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The Big Guns
Der Traum ist immer derselbe.
Ich fahre mit meinem Mountainbike (das ich schon seitdem ich 12 war nicht mehr habe) durch die Straße in der ich vorher gewohnt habe. Ich fahre straight auf das Haus meiner Eltern zu. Doch bevor ich in die Einfahrt zum Carport abbiege, unter den ich die Mühle normalerweise stelle, mache ich einen scharfen Linksschlenker und fahre zum Haus unserer Nachbarn, der Tolieskis. Nachdem ich den Drahtesel auf den noch mit Morgentau bedeckten Rasen ihres Vorgartens gelegt habe, betrete ich das Haus der Tolieskis durch die massive Dunkelholz-Tür. Der Hausflur ist steril-weiß, kein Stück so wie ich ihn in Erinnerung habe. Mehr wie das Marienthaler Krankenhaus, wenn ich es so recht bedenke. Die Bilder die im Hausflur an der Wand hängen sind nicht die IKEA-Bilder für 30 Tacken die normalerweise bei ihnen hängen, sondern nur kahle weiße Leinwände. Selbst die eigentlich im Terracotta-Ton gehaltenen Fliesen sind weiß. Ich weiß nicht, warum es so ist, aber ich denke mir "Hey, es ist ein Traum." - und in dem Moment, als dieser Gedanke durch meinen Kopf schießt, höre ich oben im Badezimmer das Wasser laufen.
Ich besteige die Wendeltreppe, die nach rechts hin vom Hausflur abgeht und ins Obergeschoss führt, dann scharf nach links zum Badezimmer. Ich öffne die Tür und stehe in einem Raum, der aussieht wie ein römisches Badehaus, komprimiert auf sechs mal sechs Meter. Es ist im Prinzip nur ein Pool mit dunklem Marmorboden und -dekor, der sich über die gesamte Fläche des Badezimmers erstreckt, und er ist voll mit heißem Badewasser, das hier und da etwas Schaum aufweist. Und mittendrin - zwischen dem Dunst und der Schwüle und bestrahlt vom durch die beschlagenen Fenster hier und da eindringenden, dumpfen Sonnenlicht - steht diese Frau, nackt so wie Gott sie schuf. Diese perfekte, perfekte Frau. Sie hat rubinrote Haare die ihr bis zum Po gehen, ein hübsches kantiges Gesicht, stechend blaue Augen (ich weiß es obwohl sie die Augen geschlossen hat im ersten Moment wo ich sie sehe), sie ist ungefähr ein Meter siebzig groß, schlank, hat einen Hintern zum reinbeißen und Brüste, die mindestens ein C-Cup sein dürften. Einfach - mh. Ich möchte "Mh" machen. Also, "Samuel L. Jackson beißt in einen Burger"-Mh-mh-mmmmmh.
Ich hinterfrage nicht einmal, warum meine Nachbarn eine Therme in ihrem Badezimmer haben, viel eher interessiert mich, warum diese Frau hier steht. Wer sie ist, was ihre Hobbies sind, und vor allem ob sie Single ist oder nicht.
"Hey.", sagt sie und wendet sich mir zu. Mit ihren Händen verdeckt sie ihre Brüste, lässt aber den Blick auf ihre Scham mehr als offen.
"Hey.", antworte ich. "Was machst du hier?"
"Ich bade." Schön dass mich selbst meine Träume für einen Vollpfosten halten.
"Oh. Okay." Schön, dass ich selbst im Traum keine Konversation mit einem weiblichen Wesen anfangen kann ohne mich dämlich aufzuführen.
"Hey.", sagt sie abermals nach einer peinlichen, zehnsekündigen Pause.
"Hey.", antworte ich abermals mit meinem massiven rhetorischem Geschick.
"Ich bin so verspannt in letzter Zeit. Kannst du massieren? Mein Nacken tötet mich...", säuselt sie verführerisch und hält sich die Hände an ihren Nacken, massiert ihn in kleinen kreisförmigen Bewegungen. Ich schaue ihr direkt auf die nun entblößten Brüste, stehe da wie versteinert. Dann, endlich, sage ich: "Ja." Sie streckt ihre Hand vor sich und krümmt und streckt abwechselnd ihren Zeigefinger, als ob sie "Komm her." sagen wollen würde. Ich steige ohne großartig eine Frage zu stellen ins schaumüberwucherte Wasser, das - rein von seiner Temperatur her - genausogut Magma sein könnte. Es ist scheiße heiß. Sie steht immer noch da und gestikuliert mich zu ihr. Ich folge ihrem Ruf. Meine Klamotten sind nass. Der Dampf ist plötzlich so dermaßen dick dass ich nicht mehr sehen kann wohin ich gehe, die Entfernung zwischen mir und der heißen Rothaarigen wird einfach nicht kleiner - und im nächsten Augenblick stehe ich im selben Raum, in dem ich damals mein Abi geschrieben habe. Dieser dunkle, übergroße Raum, in dessen Mitte fünfzig Tische und Stühle stehen. An jedem Tisch sitzt ein fleißiger Schüler oder eine fleißige Schülerin, über mehrere Blätter voller Text gebeugt, das Klackern der Tintenfüller auf dem linierten Papier ist auf Dauer ohrenbetäubend. Ein Tisch ist leer. Mein Tisch. Ich bin drei Stunden zu spät. Ich habe noch zehn Minuten Zeit, um meine Englisch- und Deutsch-LK-Prüfungen zu schreiben. Ich hab's verkackt. Ich will Jura studieren. Ich will meine Probleme lösen indem ich einfach scheiße reich werde. Ich will meinen Vater zurück.
Und alles woran es hängt sind ein paar behinderte Aufsätze. Alles was mir jetzt bleibt, sind lockere Geschäfte in beschissenen Mini-Jobs. Herzlichen Glückwunsch.
Geändert von T.U.F.K.A.S. (31.01.2014 um 10:03 Uhr)
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