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The Big Guns

Dredd
So, endlich hocke ich mich hin und lasse meinen Gedanken zu meinem persönlichen Lieblingsfilm 2012 freien Lauf. Ich habe schon im Comicfront-Thread darüber geredet, jetzt gehe ich hier ein wenig ins Detail.
Zunächst muss ich folgendes sagen: Ich finds jammerschade dass der Film nicht so erfolgreich geworden ist wie er es verdient hätte. Worin liegen die Gründe? Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit, aber ich kann zumindest mutmaßen, was hier verbockt wurde von Seiten der Publisher. Aber dazu unten mehr.
Erst einmal: Fuck, ist der Film geil. Das ist ein Actionfilm wie ich ihn seit Jahren sehen wollte. "Expendables 2" kam nahe ran, ruinierte sich allerdings selbst durch kosntantes Fourth Wall-Breaking und teilweise gar nicht mal so gute Meta-Witzchen, wodurch das Ganze zeitweise mehr zur Parodie als zum beinharten Actionmassaker wurde, was ich eigentlich erwartete. "Dredd" hat zwar auch ein paar Fourth Wall-Breaking-Momente und hier und da hübschen sarkastischen Humor, ist ansonsten allerdings eine dermaßen emotionslos brutale Actionwalze, dass es schwer in Worte zu fassen ist. Die Story ist so simpel wie fantastisch: In einer dystopischen Zukunft sind die Menschen nach einem nuklearen Holocaust dazu gezwungen, in engen, verschwitzten und versmoggten Domizilen namens Mega Citys zu hausen, die bis zu 800 Millionen Menschen auf einer Fläche von Boston bis Washington beherbergen. Die Skylines sind gezeichnet von bis zu 300 Stockwerken hohen Wolkenkratzern, sogenannten Mega Blocks, in denen bis zu 80000 Menschen ein Zuhause finden müssen. In einem dieser Mega Blocks namens Peach Trees haust die Ma-Ma-Gang, eine ruchlose Bande von Drogendealern und Massenmördern unter der Fuchtel der psychotischen Ma-Ma (großartig diabolisch dargestellt von Lena Heady), die in Massen eine Droge namens Slo-Mo herstellt, die die ganze Stadt zu erobern droht. Der Street Judge Dredd (einfach nur perfekt und stets behelmt dargestellt von Karl Urban) und eine Judge-Rekrutin namens Anderson (Olivia Thirlby als heißer und toll gespielter emotionaler Gegenpol zum furztrockenen Dredd) werden in diesen Block geschickt wegen einiger Mordfälle (3 Typen wurden gehäutet und dann 200 Stockwerke weit in den Tod geschmissen - overkill much?) und als Ma-Ma davon Wind bekommt, wird der Block komplett abgeriegelt. Dredd und Der Rookie müssen sich nun durch den Block und Heerscharen von Mobstern kämpfen, um Ma-Ma einzukassieren und die Stadt vor der Bedrohung durch Slo-Mo zubewahren (ganz nebenbei).
Soviel zur Prämisse, die wunderschön schnurgerade ist. Allerdings täuscht der erste Eindruck ("Simpel, deshalb langweilig und doof."), denn tatsächlich geht einiges mehr ab in "Dredd", als es auf den ersten Blick scheint. Das Set Design ist hübsch gritty und dreckig gehalten, die Kameraarbeit ist superb und sowohl Schnitt als auch allgemeines Editing geben dem Film einen äußerst slicken Look, der vor allem in den mannigfaltig vorhandenen Actionszenen geil zum Tragen kommt. Die Charaktere sind cool: Dredd ist natürlich der Elite-Cop, der sich mit runtergezogenen Mundwinkeln, rauher Stimme und brutaler, selektiver Ignoranz durch die Heerscharen von Henchmen mäht und absolut furztrocken agiert. Anderson ist ein Medium, was für einige echt sehr coole Charaktermomente und Szenen sorgt, in denen sie die Gedanken von Verbrechern liest und sich teilweise mit diesen einen geistigen Kampf liefert (schwer zu erklären - guckt einfach den verdammten Film). Es gibt eine kurze, aber okaye Erklärung für ihre mentalen Fähigkeiten (sie ist ein Mutant durch radioaktive Strahlung), außerdem hat es mich so gar nicht gestört weil sich der Medium-Aspekt einfach perfekt in den Film integrierte. Und - man glaubt es kaum - sie hat sogar einen glaubhaft dargestellten Character Arc! Holy crap! Somit ist eigentlich Anderson mehr der Hauptcharakter als Dredd, was in meinen augen fantastisch ist. Weil Dredd ist kein Charakter - er ist mehr wie ein Symbol. Er ist gleichzeitig Richter, Jury und Vollstrecker und schert sich einen Dreck um menschliche Gefühle wenn es zu seinem Kodex kommt. Und das zeigt "Dredd" perfekt. Kein Stallone-Gesichtsgrätschen-Ballet, kein Rob Schneider - einfach Dredd, der mit runtergezogenen Mundwinkeln Leute abknallt, während der Rookie sich die ganze Zeit fragt, ob dieser Job wirklich der richtige für sie ist. Lena Heady als Gegenspielerin war wudnerbar creepy, aber ich hätte mir hier ein bisschen mehr Backstory gewünscht (der Prequel-Motion Comic zählt hier nicht wirklich). Ein wenig mehr Tiefe hätte heir nciht geschadet - allerdings hat sie eine der besten Obermotz-Todesszenen die ich seit langem gesehen habe (Mad Dogs Overkill in "The Raid" mitinbegriffen).
Nun zum wichtigsten Aspekt: Die Action. Leidet sie unter dem 3D? Kein Stück, eher genau das Gegenteil. Ich befürchtete erst, dass durch die dunkel gehaltenen Kulissen so gar nix erkennen lassen würde - ABER die Filmemacher haben perfekt konteragiert und in den Szenen, in welchen Slo-Mo inhaliert oder sich gegenseitig mental bekriegt wird das Bild extra aufgehellt. Somit bekommt man die ganze 3D-Erfahrung wunderbar sichtbar präsentiert, auch alles außerhalb der Slow Motion-Szenen kann man alles erkennen. Und actionmäßig fliegen hier ordentlich die Fetzen: Blendgranaten, High Explosive-Geschosse in den Kopf, Signalraketen in die Kauleiste, explodierende Gliedmaßen, Miniguns die Leute in Fetzen schießen und großartige handgemachte Bluteffekte in Slow Motion. Jupp, definitiv geil anzusehen, geil abwechslungsreich und geil in Szene gesetzt! Es ist als würde ich endlich einen Paul Verhoeven-Film im Kino sehen! Woohoo!
Und oh mein Gott - der Soundtrack ist das Beste, was ich soundtracktechnisch dieses Jahr gehört habe neben "Hotline Miami". Das ist ein Synthie-Score wie John Carpenter ihn gemacht hätte für seine Filme. 80s as fuck.
Meine Lieblingstracks:
Mega City One (sehr remminiszent an Carpenter-Scores wie "Escape from NY")
Mini Guns (treibend wie der obige Track - plus Minigun-Geratter)
Ma-Ma's Requiem (ähnlich der Vangelis-Stück in "Blade Runner")
Kurzum: "Dredd" verdient mehr Aufmerksamkeit, denn egal wie blöd ihn die Trailer aussehen lassen und wo man immer hört "Hört nicht auf die Kritiker." (die dem Film meist sehr hohe Wertungen gegeben haben): Glaubt den Kritikern. Der Film ist bombe. Und wenn ihr ihn nicht im Kino sehen könnt, holt euch die BluRay. Ich weiß ich werde am Freitag wieder im Kino hocken und abfeiern. Mein persönlicher Favorit 2012 und ein Must-See.
Und nun zu meinen Mutmaßungen warum der Film gefloppt ist. Ich hab da mehrere Gedankengänge...
1. Das Poster zum Film.
Ein maskierter Dredd, der am Rande eines Gebäudes steht und über die Stadt schaut? Relativ cool, eigentlich. Aber irgendwas stimmt nicht, der Scheiße-Alarm klingelt leise in meinem Kopf wenn ich das Poster sehe. Woran erinnert mich...

Oh ja, stimmt. Der Film.
Um Himmels Willen, wie blöd kann man sein? Es hilft bereits nicht, dass man als Otto-Normal-Mensch sofort an Sly Stallones furchtbares Desaster von 1995 denkt, sobald man den Namen "Dredd" hört - aber dann auch noch ein Poster zu designen das Erinnerungen an einen der schlimmst-furchtbarsten Superheldenfilme aller Zeiten weckt - nicht gut... Ich schätze, dass diese Ähnlichkeit bereits ein paar Leute abschreckte. Wieso - bei Jesus geheiligter linken Sandala, wieso - hat man nicht das lateinamerikanische Poster als allgemeines filmposter genommen?

HEILIGE SCHEISSE! Perfekt, Karl Urban guckt die Zuschauer angepisst an, während um ihn herum alles brennt. Das Poster wäre perfekt gewesen.
Aber was dem Ganzen die Krone aufsetzte, war allerdings das restliche Marketing.
2. Der Trailer.
Dieser verkackte Trailer...
Zum einen lässt er den Film langweilig aussehen aufgrund der schnurgeraden Prämisse (die absolut brillant ist und noch einige Asse im Ärmel hat, wo man sie nicht erwartet!). Was besser gekommen wäre, wäre einfach nur ein Stück aus dem Soundtrack spielen zu lassen nach Karl Urbans Intro-Monolog (der absolut verschärft großartig ist!) und dann einen Haufen Gewaltszenen aus dem Film in schneller Abfolge laufen zu lassen, ohne die Story wirklich preiszugeben - wie im Trailer zu dem Film, von dem "Dredd" angeblich geklaut hat:...
3. "Dredd hat von The Raid geklaut hurp derp!"
Ich meine natürlich "The Raid". Was die meisten Leute nicht wissen ist, dass "Dredd" mit "The Raid" nur eine Sache gemeinsam hat: Sie spielen beide in einem Gebäude und die Hauptcharaktere müssen sich dort gegen Horden fieser Gemeinlinge verteidigen. Das war's. Aber es ist nicht so, als wäre diese Prämisse nicht bereits mehrere Male durchgekaut worden. Wie z.B. in:
Assault on Precinct 13
Prince of Darkness
Stirb Langsam
Stirb Langsam 2
Sudden Death
Das tödliche Wespennest
Dog Soldiers
Alarmstufe Rot (ersetze "Gebäude" durch "Kriegsschiff")
Passagier 57 (ersetze "Gebäude" durch "Flugzeug")
Air Force One (dito)
Einsame Entscheidung (dito)
und so weiter
Somit ist das Argument mehr als haltlos. "Dredd" hat einfach Pech gehabt in der Hinsicht. Wäre er vor "The Raid" rausgekommen (danke, ellenlange Post-Production, die zwei Jahre gebraucht hat um das Ding in 3D zu konvertieren!), wäre niemand auf die beknackte Idee gekommen, die beiden miteinander zu vergleichen (und wenn, dann erst im Nachhinein). Davon abgesehen, dass nur die wenigsten hierzulande "The Raid" gesehen haben, aber trotzdem mit diesem Argument um sich werfen...[/hipster]
4. Keine 2D-Screenings.
Es gibt keine 2D-Screenings. Und das für einen gar nicht mal so hoch budgetierten Independent-Film. Das ist einfach Bullshit und wird wohl der Grund sein, warum es in Zukunft nie wieder 3D-Filme von Independent Studios geben wird (geschweige denn 3D-Actionfilme). Welcher Holzkopf auch immer diese dummbatzige Blöd-Entscheidung getroffen hat, dem gehört mit einem Hi-Ex-Geschoss in die Hohlbirne geschossen. Wie blöd muss man sein, den Kinos keine 2D-Version vom Film zur Verfügung zu stellen für die 50-60% der Leute, die entweder 3D nicht wahrnehmen können oder keinen Bock haben 13 fucking Euro für ein Ticket auszugeben, egal wie gut der Film ist? Ich schiebe hier die Schuld auf Lionsgate, so horstig kann doch niemand sein, einem Film der schon von vornherein einen schwierigen Stand hat dank der kackigen Stallone-Verfilmung ES NOCH SCHWERER zu machen Erfolg zu haben, indem man eine sichere Einnahmequelle einfach negiert und sich dabei - Casey Hudson-Style - auf "artistic integrity" beruft. Ja okay, aber dem gemeinen Zuschauer ist "artistic integrity" scheißfurzekackeegal, wenn es um Geld geht.
So, in diesem Sinne: Hoffen wir auf einen Nachfolger durch gute DVD- und BluRay-Verkäufe, dann passt das schon. Könnte halt nur länger dauern...
Geändert von T.U.F.K.A.S. (19.11.2012 um 20:47 Uhr)
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