Ergebnis 1 bis 20 von 23

Thema: [OT] Die Kolumne rev 1.9a

Baum-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #16
    Stumpf ist Trumpf oder Realitätsverlust im deutschen Fernsehen
    Beliebige Zeit, beliebiger Ort in einer beliebigen Industrienation dieser Welt. Die durchschnittliche Couchkartoffel von heute sitzt vor dem Fernseher und gibt sich das Programm, welches die siebenundneunzig Sender so bringen. Die Premierenutzer außen vor gelassen, gibt es eigentlich nicht sonderlich viel Abwechslung im Programm, egal wie gut der Wille ist, mit dem man danach sucht. Also schicken wir unsere Testcouchkartoffel auf eine Reise durch die Fernsehsendungen der Privatsender auf der Suche nach sehenswerten Sachen.


    Erste Station: RTL
    Der König unter den Privaten lockt den Zuschauer mit einer gewissen Pseudointelligenz zu sich. Das Programm ist dominiert von Talkshows und Seifenopern am Vormittag und deutschen Serien aus der Eigenproduktion am Abend; am Wochenende vielleicht mit einem Film.
    Der gebildete Zuschauer wird zunächst einmal mit den Kernfragen der Existenz bei Bärbel Schäfer, Hans Meiser, Olli Geißen und Co. bombadiert, die da lauten "Hilfe, ich bin schwanger und weiß nicht von wem!", "Hilfe, meine Tochter zieht sich an wie eine ••••••••!", "Hilfe, immer wenn ich mit meinem Mann schlafe, denke ich an Sex!" oder "Hilfe, meine Möpse beißen!". Wie der aufmerksame Zuschauer bemerkt haben wird, drehen sich die Themen fast ausschließlich um die Fortpflanzungsprozedur der Menschen in all ihren Höhen und Tiefen, um Sex. Dadurch wurden schonmal achtzig Prozent der jugendlichen Bevölkerung, die morgens oder mittags nicht in der Schule sind, vor die Bildschirme gelockt denn was gibt es für Jugend von heute spannenderes, als sich mit den sexuellen Problemen anderer Leute zu befassen? Wenn allerdings auch nach dem tausendsten Mal das selbe Thema noch zu keiner Antwort geführt hat, und schon die hundertste fette Kuh heulend aus dem Studio gelaufen ist, dann weiß eigentlich niemand mehr genau, was noch die Frage war. Und das ist auch gut so, wäre es für den Sender doch nur von Nachteil, wenn es klar Antworten auf die Themen gäbe, dann müßte man ja nicht mehr öffentlich darüber polemisieren lassen.

    Ist die Talkshowsparte abgedeckt, kommt eine weitere Exposition menschlicher Dummheit in den Seifenopern an die Reihe. Sei es Gute Zeiten Schlechte Zeiten, Unter Uns, das Konzept ist immer gleich. Eine Gruppe von etwa zwanzig Personen (plusminus fünf) lebt irgendwo, vorzugsweise in einer Hauptstadt, und wird geballt mit allen Freunden und Leiden des Lebens bombadiert, die sich der moderne Mensch ausmalen kann. Die zehn Gebote der Seifenoper von heute sind daher klar definiert.
    Erstens, jeder Charakter muß mit jedem anderen Charakter irgendwann in der Sendung einmal eine Beziehung oder Affäre gehabt haben. Schwule und lesbische Beziehungen eingeschlossen.
    Zweitens, diese Beziehungen dauern nie länger als zwei Wochen (bei täglicher Ausstrahlung), auch Hochzeiten werden dann wieder geschieden.
    Drittens, wenn eine Beziehung nicht vernichtet werden kann, dann stirbt einer der beiden Partner oder gleich beide oder ein naher Verwandter, der aber selber nicht in der Serie mitspielt, so daß ein Charakter aus der Serie aussteigen muß.
    Viertens, jede tödliche Krankheit muß in der Serie vorkommen, sei es Krebs, AIDS, Ebola oder Pocken und an jeder Krankheit muß entweder ein Charakter sterben oder aber er wird in einem nervenzerreibenden Showdown gerettet.
    Fünftens, jede Randgruppe muß in der Serie irgendwie vertreten werden. Schwule und Lesben gibt es respektive Regel 1, andere Randgruppen, wie Behinderte, psychisch Gestörte oder Priester kommen entweder als Charakter direkt vor oder als Verwandter eines Charakters, der trotz Abwesenheit irgendwie involviert ist.
    Sechstens, sämtliche nur denkbaren Unfälle oder Todesursachen passieren in der Weltstadt, wo die Serie spielt, immer genau den Charakteren, die mitspielen. Sei es die Explosion einer Wohnung, eine Geiselnahme in einem Supermarkt, wo der Geiselnehmer aus hundert Leuten genau die fünf einkaufenden Charaktere pickt, oder aber ein Autounfall, wo sowohl der Fahrer als auch das Opfer ein Charakter sein werden.
    Siebentes, sollte es kleine Kinder in der Serie geben, werden diese während ihrer Aufwachsphase mindestens einmal entführt, vergewaltigt, von Klassenkameraden zusammengeschlagen und nackt im Internet präsentiert.
    Achtens, trotz daß die Charaktere quasi dauernd Sex haben, sieht man sie niemals nackt. Nichteinmal teilnackt. Wenn Mann und Frau nach dem Sex im Bett liegen, hast die Frau immer einen BH an, die untere Hälfte vom Körper ist verdeckt.
    Neuntens, alle Firmen, bei denen die Charaktere arbeiten gehören einem anderen Charakter und alle Arbeitskollegen sind ebenfalls andere Charaktere.
    Zehntens, sämtliche Charaktere sind absolut und sowieso weltschmerzgeplagt.
    Diese Regeln treffen natürlich auf alle Seifenopern zu, weswegen sie sich auch, außer durch die Namen der Charaktere und den Schauplatz, gar nicht unterscheiden; dennoch laufen davon mindestens sieben Stück am Tag.

    Ist es dann Abend geworden, sieht unsere Couchkartoffel dann Actionserien oder traurig angehauchte Dramen aus der Eigenproduktion, die eigentlich unsinniger nicht sein könnten. Ob in Alarm für Cobra 11 die Autobahnpolizei spektakuläre Verfolgungsjagden und Schießereien auf der A1 abliefert, ob der Clown mal wieder einen Drogenring auffliegen läßt und als unbekannter Superheld damit die Explosion des nächsten Atomkraftwerkes verhindert oder ob die Mädels von Hinter Gittern mal wieder von den Wärten in harten Sadomasospielen ausgepeitscht werden und hinterher von Nötigung sprechen. Das alles wirft letztendlich ein und die selbe Frage auf, "Warum passiert mir sowas nicht?". Unsere Couchkartoffel ist selber leidenschaftlicher Autofahrer aber hat noch nie jemanden mit einem Granatwerfer auf Polizeiautos schießen sehen, wenn er auf der A1 war. Er wohnt in der Hochburg des Verbrechens aber wenn ihn mal wieder der Drogenring auf seine Schulden hinweist, kommt kein maskierter Mann daher und schießt im Alleingang eine Armee zu Brei, um den einzigen Unschuldigen, der als menschliches Schild gebraucht wurde, unverletzt gerettet zu haben. Und zu seiner Zeit im Knast hat sich kein Wärter die Zeit genommen, Sex mit ihm zu haben. Alltäglich ist das nicht, doch es ist amüsant, zumindest die ersten zwei Minuten, während das Opening spielt. Und hinterher gibt's ja immerhin noch Heiner Bremer, wenn man gar nicht schlafen kann.


    Zweite Station: Sat1
    Der größte Konkurrent von RTL hat zumindest am Vormittag ein ähnliches Sendekonzept, Talkshows. Im Grunde unterscheiden diese sich kein bißchen von den Vorbildern, nur heißen sie anders und die Moderatoren haben keine Nachnamen. Denn es gibt nicht Bärbel Schäfer oder Hans Meiser sondern einfach nur Vera oder Franklin oder Ricky, meistens mit einem kleinen Slogan hinter dem Namen, damit es interessanter klingt. Doch die wirkliche Stärke des Senders liegt in den Gerichtssendungen. Angefangen hat es micht Richterin Barbara Salesch und sogar noch echten Fällen, wie der berühmte Maschendrahtzaun. Doch seit das Filmen in Gerichtsälen verboten ist, müssen neue Fälle her. Aus den Zivilprozessen macht man kurzerhand fiktive Strafprozesse, denn für den gebildeten Zuschauer ist es ja viel interessanter, zu hören, wie die Tochter des reichen Unternehmers vom Pizzaboten mit dem Gartenschlauch vergewaltigt wurde, als zwei Nachbarn zuzusehen, wie diese sich über die Farbe des Hauses streiten. Nach Frau Salesch kommt dann Herr Holt und bei ihm kommt es dicke. Die wirklichen schweren Verbrechen kommen erst jetzt an die Reihe. Mord, Totschlag, Falschparken und Kinderpornographie! Für das, was Frau Salesch nicht mehr hinbekommt, springt Richter Alexander Holt ein und klärt alles, egal wie schwer der Fall ist in exakt einer halben Stunde und ungelöste Verbrechen gibt es nicht. Der gute Mann sollte sich beim Bundesgerichtshof bewerben oder noch besser in Amerika beim nächsten Schwurgericht. Wenn er Mordfälle in dreißig Minuten klären kann, nimmt ihn sicher jeder mit offenen Armen auf.

    Doch auch Menschen haben Probleme, und da die sich ja nicht mehr bei Barbara Salesch gegenseitig verknacken lassen können, springt jetzt Psychologenmöchtegern Angelika Kalwass ein. Haben Sie ein Problem damit, daß Ihr Ehepartner lieber Sex mit Ihrem Kind als mit Ihnen hat? Geht es Ihnen auch auf den Keks, daß Ihre Tochter sich durch die Lehrerschafft vögelt um das Abitur zu bestehen? Mutiert Ihr Sohn zum Satanisten und opfert Ihrer wertvolle Siamkatzen? Frau Kalwass hilft und im Gegensatz zu den Richterkollegen braucht sie nur zwanzig Minuten, denn es muß ja drei Leuten pro Stunde geholfen werden. Streit legt sich und am Ende sind auch die größten Streithähne, die sich vorher noch mit Äxten gegenseitig die Eier pürieren wollten, wieder Freunde geworden. Bravo Frau Kalwass, machen Sie auch Hausbesuche?

    Der neuste Ableger von Sat1 schimpft sich Star Search und ist im Grunde eine abgespeckte Version von Deutschland sucht den Superstar oder Popstars. Der Unterschied, dort darf jeder hingehen, egal wie groß seine Hackfresse ist oder wie schlecht er singt. Während bei Deutschland sucht den Superstar der liebe Dieter Bohlen noch die allzu schrecklichen Kandidaten mit seinen liebenswürdigen Sprüchen abserviert hat, kommen bei Sat1 sogar siebenjährige Kleinkinder ins Fernsehen, die noch nichtmal ihren ersten Samenerguß hatten aber denken, sie könnten singen und wohlmöglich auch noch Karriere machen. Von den ganzen Ich-breche-die-Schule-ab-weil-ich-als-potentieller-Popstar-eh-nichts-im-Kopf-haben-muß-Typen mit den größten Hackfressen der Nation und dem schlechtesten Modesinn seit Nina Hagen ganz zu schweigen.
    Unsere Couchkartoffel fragt sich, ob er dort auch hingehen sollte, denn obschon er ein häßlicher Mensch mit Pickeln ist, der nichtmal Notenlesen geschweige denn singen kann, rechnet er sich ganz gute Chancen aus. Nicht anders ist es doch bei Jeanette Biedermann, und die sitzt sogar in der Jury und bringt mehr oder weniger erfolgreiche Platten raus.


    Dritte Station: Pro7
    Die Couchkartoffel fühlt sich gleich heimisch, denn in Pro7 geht es hochamerikanisch zu. Gleich am Morgen wird man mit schlechten Spielfilmen begrüßt, die wahrscheinlich mehr Sendezeit in Minuten brauchen, als sie Dollar im Kino eingespielt haben. Am Wochenende gibt es von vier bis sechs Uhr morgens Cartoons für die kleinen, die dann natürlich mitten in der Nacht aufstehen, das ganze Haus wachbrüllen, weil sie nicht die neusten Abenteuer von Bugs Bunny verpassen möchten. Doch der Vormittag wird auch von Dokumentationen gefüllt. Egal ob die Hausfrau von heute kochen möchte oder der Hausmann von morgen das ganze Haus renovieren will, hier finden Sie alle Tips, die Sie brauchen. Am Mittag gibt es noch SAM, das Boulevardmagazin. Doch sein Kollege MAX ist wohl stiften gegangen, denn Informationen sind ja ganz und gar nebensächlich. Wen interessiert es schon, ob Krieg in der Welt ist oder ob gerade tödliche Gifte freigesetzt wurden? Hauptsache den Prominenten geht es gut. Solange Jenny Elvers' Brustimplantate nicht geplatzt sind und Boris Becker sich noch immer durch die weibliche Population Deutschlands vögeln kann, ist die Welt in Ordnung. Um nicht ganz weltfremd zu wirken, berichten wir dann einfach mal einmal pro Monat über irgendein Kind ohne Beine in Afrika, das von den angeblichen Spenden aber keinen roten Heller sieht, schließlich braucht die Jenny die Elvers neue Titten.

    Mit einem Blick auf das Nachmittagsprogramm atmet unsere Couchkartoffel auf; keine Talkshows! Dafür Kollegen von Frau Kalwass für alle Lebenslagen Jugendberatung, Sexualberatung, Partnerschaftsberatung. Hier geht es um Sex, und um was für welchen. "Hilfe, meine Tochter ist schwanger von mir!", "Hilfe, ich kriege das Spekulum nicht mehr aus meiner Vagina!", "Hilfe, mein Sohn ist seit drei Tagen mit Handschellen ans Bett gefesselt!". Identifizieren Sie sich mit einer dieser Fragen oder einer ähnlichen? Die Jugendberatung hilft gerne, und der Preis, daß Ihr Privatleben ganz Deutschland zur Schau gestellt wird, ist ja nur ein kleiner Preis. Zum Glück braucht unsere Couchkartoffel keine Hilfe, denn sonst hätten wir ihn schon längst an die Beratungsstelle verloren.

    Am Abend gibt es Serien, amerikanische Serien. Unterhaltung pur für den gewählten Zuschauer. Endlich mal das Gehirn abschalten und gepflegt amüsieren. Na wenigstens etwas. Aber nachher kommt es dann ganz arg, Stefan Raab, Deutschland Möchtegernkomödiant Nummer 1 lädt zur lustigen Runde. Dabei verfolgt der sympathische Exmetzger ein völlig anderes Sendekonzept als die Kollegen Schmidt und Co., welches sich einfach in fünf Regeln zusammenfassen läßt.
    Die Das-kenn-ich-doch-woher-Regel. Das ist der Kernsatz der ganzen Sendung. Jeder Zuschauer, egal wie unsagbar dämlich er auch sein mag, muß verstehen, über was sich der Herr Raab gerade lustig macht. Politische Witze sind tabu, da ein nicht gerade kleiner Teil der Zuschauer nichtmal weiß, wie man ein Kreuz auf den Stimmzettel macht. Was bleibt übrig? Richtig, Witze auf Kosten anderer. Und wie der Titel der Sendung - TV Total - schon suggeriert, diese Leute sind aus dem Fernsehen.
    Die Lustig-ist-was-ich-sage-das-lustig-ist-Regel. Wenn man sich Ausschnitte, die der Herr Raab so zeigt, im Original ansieht, ist nichts lustiges dabei, das wird jedem auffallen. Also müssen wir es lustig machen, zumal es wirklich lustige Sachen nur selten gibt. Wenn sich also der nächste Promi verspricht oder ein netter alter Mann einmal nicht richtig zugehört hat und daher eine unpassende Antwort gibt; mit dem richtigen Handling kann alles zum Dauerbrenner werden.
    Die Fick-das-Niveau-in-den-Arsch-Regel. Wichtig ist, je tiefer unter der Gürtellinie der Witz ist, umso mehr Leute lachen darüber, zumindest denkt der Herr Raab das. Und da wird auch nicht davor gescheut, sich mal über ein kleines Kind mit dem eigentlich überhaupt nicht lustigen Zunamen Loch zu amüsieren, indem man es spontan mit Muschi assoziiert.
    Die Aufgetaut-schmeckt's-besser-Regel. Im Fernsehen gibt es kaum lustige Sachen, das wissen wir bereits. Doch im Fernsehen gibt es auch kaum unlustige Sachen, die sich zu lustigen Sachen verwursten lassen. Das ist neu, und auch der Exmetzger hat mit dieser Verwurstung so seine Schwierigkeiten. Und da er jeden Tag lustig sein muß, wird der selbe Witz oft gerissen, sehr oft. Nicht zwei Tage nacheinander aber immer mal wieder im Laufe der Sendung und wenn es ein wenig rhythmisch ist, machen wir gleich ein Lied daraus.
    Die Dick-und-Doof-Regel. Zum Schluß ist zu vermerken, daß es besonders wichtig ist, sich nicht nur im Nachhinein über andere Leute lustig zu machen. Die Symbiose von Stan Laurel und Oliver Hardy, Stefans Praktikant Elton macht es vor. Man stellt sich mit dem Megaphon auf die Straße und ruft vulgäre Dinge oder klingelt nachts Menschen aus dem Bett, bis diese die Polizei rufen. Auch hier gilt, je niveauloser, desto besser.
    Mit dem wohligen Geschmack einer unlustigen Stunde Humor im Bauch, schläft unsere Couchkartoffel auch gleich viel besser. Danke, Herr Raab.


    Vierte Station: RTL2
    RTL2, muß da überhaupt noch mehr gesagt werden? Außer vielleicht Big Brother, Popstars, Pornos? Wo die Amerikanisierung bei Pro7 nur morgens und abends ihre Früchte zeigt ist es bei RTL2 so, als würde man direkt in den United States of Absolutedullness sein. Der Sender ist arm und hat nur das Geld für etwa 25 verschiedene Filme, von denen zwischen einer und zweien wirklich gut sind. Und die werden dann im Abstand von etwa acht Wochen immer wiederholt. Der Rest der Zeit wird mit eben diesen Big Brother, Popstars, Pornos vertan.
    Unsere Couchkartoffel beobachtet häßliche Bratzen im Container, die sich für schön halten und nackt duschen, damit es auch ja alle sehen können, wie sie essen und die Toiletten mit Exkrementen vollsauen. In der neuen Ausführung Big Brother the Battle schießen sich die Containerinsassen nicht etwa, wie man vielleicht bei dem Titel erwartet dürfte, wöchentlich in bester Battle-Royale-Manier über den Haufen, nein, sie müssen Ängste überwinden. Ein Fallschirmsprung im Containergarten! Das ist eine Mutprobe, vor allem weil der Sender sicherlich zu lassen würde, daß einem was passiert. Und für 100 Tage voller öffentlicher Demütigung gibt's dann 250,000 Mark und einen Plattenvertrag.

    Apropos Plattenvertrag, Popstars ist die abgespeckte Version des Großen Bruders. Plattenverträge und öffentliche Demütigung gibt's auch, aber keine 100 Tage Kameraverfolgung. Wer selbst für Big Brother noch zu dumm ist, der geht halt hierher und macht sich öffentlich lächerlich, um hinterher rhetorisch geniale Texte wie Tageslicht in Deinen Augen zu singen. Da steppt der Bär, da tanzt der Papst im Kettenhemd. Im Gegensatz zu Star Search wird hier nicht nur ein Star gesearcht sondern eine ganze Gruppe. Das macht es einfacher für die Anwärter aber schwieriger für die Gesellschaft. Dein eine seltsame Gestalt, die mit dämlichen Texten die Spitze der Charts blockiert reicht ja, aber eine ganze Gruppe von denen ist für den modernen Profikiller von heute zu viel auf einmal. Aber die Band bricht spätenstens dann auseinader, wenn Junge A, der ja eigentlich was mit Mädchen B hat, in Wirklichkeit aber in Mädchen C verliebt ist und der Publicity wegen mit Mädchen D rumknutscht, mit Jenny Elvers während des nächsten Konzertes in der Besenkammer verschwunden ist.
    Die Frage, was das größere Übel ist, die Musik von No Angels oder BroSis oder aber ein weiterer Sexskandal mit Blondinchen Jenny, wage ich hier nicht zu beantworten.

    Zwischen Cartoons und Anime am Nachmittag und zum siebenten Mal wiederholten Filmen am Abend haben wir also Big Brother und Popstars. Doch was kommt, wenn alle Stricke reißen und wenn der assimilierte Zuschauer noch eine Dosis braucht, aber keine Lust hat, den eincontainerten Subjekten beim Schnarchen zuzusehen? Richtig, Pornographie. Oder zumindest das, was RTL2 darunter versteht. Unsere Couchkartoffel sagt, daß Pornographie zumindest im Ansatz was mit Penetration zu tun hat, und am liebsten kriegt er sowieso einen geblasen. Der Tag, an dem in einem RTL2 "Porno" allerdings ein Penis zu sehen ist, muß erst noch geschrieben werden. Der Sexakt besteht darin, daß man den Mann der Frau an den Brüsten herumlutschen sieht, die dabei wahlweise mit Ahornsirup begossen oder mit Wäscheklammern bestückt werden, dabei müssen die Klammern aber mit Plüsch gepolstert sein, denn bevor wir Sadomaso zu sehen kriegen, doch eher einen Penis.
    Wenn es eines gibt, das Pornos normalerweise nicht haben, dann ist es - da ist sich die Welt einig - Handlung. Doch erstaunlicherweise schafft RTL2 es, immer wieder olle Kamellen auszugraben, die zumindest versuchen, eine Handlung aufzubauen. Die ist dann in einem Satz zusammenzufassen und lautet entweder "Einsame Hausfrau betrügt ihren Mann mit der Belegschaft einer Mafia und wird dabei in Mordfälle verwickelt." oder "Bizarres Wesen aus dem All treibt eine ganze Mädchen-WG per Gedankenkontrolle zu heißen Sexspielchen." und steht sogar im Vordergrung im Gegensatz zu den Sexszenen.
    Wenn es auch schon zum Onanieren nicht gereicht hat, hat ein Porno der Meinung unseres Versuchskaninchens nach, seinen Sinn verfehlt.


    Die Auswahl des Fernsehprogrammes ist nach wie vor immer eine Sache des Geschmacks und Realismus scheint im ersten Moment ferner denn nie, doch wie auch schon Jonathan Frakes in X-Factor immer herumphilosophiert, Fakt und Fiktion liegen oft nah beieinander.

    Geändert von Alphashark (31.07.2003 um 02:01 Uhr)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •