Im Garten
Kalt und dunkel wie ein Leichentuch legte sich der nächtliche Regen auf das Haus und Vladimir kam es vor, als würde er als lebendiges Opfer in einer winterlichen Moorgrube versenkt werden, als er mit erstaunlicher Gewandtheit von Haus zu Haus, von Nebengebäude zu Mauern schlich und sich - ganz wie der geschulte Rotarmist ihn frohlocken ließ - hinter jeder Deckung in Lauer und Vorsicht warf.
Seine Sinne waren angespannt die die Saiten einer gut gespannten Balalaika und seine Augen durchbohrten die Dunkelheit in einer Intensität, die ihn vor kaltem Entzug fast ein wenig schwindeln machte und so nahm er sich selbst im tiefsten Herzen den feierlichen Schwur ab, nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren und stattdessen sein Wirken, sein Wissen und natürlich seinen enormen Tatendrang - der dem eines ostdeutchen Mauerbauers in nichts nachstand - eher darauf zu verwenden, diese mysteriöse Gestalt ausfindig zu machen, die Lilly gesehen hatte. Wohl wissend, dass die Gefangennahme eines solchen Strolches viel Licht in die Sache bringen würde und obschon er es sich nicht allzugerne eingestand, so wusste der massige Russe doch, was man ihm gelehrt hatte und wie es ihm gelingen könnte, selbst sture und verstockte Leute zum Reden zu bringen. Denn KGB und FSB waren nun nicht nur Begriffe aus der Computerwelt.
Er robbte gerade durch die vom Regen aufgeweichte Erde und sah aus der Ferne wie die Karikatur eines übergroßen und unförmigen Hoovercraft-Touristenboot auf einem sumpfigen Nebenarm der Wolga aus, als er plötzlich mit der Nasenspitze auf ein Tuch stieß, sich halb aufrichtete und seinen Kopf perfekt über ein Stück Mauer präsentierte und das Tuch nachdenklich zwischen den Fingern hielt.
Er wollte es gerade zur Nase führen, als er plötzlich im schimmernden Goldlicht eines vielfach verästelten Blitzes auf dem nächtlichen Firnament eine Reflektion ausmachte und mit dem Kopf nach vorne ruckte.
Dort - in einem Busch - stand klatschnass und leicht schlammbespritzt ein Kasten mit Guinnes. Dem feinherb, würzigen Bier aus Irland, dass er einmal kosten durfte, als er dort einen Ring von IRA-Terroristen gesprengt hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes, sei bemerkt.
Er richtete sich vollends auf und wirkte wie ein Bär auf zwei Beinen, der nun doof starrend in Richtung des Busches blickte und gäbe es Zuschauer oder Beobachter, sie hätten auf jede Analogie zwischen dieser Situation und dem brennenden Busch aus dem Buch Moses der Bibel geschworen.
Vladimir lachte aus vollstem Halse und wirkte im neuerlichen Blitzgewitter wie ein verrückter Wissenschaftler aus einem Bela-Lugosi-Film. Es war klar und offensichtlich, dass Vladimir überzeugt war, dass seine Sinne ihm einen Streich spielten. Der kalte Entzug gaukelte ihm Trugbilder dessen vor, was er im Moment am meisten begehrte und sofor schlug sein Lachen in ein fast verzweifeltes Krächzen um und dann in Wut.
Schreiend nahm er Anlauf um das Truggebilde zusammen mit dem Busch in die Weiten der japanischen Insel zu treten und während er dei geisterhafte Bierkiste trat, spürte er nicht nur ein scharfes Stechen im Zeh, sondern er hörte auch das Geräusch, dass er als Soldat einmal als Handyklingelton hatte: Das charakterische, klirrende Protestieren von Glasflaschen, 1,0 Liter im Plastikkasten.
Es wanderten die Augenbrauen nun vollend nach oben...
4 Minuten später in der großen Halle.
Krachend fiel die Tür ins Schloß, ein Windsturm fegte hinein und ließ ein paar Blätter der Bäume vor sich hertanzen, der Regen bildete eine undruchdringliche Wand und während sich die Ersten schon aufmachten, die Tür wieder zu schließen, schälte sich aus dem Regen - so wurde später spottend gelästert - ...
... Chewbacca aus dem Krieg der Sterne. Eine riesenhafte Gestalt, überall war Fell oder Haar oder Schlamm zu sehen. Wildes und unverständliches Triumphheulen ausstoßend und anstatt der Armbrust einen Kasten Bier über den Kopf schwenkend und dabei von einem auf das andere Bein springend.
Vladimir war im Freudentaumel.