Ich bin immer noch der recht überheblichen Auffassung, dass Menschen, die von sich selbst sagen, nicht in der Lage zu sein zu glauben, auch nicht verstehen, was es bedeutet zu glauben. Einige Aussagen in diesem Thread geben mir da überraschend deutlich Recht.
Weil in dieser 7-Tage-Sache so viel Poesie und Epik steckt, dass es ein wunderschönes Weltbild ist. Warum daran glauben, wenn man gleichzeitig was anderes für wahr hält? Weil alles richtig und klar wird, wenn wir nur fest genug daran glauben, weil das Gute am Ende immer siegt, weil im Menschen mehr Kräfte stecken, als man bisher angenommen hat. So naiv das klingt, das ist der Stoff, aus dem wir Menschen nun einmal gemacht sind.
Es geht dabei um Transzendenz, nicht um Wahrheit - wobei, das füge ich guten Gewissens hinzu, das für manche Leute ein und das selbe sein kann. Es ist mir regelrecht egal, ob mein Gott die Welt erschaffen hat, weil in meiner Heiligen Schrift auch drinsteht, ich soll Zauberinnen um die Ecke bringen und andere sollen Ungläubige steinigen und und und. Damit ist erstens das, was ich für wahr erachte, nicht meine Begründung, warum ich glaube, sondern viel mehr eine Bestätigung, dass ich ein frei denkendes Wesen bin, das Werte und Aussagen affirmieren und negieren kann.
Zweitens hat mein Gott die Welt erschaffen, selbst wenn das im Zuge des Big Bang passiert oder eben nicht passiert ist. Viele Gläubige können den Urknall in Einklang mit ihrem Glauben bringen, andere halten ihn für Gottes größeren Plan, Fakt ist, dass es da einen Schöpfungsakt gibt, den man nicht verneinen kann, Fakt ist, dass mir bisher noch niemand gesagt hat, in welcher Reihenfolge die Erde erschaffen worden ist, denn die biblische Vorstellung macht - verklärt gesehen - durchaus Sinn.
Was aber für mich persönlich viel wichtiger ist: Egal wie groß der Widerspruch zwischen dem, was ich wissenschaftlich als wahr betrachte, und dem, was mein Glauben mir erzählt, ist, einerseits ist diese Widersprüchlichkeit ein willkommener Teilbestand in meinen zwei Welten - einmal die Welt der Wahrheit und ein andermal die Welt meines Glaubens -, andererseits finde ich in der Vorstellung, mein Gott habe in 6 Tagen die Welt erschaffen, wie er sie erschaffen hat, und in der preisenden Art und Weise, wie diese Vorstellung weitergegeben wird, viel zu viel Liebenswertes, als dass ich sie einfach aus sturer Wahrheitssucht übersehen könnte.
Es kommt dann auch darauf an, wie man seinen Glauben wahrnimmt. Es ist unabstreitbar, dass viele Menschen durch ihren Glauben auch eine gewisse Suche nach Wahrheit betreiben; im Christen- und Judentum führt das häufig zu leicht verblendetem Dogmatismus, der solche schönen Uneigenheiten wie den Kreationismus hervorrufen, im Islam, oder viel mehr in seiner theologischen Interpretation - die ist nämlich viel reifer und sinnvoller angelegt als die Theologie des Christen- und Judentums - führt das zu einer Umdeutung und Umwertung der alten Glaubensvorstellungen zu Gunsten der wissenschaftlichen Wahrheit; - das Judentum hat sich dem Einfluss der modernen Wissenschaft auf seine Theologie weniger erwährt, als das - vornehmlich fundamentalistische oder annähernd fundamentalistische (also katholische) - Christentum und der moderne Islam ist gänzlich bar jeder Barriere zwischen Wissenschaft und Glauben, wie gesagt, hier wertet und deutet man im theologischen Sinne ganz pragmatisch um.
Für mich persönlich spielt die theologische Komponente überhaupt keine Rolle, weil der Glaube nur meine Brille ist, mit der ich meine Welt der Wahrheit wahrnehme und ertragen kann. Denn in diesem Sinne hat mein Gott die Welt unabwendbarerweise geschaffen, er hat mir Licht gegeben, das Towu wa Bohu geordnet und mir Tag und Nacht in jeder Hinsicht offenbahrt, das Nasse vom Trockenen getrennt und das Unbelebte vom Lebendigen; Gott hat mir ein Himmelszelt gespannt - denn wer zum Himmel schaut und dort nur tausendfach explodierende Steine sieht, der hat eindeutig zu wenig Fantasie -, er hat mir Getier geschaffen und er hat mich in seinem Bilde verewigt; - denn was mehr bleibt mir von meiner Menschlichkeit, als ein Bild von Übermenschlichkeit, an dem ich mich messen kann? Ein Gedanke übrigens, der auch Nietzsche nicht fremd war.
Du wirst diese Überlegung vielleicht nicht nachvollziehen können; es fällt mir um ehrlich zu sein auch so schwer wie möglich, sie in Worte zu fassen. Fakt ist, dass die Welt, wie mein einfacher Geist - nicht der wahrheitssuchende, der intellektuelle, der ewig ruhelose, sondern der einfache, fantasievolle, der Geist, mit dem ich die Welt wahrnehme, bevor ich anfange, darüber zu philosophieren - sie wahrnimmt, nur von solch einem Schöpfer gemacht worden sein kann, einem großen Allmächtigen, an dessen Größe und Güte ich mich messen kann und die mir Schutz bietet, vor allem Schutz davor, an meiner eigenen Unbedeutsamkeit in der Welt der Wahrheit zu zerbrechen.
Mancheiner wird das jetzt Unmündigkeit nennen und darf das von mir aus gern tun, ich hingegen wäge mich dadurch 3mal besser in der Lage, sowohl meine persönliche Welt, wie ich sie wahrnehme, als auch die allgemeine, die wissenschaftliche, die Welt der Wahrheit zu hinterfragen, zu erforschen und zu verstehen.
So ganz nebenbei ist so eine einfache Welt etwas unglaublich Schönes, es ist ein Märchen, das man lebt. Wenn man das jetzt mal weiter banalisiert, ist es wie Fernsehen, nur bewusster und näher mit dem Streben nach Transzendenz verbunden.
So ganz allgemein vergöttere ich - ich als Privatperson, das mag jeder Gläubige anders halten - mit dem Glauben an all das, was ich glaube, auch nicht nur meinen Gott, sondern eine Kultur, die ich im besten Fall meine eigene nennen kann (was sich als konvertierter Jude allerdings schwer formulieren lässt, zumindest für mich). Ich vergöttere jenes überaus schöne Schriftgut, jene Gedanken, ich halte in Ehren, was Menschen seit Jahrtausenden in Ehren halten und führe damit ein Grundbestreben fort, das jeder frei ist zu wählen, nämlich Kontakt zur Basis unserer Menschlichkeit.
Jener Schöpfungskult ist irgendwann in unserer Menschheitsgeschichte hervorgegangen. Und ihn auszuleben ist eben genau so lobens- und erstrebenswert, wie ihn zu erforschen und zu verstehen.
Und sag mir bitte nicht, dass dir nicht ein bisschen warm um's Herz wird, wenn dir wer das Tapfere Schneiderlein erzählt. Widerspricht diese Geschichte nicht völlig deinem wissenschaftlichen Kenntnisstand, genauso wie die Urknalltheorie dem Sechstagewerk widerspricht? Warum entzückt dich die Geschichte dann, wenn sie doch vollkommen der Wirklichkeit widerspricht?
Es ist der verträumte kulturelle Aspekt dahinter. Märchen sollen wärmen und entzücken, genauso wie der Glaube wärmen und erheben soll. Die Wahrheit ist dabei so zweitrangig wie es nur geht, im Vordergrund steht der Grundbestand deiner Menschlichkeit, das Gewärmtwerden. Ein wissenschaftlicher Geist kann nicht auf diese Weise gewärmt werden, da ruft jede Frage irgendwann eine Erkenntnis hervor und jede Erkenntnis eine neue Frage. Das ist sehr wichtig und förderlich für den Fortbestand unserer Art und vor allem ist es unglaublich beschwingend und vorantreibend, Wissen und Wissenschaft sind ohne Frage unüberbrückbar, unaustauschbar und über alle Maßen unersetzlich wertvoll. Für Faust (bei aller Abneigung gegenüber Goethe, aber das hat schon was) sind sie seligmachend.
Es ist aber so, dass, so wie du nicht immer studieren kannst, du nicht immer nur in der Welt der Wahrheit leben kannst. Irgendwann setzt du dich abends hin und guckst fern oder liest einen Schundroman von Dan Brown, spielst ein Spiel oder loggst dich in irgendein Forum ein und philosophierst vom Spielen. Für mich persönlich gewertet - und das betone ich so deutlich, weil es mir hier fern liegt, irgendein Verhalten zu be- oder gar verurteilen - ist mein Glauben da noch um einiges erhebender und hat es damit gleich dreimal verdient, Teile meines Lebensalltages auszufüllen.
Es gibt übrigens eine große Auswahl biblischer Schriften, die sehr wohl als wissenschaftliche Veröffentlichung herhalten können. Wenn du dich mal ein bisschen mit Kohelet (Prediger) beschäftigst, wirst du feststellen, dass die Gesellschaftstheoretiker, die irgendwann nach dem Schmarn im 17ten Jahrhundert aus ihren Löchern gekrochen sind, teilweise nur alten Kakao aufgewärmt haben, den der olle Salomo in der Mikrowelle vergessen hatte. Du wirst auch erkennen, dass die anerkannte Theorie, die die Zustandsfindung des Universums vor dem Urknall beschreibt, sich sehr gut mit Schöpfungsgedanken vereinbaren lässt.
Das sind keine Zufälle. Denn weißt du, auch diese verklärten, gottesfürchtigen Menschen in antiken Kulturen waren in der Lage zu denken und Wahrheiten zu formulieren. Über deren Fundiertheit lässt sich sicher streiten, Fakt ist, dass Glaube seit der Abschaffung der Inquisition keine Hinderung mehr für einen mündigen, gebildeten und klar denkenden Geist darstellt.