@Simon: Kann ich bestätigen. Auch einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Es ist immer wieder schön, diesen richtig tollen Film zu kucken. Er macht einfach einen Heidenspaß - ist dabei sehr kurzweilig, humorvoll und hat auch einen sehr schönen Soundtrack.

Ich war diese Woche zweimal im Kino und wollte die Eindrücke der beiden Filme mal schildern - ich dachte am Anfang sie wären thematisch irgendwie verwandt, aber es waren doch zwei komplett verschiedene Thematiken.

Die Vermessung der Welt:

Ich muss zugeben, dass ich das Thema unglaublich interessant fand, als ich es durchlas. Ein biographischer Film über Gauß und Humboldt - ein sehr interessantes Thema deutscher Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts. Auch mit "Vermessung" - das könnte tolle Landschaftsaufnahmen beinhalten. Nun gut, die tollen Landschaftsaufnahmen waren definitiv auch vorhanden, wenn auch in etwas "reduzierter" Form. Auch die grundsätzliche Handlung wäre interessant gewesen - aber warum geht man denn ins Kino? Natürlich um einen Film anzuschauen, quasi in einen Film abzutauchen - und genau das war in "Die Vermessung der Welt" extrem schwer. Ich habe noch nie einen Film gesehen mit einer solch aufgesetzten schauspielerischen Leistung und selten einen mit solch schwachen Dialogen gesehen. Der Anfang des Films lässt einen schon daran zweifeln, ob es sich hier nicht wieder um eine (typisch deutsche) Persiflage auf etwas handelt (wie von Pro 7/Sat 1) - leider meinten die Filmemacher alles ernst. Der Humor ist zwar da - aber unfreiwillig.

Der Film beschreibt die kompletten Leben vom kleinen neunjährigen Carl Friedrich Gauß, der in der Schule seinen Lehrer Büttner ziemlich überrascht hatte, da er eine Summenformel herleitete, mit welcher er die Zahlen von 1 bis 100 in ein einem einzigen Rechenschritt addieren konnte, während seine Mitschüler das alles der Reihe nach ausrechnen mussten. Die Schule kommt jedoch eher wie ein Folterkeller rüber - die Schüler werden die meiste Zeit verdroschen - auch der Lehrer Büttner macht exorbitanten Einsatz vom Schlagstock. Dennoch förderte er den kleinen Gauß und sorgte dafür, dass er ein Stipendium vom Herzog von Braunschweig bekam. Ab ging's ins Akademikerleben - für Gauß der aus sehr einfachen Verhältnissen stammte ein unvorstellbarer Meilenstein. Dennoch wollte er Zeit seines Lebens eher einfach leben und zu Hause bleiben. Der junge Humboldt hingegen zerstritt sich mit seiner Mutter, um auf Reisen gehen zu können, wobei diese ihm ein Leben am Hofe zugedacht hatte. Doch Alexander drängte es hinaus in die weite Welt und dank seines nicht zu unterschätzenden Reichtums unternahm er Reisen ins damals noch exotische Mittelamerika und schickte allerhand Artefakte in seine preußische Heimat. Vom Charakter her ist er der typische Preuße - einfältig, alles ganz genau und penibel, aber dennoch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und großherzig. Im Alter treffen die beiden aufeinander und es entwickelt sich zum ersten Mal so etwas wie eine Story. Dabei wird die komplette Message in die letzten 20 Minuten des Films eingwoben und es ist das erste Mal, dass die Charaktere einem näher gebracht werden. Leider ist dann auch schon wieder der ganze Film vorbei. Davor plätschert alles episodenweise in mal und mal nicht nachvollziehbaren Zeitsprüngen dahin. Alle Beteiligten spielen dabei so hölzern, dass die ganze Zeit die zwischenmenschlichen Beziehungen der einzelnen Figuren künstlich und albern wirken. Alles ist eher komisch und merkwürdig. Teilweise ist die Überzeichnung der Charaktereigenschaften so stark, dass sie heraussticht und dabei unfreiwillig seltsam ist.

Leider ist die Vermessung der Welt von seiner Machart her komisch - wie richtig hochbudgetiertes Laientheater. Eigentlich schade, den Schauspielern alleine die Schuld zu geben wäre unfair. Ich finde da Drehbuch zudem einfach unsagbar schlecht (Dialoge hatte ich ja auch schon erwähnt). Was sehr schade ist. Klar, einen Hollywood-mäßigen Streifen hätte hier vielleicht noch weniger gepasst, aber es gibt genug Sachen, welche man sich von einem Hollywoodfilm abschauen hätte können. Wäre das ganze als Rückblende erzählt worden - z.B. wo sich Gauß und Humboldt im Alter getroffen hätten und aus ihrem Leben erzählten, so wäre das ganze eventuell dynamischer geworden. So hat man nur einen mittelmäßigen Erzähler, welcher auch nicht so wirklich der Bringer ist, meiner Meinung nach. Gut, er ist der Autor des Buches, auf dem der Film basiert. Ein Hörbuch würd ich mir von diesem Autor als Autorenlesung nicht kaufen. Schade, dass der Film von seiner Qualität nicht über die Historienszenen einiger ZDF-Dokus hinauskommt. Wirklich sehr sehr schade.


Cloud Atlas:

Dieser Film besteht aus sechs parallelen Handlungssträngen, welche wie Kurzgeschichten ablaufen, aber miteinander verwoben sind - thematisch, als auch historisch. Dabei werden signifikante historische Begebenheiten der Neuzeit, als auch einer schrecklichen Vision der Zukunft aufgearbeitet. Dabei wundert es mich vor allem, dass der Film ab 12 Jahren freigegeben wurde. Ich glaube, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist dabei wie folgt vorgegangen: Man gebe jeder Zeitepoche eine Altersbegrenzung, addiere alle und teile diese durch die Anzahl der Zeitepochen. Dann könnte auch ungefähr 12 Jahre herauskommen - das würde gut passen.



Es geht um - ja, das ist schwer. In jeder Zeitepoche geht es um Menschen, welche ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und versuchen an starren Machtverhältnissen zu rütteln. Es geht immer darum, dass einzelne versuchen, sich gegen gesellschaftspolitische Machtstrukturen zu behaupten und für die bessere Welt zu kämpfen, sei es im Amerika vor dem Bürgerkrieg gegen die Sklaverei oder im Jetzt gegen die unmenschliche Behandlung in Altersheimen. Kurioserweise sind diese Menschen miteinander verbunden, jeder findet ein Zeugnis des vorhergehenden, bis sich alles in der postapokalyptischen Zukunft zu einem großen Ganzen zusammenfügt und den Willen des einzelnen Menschen zeigt, eine bessere Welt zu schaffen und dafür gegen festgefahrene Machtstrukturen, welche das Leben beherrschen vorzugehen. Interessanterweise gehen die einzelnen Episoden dabei auch unterschiedlich aus. Mal gibt es ein Happyend, mal nicht.

Ich fand den Film ziemlich grausam auf der einen Seite, aber auch auch relativ unterhaltsam und sogar bedingt lehrreich. Auch hier geht alles über ca. drei Stunden, was aber aufgrund der doch relativ komplexen Erzählstruktur nicht weiter schlimm ist. Im Gegensatz zur "Vermessung der Welt" hat dieser Film hervorragende Schauspieler und ein ordentliches Drehbuch. Ich muss zugeben, dass ich einige Episoden besser und andere nicht so besonders fand. Besonders gut gefallen hat mir die Episode mit dem Komponisten (welche um 1936 spielt), der sich gesellschaftlich behaupten möchte, aber unter anderem mit seiner Homosexualität und etablierten Machtmenschen kämpfen muss. Sie ist sehr atmosphärisch und einfühlsam dargebracht. Ähnlich gut und ungleich spannender war die Episode, in welchem eine junge Journalistin gegen die Pläne von Großkonzernen vorgeht und in einen Atomskandal gerät.Sie muss sich zum Schluss gegen einen Serienkiller behaupten... Auch sehr positiv fand ich die Alterheimepisode, in welcher ein reicher älterer Geschäftsmann seinen Bruder in ein geschlossenes Altersheim abschiebt unter der Vorgabe, es wäre ein Hotel. Die Flucht und die Verbindung mit anderen Heimbewohnern ist ausgesprochen witzig und beleuchtet gut den Missstand in der überalternden Gesellschaft.
Die Episode mit der Überfahrt und den Sklaven war sehr solide und erinnert so ein wenig an alte Sandalenfilme. Die dystopische Zukunft in Korea des 22. Jahrhunderts ist die erschreckendste Episode im Film. Sie erzählt analog zur Sklaverei über einen Missstand, welcher Realität werden könnte, wenn die Gesellschaft sich noch weiter auf Konsum reduzieren lässt und die Moral verschwindet. Hier werden Menschen gezüchtet um als billige Arbeitskräfte zu dienen, auch in Servicebetrieben, wie Schnellrestaurants. Hier zeigt sich eine Abart der zukünftigen Gesellschaft, indem Jugendliche diese Klone entsprechend schlecht behandeln und sich als Übermenschen vorkommen. Was mit den Klonen passiert, wenn sie zu alt werden, brauche ich an dieser Stelle auch nicht zu erwähnen. Dass es so etwas möglich sein könnte (wenn auch nur in relativ ferner Zukunft) zeigt die Geschichte. Sklaverei in Nordamerika waren in einer aufgeklärten Welt ebenso möglich, wie Nationalsozialismus und Holocaust. Im 24. Jahrhundert ist dann die Welt endgültig untergegangen - die letzten Menschen leben in kleinen Stämmen im Urwald, leben von Viehzucht und Ackerbau und werden von raubenden Horden bedroht. Sie verabscheuen Technologie, es gibt aber auch noch einige wenige Menschen, welche auf ihren modernen Schiffen leben und weiterhin Technologie verwenden. Sie wollen die Erde schnellstmöglich verlassen, da diese Tag für Tag unwirtlicher wird.

Das ganze Gespinst "Cloud Atlas" ist also ungeheuer komplex, man versteht den Film aber schon, wenn man ihn einmal angesehen hat. Eine Sache ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Luisa Rey, die Journalistin sagt den Satz, dass die Menschheit nicht aus ihren Fehlern lerne und dieselben Fehler immer und immer wieder begehe. Die Triebfeder sind Macht und Gier. Die Story zeigt dies auf verschiedensten Ebenen, welche darin gipfeln, dass mit fortschreitender Technologie sich die Unterdrückung vermeintlich Schwächerer perfektioniert werden kann. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass es immer einzelner mutiger Menschen bedarf, welche das Fass ins Rollen bringen. Nur so kann anderen Menschen auch die Augen geöffnet werden. Die Message ist ungleich optimistisch, auch wenn erst die Welt untergehen muss, bis ein Umdenken stattfinden kann. So wie es eben die Geschichte zeigt. So passierten auch in der Geschichte ganz schlimme Dinge. Die Sklaverei wurde durch den Bürgerkrieg 1865 in Amerika abgeschafft - Blutvergießen wurde letztendlich mit Blutvergießen beendet. Ähnlich beim zweiten Weltkrieg, bei welchem die meiste Bausubstanz in großen Städten zerstört wurde und die deutsche Identität nach dem Krieg neu definiert werden musste. Der Film gibt unglaublich viele Denkanstöße, aber besonders die Botschaft, mit kleinen Dingen die Welt verändern zu können, bzw. zu einer besseren Welt beizutragen. Dabei ist er allerdings manchmal schockierend (2144), manchmal hingegen liebenswert (2012). Ich persönlich fand diese düstere Zukunft recht grausam - ich bin aber auch ein etwas zartbesaiteter Kinobesucher. Besondres Hinrichtungsszenen mag ich persönlich überhaupt nicht und sie haben mich relativ lange wachliegen lassen heute Nacht. Aber vielleicht denkt man dann eher drüber nach, ob man über einige Dinge nicht genauer nachdenkt.

Schauspielerisch ist der Film wunderbar - Tom Hanks, Halle Berry, Hugo Weaving, etc.übernehmen mehrere Rollen (teilweise auch geschlchetrübergreifend), um die Verbundenheit der einzelnen Figuren genauer zu zeigen. Es ist ziemlich gelungen, so fühlt sich dieses Mammutwerk über die sechs Jahrhunderte vertraut und parallel an. Die Schauspieler spielen dabei auch sehr überzeugend und auch die deutsche Synchron ist erstklassig. Die Filmmusik ist unglaublich toll und bleibt hervorragend im Kopf - sie ist sehr mitreißend komponiert und untermalt das ganze sehr schön. Ich hab mir auch die CD angeschafft. Auch hier werden verschiedene Stile geboten.

Insgesamt ist der Film okay. Aufgrund der doch recht komplexen Handlungsstruktur hätte er kaum kürzer ausfallen dürfen. Sehenswert ist der Film - man sollte jetzt nicht zu viel erwarten - nachdenken kann man darauf allerdings ziemlich gut. Ob er jetzt gut oder schlecht gefunden wird, bleibt wohl jedem selbst überlassen. Wie schon geschrieben, würde ich ihn nicht ab 12 Jahren freigeben. Dafür ist er etwas zu heftig, außerdem wird ein Zwölf- oder auch ein Vierzehnjähriger mit diesen Film eventuell nichts anfangen können.

Greetz, Cuzco