Und es geht in die dritte und vorerst letzte Runde. Jeder, der bisher nicht bewertet hat, darf jetzt gerne damit anfangen und alle anderen natürlich auch

Versprochen
~ Storyabschnitt 3 ~
Die Gestalt sah aus, als wäre sie einem Mittelalterfilm entsprungen, während sie von den Polizisten ins Gefängnis geführt wurde. Groß gewachsen, fast 195cm, trieben die Wärter ihn in gebückter Haltung Richtung Haupteingang. Hand- und Fussfesseln lagen über seiner Lederkleidung, die man unter dicken Schichten aus Dreck kaum noch erkennen konnte, und zwangen ihn zu kleinen Schritten. Als die ungewöhnliche Prozession sich den Zaun entlang bewegte, richtete der Gefangene seinen Blick nach oben und begann leise mit einem unverständlichen Singsang. Als der vor ihm laufende Wächter an ihm zerrte, um ihn zum Schweigen zu bringen, schüttelte die bärige Gestalt ihn einfach ab und erhob sich zu seiner vollen Größe. Mit einer Kopfbewegung schüttelte er sich das lange blonde Haar aus dem Gesicht und atmete dann so tief ein, dass das Hammeramulett auf seiner Brust bebte. Dann begann er erneut zu singen, seinen tiefen und beängstigen Gesang in einer fremden Sprache und in diesem Moment sah er aus wie einer der alten Barbaren.
Aller Bemühungen der Wachen zum Trotz hörte man seinen Gesang, bis sie den Eingang erreicht hatten und das Knallen der zufahrenden Eingangstüren sämtliche Geräusche überdeckte. Gezwungen grinsend trat eine Reporterin ins Bild und begann mit einem Sonderbericht zu den jüngsten Ereignissen, doch resignierend seufzend schaltete Mathew den kleinen Fernseher ab und schaute Stephen an.
"Was sollte das jetzt?", fragte er ihn anklagend, doch dieser schien die Anklage einfach zu überhören. "Das ist ein alter dänischer Schlachtgesang.", antwortete Stephen seelenruhig, "Er singt von der Pflicht für das höhere Wohl zu sterben. Er ist sehr stolz auf seine Herkunft."
"Ach nicht das.", wischte Mathew die Antwort seines Freundes mit einer Handbewegung weg, "Ich meine das Alles hier." Stephen schaute sich in dem kleinen Raum um. 25 Quadratmeter, vollgestopft mit einem Doppelbett, einem Schrank, einer Toilette mit Dusche und einem Fernseher im Regal. Ein typisches kleines Appartmentzimmer, wie sie es gestern gemietet hatten. Natürlich bar bezahlt, nachdem sie vorher ihr Aussehen geändert hatten.
Vier verdammte Tage war die Geiselnahme jetzt schon her und noch immer verging keine Nachrichtensendung ohne das man nicht die Fahndungsfotos der Polizei zeigte. Mit einem Schauern dachte er an die Flucht vor der Polizei. Wie sie mehrmals das Auto und ihr Aussehen wechselten, um nicht gefunden zu werden. Nächte in der Kanalisation oder in einsamen Waldstücken, immer in der Angst. Jeder Schatten war ein Polizist, jedes Zweigknacken ein sich anschleichender SWAT-Offizier. Selbst als sie das zweite Mal ihr Aussehen geändert hatten, hatte Mathew das Gefühl, dass jeder Streifenpolizist nur ihn ansehen würde, jeder ihn unter seiner Verkleidung erkennen könnte. Doch am Ende hatten sie es endlich geschafft und Uthred war sich sicher gewesen, dass man sie nicht mehr verfolgen konnte.
Uthred kannte sich mit solchen Dingen aus. Auch wenn er fast nie sprach und lieber seine alten Lieder sang, so verfügte er doch über unschätzbares Wissen. Doch immer wenn Mathew ihn gefragt hat, woher er das Wissen hatte, grinste er nur und zeigte zu den Sternen. "Forældre. Bedsteforældre.", pflegte er zu sagen und Mathew erfuhr, dass er damit seine Vorfahren meinte. Mathew wusste nicht, woher Stephen Uthred kannte, doch irgendetwas musste zwischen den beiden passiert sein, denn Uthred war Stephen treu ergeben, doch Stephen schien keine Dankbarkeit zu kennen.
"Du weißt, was ich meine.", sagte Mathew aufbrausend, "Wieso hast du das Uthred angetan? Nach allem was er für uns getan hat? Nach allem was er für dich getan hat?" Stephen drehte ihm jetzt sein Gesicht zu und Mathew sah, dass ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen. "Ich wollte das auch nicht.", sagte er leise, "Ich weiß auch nicht, wieso sie mich nicht verstehen wollen."
Zwei Tage war es her, seit Uthred meinte, es wäre sicher und Stephen seine Sachen aus verschiedenen Verstecken holte. Manche fanden sie leer vor, doch am Ende hatte er wohl alles, was er brauchte, denn er begann mehrere Stunden ohne Unterbrechung zu arbeiten. Ergebnis war am Ende ein kleiner grauer Aktenkoffer, vollgestopft mit irgendwelchen Papieren, die beweisen sollten, das Stephen die Wahrheit sagt. Uthred sollte die Sachen übergeben und nun saßen sie in dieser Scheiße. Irgendetwas war gewaltig schief gelaufen und nun mussten sie hoffen, dass irgendjemand dem Kofferinhalt vertraute. Mathew bezweifelte es. Amerika hatte es verlernt, zu vertrauen.
Das Klingeln des Handys durchbrach die düsteren Gedanken der Beiden und sofort nahm Stephen ab und drückte auf die Freisprechtaste. "Hallo. Ich habe ihr Rätsel gelöst.", meldete sich die Stimme am anderen Ende.
"Wovon spricht er?", setzte Mahew an, doch Stephen brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. "Wer sind sie?", fragte er stattdessen den Anrufer. "Mein Name ist Thompson, SWAT-Sergeant Thompson. Haben sie keine Angst, dies ist eine abhörsichere Verbindung." Stephen ging nicht weiter drauf ein. "Woher weiß ich, dass ich ihnen trauen kann?". Die Stimme am anderen Ende der Leitung dachte. "Das können sie nicht. Aber wir sprechen jetzt schon 41 Sekunden mit ihnen und das reicht, um sie doppelt zu orten. Trotzdem steht vor ihrem Fenster noch kein Streifenwagen. Sie werden mir vertrauen müssen, so wie ich ihnen vertrauen muss."
Danach schweifte das Gespräch ab und der Angreifer stellte Fragen, die für Mathew keinen Sinn ergaben. Sie hatten irgendetwas mit dem Inhalt des Koffers zu tun und gingen auf irgendwelche Zahlen und Details ein. Stephen blätterte in seinen Unterlagen und antwortete und schien den Anrufer damit zufrieden zu stellen. Sie sprachen von irgendwelchen Formeln, Unfällen, Versuchen und einer Aktion, die sie Projekt Eden nannten. Mathew verstand gar nichts mehr und er stellte sich vor, was dieses Projekt sein könnte, bis ihn die Stimme des Anrufers wieder in die Realität holte.
"Wir haben hier fähige Codeknacker. Es wird nicht lange dauern, bis sie ihre Handynummer auch kennen und sie orten werden. Entsorgen sie das Handy. Kommen sie heute abend um 22:00 zum Churchill-Platz, dann reden wir weiter. Ich muss Schluss machen.", sagte Thompson.
"Warten sie.", rief Stephen noch, bevor er auflegen konnte, "Wieso machen sie das? Wieso helfen sie uns?"
"Ich war in Manhatten. Meine Tochter war in Manhatten. Sie ging auf die Victoria-School.", antwortete der Sergeant, nun mit Trauer in der Stimme. "Ich verstehe... Es tut mir Leid. 22 Uhr, Churchill-Platz, Wir werden da sein.", erwiderte Stephen. Dann war die Leitung tot.
10 Minuten später fuhr das Handy auf der offenen Ladefläche eines Lastwagens spazieren und Stephen lief im Zimmer auf und ab, wie ein Löwe in seinem Käfig.
Irgendwann war es Mathew, der verwirrt das Schweigen brach. "Was hat das alles zu bedeuten? Sag es mir!", wandte er sich an seinen Freund, der lächelte und antwortete, "Sergeant Thompson glaubt uns. Er muss es einfach, nach dem, was ihm widerfahren ist." Er schaut auf die Uhr. "Noch 5 Stunden, dann wissen wir es." "Dann wissen wir WAS?", fragte Mathew ungeduldig.
"Heute Abend mein Freund wissen wir, ob sich das alles hier gelohnt hat, ob es das Opfer von Uthred wert war, ob uns jemand glaubt. Heute abend am Churchill-Platz werden wir erfahren, ob man in Amerika noch vertrauen kann..."