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Mirokurator
Schönes Thema, im Ernst.
Ich kann mich an vielleicht zwei, drei Bücher erinnern, in denen eine detailliert ausgeführte Sexszene nicht völlig gezwungen, unnötig und lächerlich rüberkam, im Englischen genau so wie im Deutschen. Das liegt unter anderem daran, dass ich früher viel Fantasy gelesen habe (wo sich die Autoren wohl nicht unbedingt durch ein gesundes Sexleben auszeichnen); aber auch in anderer Literatur ist das meiner Erfahrung nach ein kritischer Punkt, der ziemlich oft verhauen wird.
In dem Sinne die gleiche essentielle Frage wie immer beim Schreiben: Wieso? Ich denke, es gibt durchaus Gründe, 5 Seiten mit intimen Körperbewegungen und Bettgesprächen zu füllen, aber man sollte sich diese Gründe völlig bewusst machen. Wenn man das nicht kann, sollte man sich auf Anspielungen, indirekte Bemerkungen und passende Zusammenfassungen verlassen. Oft ist eine einzelne, ausdrucksstarke Bemerkung ausdrucksstärker als einige Seiten Beschreibung, und das gilt für Situationen, die das menschliche Schamgefühl ansprechen (Sex, Klogang, peinliche Konstellationen, Kitsch, usw), ganz besonders. Eine andere, weniger krasse Strategie in eine ähnliche Richtung wäre, das Ganze vage zu lassen, sich auf die Wirkung zu konzentrieren und die genannten kritischen Begriffe außen vor zu lassen: "Er drang in sie ein und sie krallte sich stöhnend an seinem schwitznassen Rücken fest" ist imho meilen besser als "Er rammte seinen pulsierenden schwarzen Schwanz in ihre enge, den Niagarafällen nicht unähnlich plätschernde Fotze". 
Letztendlich hängts auch vom Schreibstil ab. Wenn man sowieso jeden Furz ausführt, den der Hauptcharakter macht, ist eine detaillierte Sexszene eine gute Idee. Wenn man sich auf storyrelevante Aspekte konzentriert, reicht meistens eine Zusammenfassung (falls des für die Charakterbeziehung wichtig ist) oder die einzelne Szene im entsprechenden Sexualakt, die gerade relevant ist.
Wie erwähnt, meistens scheitert es daran, dass Leute a) eine Sexszene schreiben wollen oder b) meinen, dass eine längere Beschreibung auch einer emotional wertvolleren Charakterisierung gleichkommt. Was beides zweifelhaft ist, wenn man nicht gerade ernsthafte Erotik schreibt. Und die ist meistens auch bloß schlecht.
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Deus
Erstmal @ Daen
Ich habe Deinen Post nicht als Angriff oder so verstanden. Ich finde ja sowieso, daß Du recht hast. 
Weiter im Text.
Über das “Wieso” bin ich sowieso schon weg. Daran scheiden sich die Geister. Einige Leute finden eben, daß es nicht nötig ist, Sex überhaupt zu beschreiben, und wenn, dann sollte man es beiläufig in einem Nebensatz tun (“Wir schliefen miteinander.”).
Ich finde hingegen, daß Sexszenen, auch ausschweifend, durchaus zur Charakterentwicklung beitragen. Geschichten, die stark auf einen Charakter fixiert sind (oder auch auf mehrere) gewinnen meiner Meinung nach dadurch. Oder anders ausgedrückt: Liebesgeschichten gibt's fast überall, und Sex gehört irgendwo dazu.
Meine Geschichten sind meistens extrem auf einen Charakter bezogen. Ich schreibe auch so gut wie immer aus der ersten Person, meistens direkt aus Sicht des Hauptcharakters, manchmal aus Sicht eines Dritten. Und meine Geschichten sind Slice of Life, wenn man das so nennen kann … da muß einfach irgendwo auch Sex rein. Da ist auch drin, wie er ißt und trinkt, teilweise seitenlang. Wenn's für den Charakter unabdingbar ist, würde ich auch beschreiben, wie er auf dem Klo sitzt. Zumindest eine mehrseitige Szene, wo er sich übergibt, habe ich schon. 
Mit geht's auch letztendlich gar nicht darum, erotisch sein zu wollen. Meine Bücher sind keine erotischen Romane. Sie sind vielleicht Liebesgeschichten, aber auch keine klassischen (wer so was haben will, soll “Gone With The Wind” lesen). Klar würde es mich als Autor freuen, wenn meine Leser irgendwie ein kleines Kribbeln bei den Szenen fühlen, einfach weil das eine super Bestätigung ist, daß ich Emotionen rüberbringen kann, aber eigentlich würde es mir schon reichen, wenn man bei denen Szenen keinen Facepalm macht und sich denkt: “Was ist denn das für ein Depp?” ^^
Aber es stimmt wohl, es kommt einfach ganz stark auch auf den persönlichen Geschmack an. Was ich gut finde (und ergo auch schreibe) müssen andere nicht gut finden. Immerhin ist das literarische Quartett an exakt dieser Diskussion zerbrochen. 
Ich halt's übrigens mit Reich-Ranicki, ich finde “South of the Border, West of the Sun” ein unheimlich gutes Buch, und die Sexszenen sind grandios und erotisch. Und das, obwohl sie relativ neutral, fast schon steril geschrieben sind. Die olle Löffler hat doch keine Ahnung. ^^
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