Sicherlich, das Spiel startet mit Hyun-ae und sie kritisiert viele der feudalen Strukturen sehr scharf, was auch grundlegend konform geht mit unserer heutigen Anschaung. Insbesondere die Art, wie Frauen auf diesem Schiff behandelt wurden. Sie gibt hier eine prinzipiell moderne Perspektive, was auch gestützt wird durch ihre schrecklichen Erfahrungen als Jugendliche auf dem Schiff. Gebrochen wird diese Anschaung dann dadurch, dass sie diejenige ist, welche alle umgebracht hat, was ihr die moralische Hoheitsposition nimmt. Obwohl ihre Geschichte natürlich absolut tragisch und ihr Verhalten (bis zu einem gewissen Grad) nachvollziehbar ist.
Parallel dazu erfährt man die eher altertümlichen Ansichten von Mute. Was interessant ist, weil sie ein tsundere Char ist, welche man gewöhnlicherweise damit beschreibt, dass sie sich von niemandem Mist bieten lassen - was aber die feudale Gesellschaft von Frauen fordert. Gut, da sie eine KI ist kann ihr das sicherlich recht egal sein. Ihre Ansichten werden vom Spiel eher stehengelassen als kritisiert, so dass man sich selber Gedanken dazu machen kann, wie sinnvoll diese sind. Sie ist auch die Security vom Schiff, was ihr eine inherent positive Rolle gibt - auch wenn sie ihren Job wohl recht schlampig gemacht hat, wenn man bedenkt, dass ja alle tot sind *g*
Generell sind die Texte interessant, welche das Verhalten der "Pale Queen" als barbarisch darstellen, obwohl es aus unserer Sicht normal ist. Die Diskrepanz wird gut dargelegt und sogar auf eine Art beschrieben, dass man es (bis zu einem gewissen Grad) verstehen kann, dass sie es als unzivilisiert ansehen, wie sie sich verhält. Zeugt ebenfalls von gutem Writing, denn ich würde mal schätzen, dass das definitiv nicht die Ansichten der Autorin waren *g*
Einige der Stories sind aber definitiv krass. Natürlich das, was ihre Zieheltern mit Hyun-ae machen, weil sie sich nicht fügen will (bzw. ihre gesamte "Integrationsgeschichte"). Oder die Geschichte der beiden Schwestern, bei denen eine nur Fehlgeburten hatte. Oder die Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen, welche Mute extrem kritisiert.
Wermutsstropfen ist, dass man nicht erfährt, wie die Zivilisation sich so zurückentwickeln konnte. Ist am Ende natürlich auch nicht zu relevant, weil es eher um die "Future meets Past" Story geht. Hier hatte ich öfter die Frage im Kopf, ob Mute da irgendwas mit zu tun hat. Denn irgendjemand muss sie ja so programmiert haben, und die Leute aus der feudalen Gesellschaft scheinen dazu eher unfähig zu sein (welche Mutes Ansichten vertreten würden). Auch, dass sich Hyun-ae als KI hochladen konnte durch Ausnutzung von Mutes Core kratzt doch schon etwas an meiner Suspension of Disbelief.
Die Endings fand ich nicht so prall. Einerseits, weil man den KIs für einige Enden fast durchweg zustimmen muss, was ich angesichts der Thematik vom Spiel für relativ fragwürdig halte. Vielleicht ist aber auch das Ending, bei dem man ohne eine der KIs abhaut, das "kanonische", weil am nachvollziehbarsten? Dass Hyun-ae einem die Liebe gesteht, nach so kurzer Zeit... naja, wird ja gerechtfertigt dadurch, dass man der erste ist, der sie seit Langem mal wieder für voll nimmt und sich für die interessiert. OK, meinetwegen.
Das Harem Ending sehe ich hier eher als Gag an, denn das war überhaupt nicht nachvollziehbar und ich glaube, dass die Autorin sich eher ein wenig über solche Enden lustig machen wollte