesen einen Schlag wiederholen, du wirst Schmerzen haben, dich wird die Stimme in deinem Kopf anflehen aufzuhören, aber du wirst eisern bleiben, unnachgiebig, dem unerreichbaren Ziel nacheifernd, Perfektion am Schwert."
Mit für das Menschliche Auge nicht mehr nachvollziehbaren Geschwindigkeit, begann er eine der Übungen am Schwert. Eine ungewöhnliche Übung, da sie eher spielerisch als tödlich effiziet war, mit einigen Drehungen. Mitten in der Übung lies man das Schwert sogar in der Scheide verschwinden. Immer und immer wieder die gleiche Übung. vor seinen Auge enstand ein Gegner, ein Gegner der seinen Bewegungen kannte, der spürte, wo das Schwert hinwandern würde und der gleichzeitig zurück schlug. Nur seine catzenartigen Reflexe bewarten ihn vor dem Stahl seines Gegenübers. Doch langsam bekam, er Gesichtszüge. Es war dieser Lester, der völlig verängtigt dastand und im nächsten Moment von seiner klinge zerfetzt wurde, noch wärend er leblos zusammenbrach lies Ralf das Schwert verschwinden...gerade noch gelang es ihm, einer Mistgabel auszuweichen, die er sich jetzt packte um den Angreifer nahe genug für die Faust zu bekommen. Unter einem Hagel von Schlägen, brach dieser zusammen, aber das war nicht genug, das Schwert wurde abermals gezogen um ihn den Rest zu geben. Dies war der passende Moment für eine Offensieve. Zwei weite Schritte brachten ihn, zu seinem nächsten Opfer. Ja er würde das gesammte Dorf niedermetzeln und ihr Blut trinken, so wie das von dieser Bäckerin die zusammengekauert auf dem Boden lag und ihre Hände, verzweifelt vor sich hielt...NEIN!!! Vor Schweis triefend, kam Ralf wieder in dieser Welt an. Wäre er tatsächlich in der Lage das gesamte Dorf niederzustrecken? Auch die Kinder? Blödsinn, das war nichts weiter als ein Hirngespinnst Satan`s. Eine Illusion, die Schwäche des Geistes. Das Schwert in seiner Hand, aber war real. Nein es war nicht nur realt, es war, ist und wird immer real sein, bis zum jüngsten Tag. Das war die einzige Wahrheit die er kannte
Entgeistert erblickte Lester Ralf, der wie ein Wahnsinniger mit der Luft kämpfe.
"Was tut dieser Wahnsinnige da eigentlich? Man müsste meinen er legt es geradezu darauf an gehängt zu werden. Wenn ich jetzt zu ihm gehe würde er mich vermutlich nichtmal wahrnehmen und einfach so niederstrecken..."
Als er diesem Schauspiel noch länger zusah stieg irgendwo in den Tiefen seines Gedächtnisses eine Erinnerung hoch: Ein junger Mann fuchtelte vor einer Gruppe von seltsam gekleideten Leuten mit einem Schwert herum, jedoch weitaus nicht so eindrucksvoll wie Ralf dies gerade tat.
Lester begab sich zum Tisch auf den er einige Getränke für die Bürger gestellt hatte und schnappte sich eine Schnapsflasche. Wenige Züge später hatte er sie auch schon geleert und die Erinnerung verdrängt. Normalerweise drangen seine Erinnerungen nicht innerhalb so kurzer Zeit an die Oberfläche, aber die gegenwärtige Lage übte sich negativ auf seine Psyche aus. Hoffentlich konnten sie die Werwölfe aushalten, sonst würde er noch erfahren was ihm grausames widerfahren war.
Roland spielte in Gedanken einige Szenarien durch, in der Hoffnung, einen Hinweis zu finden, der ihm bei seiner Entscheidung hilft. Er war auf der Suche nach Beweisen, doch dieses Mal war es erheblich schwieriger. So verging einige Zeit, wie viel es war, konnte er nicht sagen, jedenfalls war es schon spät am Nachmittag, als er endlich wieder aus seiner Gedankenwelt heraustrat. "Tatsache ist, dass wir keine wirklichen Beweise haben, um Ralf zu hängen. Ich habe jetzt einige Zeit darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass Diran von Drachenstein (Lichtdrache) mit sehr hoher Wahlscheinlichkeit zu den Werwölfen gehört. Meine Gründe sind folgende: Er verhält sich in letzter Zeit sehr merkwürdig, führt seit einiger Zeit merkwürdige Experimente deren Zweck bis heute verborgen geblieben sind und verbringt fast die ganze Zeit in seinem Haus. Verstärkt wird das ganze noch dadurch, dass er scheinbar eine widersprüchliche Persönlichkeit besitzt und somit unberechenbar ist." Allerdings war Roland auch mit dieser Aussage nicht wirklich zufrieden, da er nunmal ein gerechtigkeitsliebender Mensch ist und niemanden hängen lassen wollte, vor allem wenn noch nicht genug Beweise vorhanden waren.
'Werwölfe also...' dachte sich Andreas, während er auf seinem Brot herumkaute. Kein Wunder, dass es keine große Verpflegung gab, wenn es sich in Wirklichkeit gar nicht um eine Feier handelte. Allerdings war ihm nicht klar, warum auf einmal das ganze Dorf davon überzeugt war, dass sich hier Werwölfe herumtrieben. 'Verdammter Kater', fluchte er in Gedanken, und das bezog sich nicht auf das Tier, das ihm diesen Kratzer an der Hand beigebracht hatte...
Nun, es waren ja genug Leute hier. Daher fragte in die Runde: "Verzeiht, aber wie kommt ihr überhaupt darauf, dass sich im Dorf irgendwelche nächtlichen Jäger herumgetrieben ha..." Er stockte mitten im Wort. Nächtliche Jäger... sein Hirn raste. Nacht - Mondschein - Jäger - Jagd - Beute. Natürlich. Das hatte das Potential, episch zu werden. Wie schon einige Male zuvor setzte er sich wo er stand auf den Boden und kramte sein Schreibzeug heraus, ohne die Menschen um ihn herum noch weiter zu beachten. Wild fing er an, in seinem Buch herumzukritzeln.
"Es mag vielleicht nur ein Stück Holz sein," ,sagte Lilith leise und sie blickte auf die offene Hand des Hexenjägers, als wäre darin ein unbezahlbarer Schatz, "aber für Euch ist es das bestimmt nicht, denn Ihr tragt es doch stets bei euch, nicht wahr?" Sie nahm das Amulett zögerlich und ein wenig unsicher, ob sie es wirklich annehmen konnte. Vorsichtig strich sie über das spröde Holz und sprach weiter: "Und nun, da Ihr es an mich weiter reicht, ist es in seinem Wert und seiner Bedeutung noch weiter gestiegen. Ich werde es in Ehren halten und in jeder noch so schweren Stunde meinen Glauben damit festigen." Erneut hatte die Bäckerin das Gefühl, seiner Geste nicht gerecht werden zu können.
Mit leicht zitternden Händen legte sie sich das Amulett um den Hals, und auch wenn es keine magischen Kräfte besitzen konnte, fühlte sie sich damit plötzlich sicherer und stärker.
"Da ich nur eine gewöhnliche Bäckerin bin, kann ich Euch wahrscheinlich nichts Ebenbürtiges als Dank zurück geben. Sollte es aber irgendwann einmal etwas geben, so sagt es mir. Bis dahin kann ich Euch, und auch dem Hauptmann, der so weise war, Euch vier zu Rate zu ziehen, nur die Loyalität einer einfachen Bürgerin schenken." Sie richtete ihren Blick in den wolkenlosen Himmel, da dies für sie nun ein Schwur war, und würde sie ihn brechen, sollte das Jüngste Gericht über sie kommen.
Gerade in diesem Moment war es bedeutsam ruhig um sie herum geworden, und erst die Worte Rolands durchbrachen die Stille. Lilith blickte kurz zu den übrigen Dorfbewohnern hinüber. "Diran nun also." ,dachte sie und versuchte, sich zu erinnern, ob er jemals bei ihr im Laden gewesen war. Sie kannte ihn kaum, hatte ihn nur selten zu Gesicht bekommen... gerade deshalb konnte sie absolut nicht sagen, ob er verdächtig war oder nicht.
"Nur ein Geldwechsler in Salomons Tempel oder ein sarazenischer Sultan erwartet eine Gegenleistung für Gaben, die von Seelen kommt, ich aber werde mich mit dem Wissen begnügen, etwas getan zu haben, dich nie wieder grübelnd und gedanklich verloren unter diesem Baum sehen zu müssen.
Das Amulett war mir stets ein Anker im Sturm umwallender Gefühle, sein mittlerweile blankgegriffenes Holz hat mir den Glauben bewahrt. Es wäre schön, wenn..."
Er brach unvermittelt ab, schmatzte einmal unbehaglich und kratzte sich an seinem Bart, dann griff er nach seinem Hut, setzte ihn auf und maß die Bäckerin dann noch mit einem langen Blick, ehe er sich ächzend erhob und leise murmelte: "Und es ist richtig, dieses Amulett wieder am Hals einer schönen Frau zu sehen..."
Dann musterte er die weiter weg stehenden Dorbewohner, die über die bereits abgegebenen Stimmen debattierten und er streckte ihr die Hand hin, um ihr hochzuhelfen.
Lester hörte Andreas Frage und drehte sich um um sie zu beantworten, doch dieser kritzelte plötzlich wie verrückt in einem Buch herum. Verfasste er gerade etwas, dass mit ihrer aktuellen Lage zu tun hatte? Seltsamer Kauz.
"Andreas?" ... keine Reaktion.
"Hey, Andreas!" ... er kritzelte und kritzelte.
Anstatt ihn nochmal anzusprechen ging Lester zu ihm, kniete sich hin und bewegte einen Hand zwischen ihm und dem Buch hin und her.
...
Es kam keinerlei Reaktion. Wie konnte jemand nur wegtreten?
Anstatt noch länger zu versuchen seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken ging Lester zum schwarzen Brett, nahm sich einen Zettel und fasste schnell alles zusammen was sie über die Werwölfe herausgefunden hatten. Damit begab er sich wieder zu Andreas und steckte den Zettel weiter hinten ins Buch, wo er aufrund seiner Größe problemlos auffallen sollte...wobei er in seinem jetzigen Zustand vermutlich sogar ausversehen drüberkritzeln würde.
Wenig begeistert von der Aussicht, auf seine Bezahlung warten zu müssen und – schlimmer noch – weitere Zeit in diesem Loch zu verbringen, denkt Laurenz bereits darüber nach, ob er dem Dorf nicht mehr hätte in Rechnung stellen sollen. (25 Taler mehr für jeden Tag hätte ich fordern sollen, nein, 30. Nur nicht zu bescheiden sein… Solcher Großmut hält dich nur ab von deinem Ziel…)
Doch Laurenz besann sich, dass ihm all das Geld nichts bringen würde, sollte er dieses verdammte Dorf nicht verlassen können. Er beschloss sich die Bewohner des Dorfes näher anzusehen. Der totgeweihte Söldner Ralf sollte der erste sein.
Schon seit Stunden stand der junge Mann am Rande des Waldes, immer die gleichen Bewegungen wiederholend. Ralf machte den Eindruck eines kräftigen Kämpfers, aber seine Deckung offenbarte eine Vielzahl an Löchern. Erfahrungsgemäß ließen sich solche Gegner leicht zu Fall bringen oder entwaffnen, wenn sie Laurenz tatsächlich anzugreifen wagten. Da mit Worten kein Durchdringen zu diesem augenscheinlich Irren war, warf Laurenz einen kleineren Stein nach nach Ralf, der diesen an der linken Schulter traf. Hee da, Söldner! Ich schätze, euer größter Feind ist weniger die Luft als Ihr selbst! Was treibt euch an? Ihr scheint ja ganz versessen zu sein, die Bekanntschaft mit dem Tod zu machen.
Lukas hatte sich gründlich das Hirn zermatert, noch kontne er beileibe nicht sagen wer denn ein Werwolf sein mochte und wer nicht, also entschied er noch keinen zu beschuldigen, sondern noch weiterhinzu sehen was so an diesem tag noch weiter geschehen würde.
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Je länger Nicolo darüber nachdachte desto überzeugter wurde er davon, dass Ralfs Wunde tatsächlich dafür sprechen könnte, dass er - in der Form eines Werwolfs - gegen den Alphawolf gekämpft hatte und dabei verletzt wurde.
Vielleicht war dies auch der Grund für seine Aggressivität gewesen. Nicolo war immernoch davon überzeugt, dass Ralf ein gutes Herz und ein tapferer Krieger war. Trotzdem sprach er es nun laut aus: "So Leid es mir tut, aber auch ich befürchte, dass Ralf einer der Werwölfe ist!" Leise fügte er noch hinzu: "Omnes angeli, boni et Mali, ex virtute naturali habent potestatem transmutandi corpora nostra"
Weiterhin käme der seltsame Alchemist in Frage, von diesen Leuten hatte Nicolo noch nie viel gehalten. Aber er wollte sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Am liebsten hätte Nicolo die nächste Nacht damit verbracht Wache zu halten und jeden dieser verfluchten Werwölfe zu erschießen, doch er wusste, dass er ihnen in der Nacht deutlich unterlegen war.
Die Bäckerin ergriff die große, käftige und etwas rauhe Hand Godfreys und zog sich daran hoch. Nachdem sie den Stoff ihres langen, einfachen Rockes etwas glatt gestrichen hatte, lächelte sie den Hexenjäger noch einmal an, und diesmal war es keine Lächeln, um Sorgen zu verbergen oder einfach nur höflich zu sein. "Unser Dorf hat wirklich Glück, Euch hier zu haben." ,sagte sie, obwohl sie gar nicht sicher war, wie sehr die anderen Bewohner sich diesem Glück bewusst waren. Zumindest in ihr aber war ein unsterblicher Hoffnungsschimmer entstanden.
Nun fühlte sie sich stark genug, um sich dem allem wirklich zu stellen, deshalb schritt sie langsam wieder auf den Rest der Dorfbewohner zu. Ralf hatte sich etwas abgesetzt, und niemand schien ihn in seiner Manie stören zu wollen. Wenn ein Krieger wie er so widerstandslos die Beschuldigungen der Dorfbewohner hinnahm, konnte das doch auch bedeuten, dass er sich einer dunklen Seite in sich bewusst war... Vielleicht wollte er erlöst werden.
Doch Diran hatte Ralf nur beschuldigt, weil es einfach war, sich irgend einem Vorredner anzuschließen, ohne etwas über den Söldner zu wissen. Das war so voreilig geschehen...
Lilith schloss die Auten, fuhr mit ihrem Zeigefinger kurz über das Holzkreuz, das ihr um den Hals hing und versuchte, alle Gedanken abzustellen. Sie würde einfach nach ihrem Bauchgefühl entscheiden.
Wer konnte nur der Täter sein? Nadeschka hatte keine Ahnung, nur haltlose Vermutungen. Es gab Anschuldigungen und Begründungen, aber alles erschien recht unklar. Die rationalste Entscheidung war jemanden zu Hängen. Was auch immer im Dorf verweilte, es würde des Nachts wohl kaum zögern, selbst wen die Menschen hier es täten. Es gab auch keinen Weg zur Flucht ohne Vladimir und Josef.
Unruhig erinnerte sie sich an etwas und sah sich hektisch in der Menge um. Wo war ihre Schwester? Hatte sie das Signal nicht vernommen? Ihr mochte wohl nichts geschehen sein? Das wäre fürchterlich, erst die lieben Pferde und dann sie...
Fakt war, es musste gehandelt werden. Sie vertraute dem Wirt, er war einer der wenigen die nicht des Nachts versuchten die beiden Zwillinge mit Gewalt zu entjungfern. Andererseits war es doch schon höchst verdächtig, dass er eine Person ausschalten wollte, die potentiell der Wolfsabwehr dienen konnte. Außerdem durften die Hexenjäger ohne fehl und Tadel sein (obgleich sie den Franzosen kritisch beäugte, Franzosen waren nie ein gutes Zeichen).
Sie bemerkte ein kleines Mädchen in der Menge. Sie war wirklich niedlich und schien zu niemanden zu gehören. Nascha hatte sie schon den Tag vorher gesehen. Kleine Mädchen waren höchst verdächtig. Aber man durfte nicht vorschnell urteilen. Am besten ist immer das nachfragen.
Sie erhobt ihre Stimme, nahm ihren ganzen Mut zusammen und sprach zu allen: "Verzeiht, zu wem gehört denn die Kleine da?"
Sie wies mit dem Finger vorsichtig in Serahs Richtung.
Sebastian, dieser fast den halben Tag verpennt hat, musste feststellen, dass sich irgendwas zugetragen haben muss. Er hörte aus verschiedenen Richtungen das Wort Mörder, als auch das Wort Werwolf ...
Er selber hatte keine Ahnung, was passiert seien konnte und hörte nur aus einer Richtung "...dass Ralf einer der Werwölfe ist!". Es musste also etwas passiert seien ... vielleicht hat das "Monstrum" wieder zugeschlagen:"Stimmt ja; deshalb hatten wir doch einen neuen Hauptmann gewählt! Verdammt, ich weiss erlich gesagt nicht so genau, was heute los ist ... reden sie vom Mord, der erst letztends stattfand ... oder wurde wieder jemand ermordet? Ich muss gestehen ich habe keine Ahnung, wer es seien könnte, aber wenn man von Ralf ausgeht ... so stimme ich dies zu.
Dann rief er in die Menge:"Kann mir jemand erklären, was genau passiert ist!" ... mit einen etwas vermüdeten Audruck sagte er noch hinzu:"Ich habe wohl etwas wichtig verschlafen!"
Andreas nahm seine Feder vom Papier und fing an, an dem oberen Ende herumzuknabbern. Hm, irgendetwas fehlte noch an seinem neuesten Werk. Aber was? Da erkeannte er es: Das ganze war zu unpersönlich. Ein Name musste noch dazu. Aber welcher? Er musste sowohl zum Stil seines neuesten Gedichts passen, als auch den richtigen Klang und die richtige Silbenzahl haben. In Gedanken blickte er in die Gesichter der Menschen um ihn herum, bis er schleißlich einen mit einem passenden Namen gefunden hatte.
"Ja, so muss es sein! Arithon (Asmodina) ist der Werwolf!" rief er laut aus, überhaupt nicht daran denkend, dass seine Worte in dieser Menge leicht missverstanden werden konnten. Doch bevor ihn jemand fragen konnte, ob das wirklich eine Anschuldigung sein sollte, war er schon wieder in seine Schreibarbeit vertieft.
"Auwei.", meinte Avery zu Sebastian. "Zuviel geschlafen und das Leben ist halb vorbei. Das hat man nun davon." Er seufzte. "Aber ich will mal nicht so sein, Kumpel. Ich erkläre es dir." Avery begann und holte tief Luft. "Als erstes gleich mal: Lester ist unser neuer Dorfhauptmann. Keine Ahnung, ob du das schon mitbekommen hast oder nicht. Aber wie auch immer. Jedenfalls sind dann in der nacht Najdas und Nadeschkas Pferde gerissen worden. Von Werwölfen." Er räusperte sich. "Nun haben wir gewissenermaßen ein Problem. Unter uns sind offenbar Werwölfe, so unser werter Hauptmann. Er äußerte dann auch gleich Verdächtige, nämlich Raphael und jenen Ralf. Das war es mehr oder weniger auch schon an wichtigen Sachen. Dann kommen aber noch die vier Hexenjäger dazu, die Nadeschka wieder aufgebaut haben und das Dorf gewissenermaßen mit Hoffnung versorgen. Richtige Helden sind das für mich. Übrigens, Lilith hat Backwaren für alle zubereitet, die ich dort drüben hingestellt habe." Er zeigte auf die Bank. "Wenn du magst, kannst du dich bedienen. Es ist zwar nicht mehr viel übrig, aber besser als nichts....außerdem schmeckt es echt gut."
Avery zuckte mit den Schultern. "Außerdem werde ich jetzt wohl gezwungen sein, in der Abstimmung über den potentiellen Werwolf mitzumischen, da ich gestern erfahren habe, dass eine freundin eines entfernten Freundes verstorben ist. Ich soll zum Begräbnis kommen. Lässt sich unmöglich verschieben. Von daher stimme ich für den, der mir mit seinem Verhalten absolut nicht geheuer ist: Ralf!
Lester begabs sich zu Nadeschka und schaute auf wen sie zeigte.
"Oh, das ist Serah Aminris. Sie lebt trotz ihres Alters alleine, denn ihre Eltern sind schon vor vielen Jahren gestorben und ihre Großmutter hat es vor geraumer Zeit auch dahingerafft. Man sieht ihr aber ihren Verlust nicht an. Vermutlich überspielt sie ihn mit ihrer Fröhlichkeit. Allerdings haben wir sie auch schon einige Zeit nicht mehr gesehen, da sie in der Stadt zur Schule gegangen ist um lesen und schreiben zu lernen."