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Thema: "etwas tun SEHEN" vs "etwas tun GESEHEN"

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  1. #9
    Solche Sachen sind erste Anzeichen für eine Vermündlichung des Deutschen, wenn auch grammatisch tatsächlich leicht fragwürdig, aber gar nich mal abwegig:

    Der Ersatzinfinitiv lässt sich nur in Verbindung mit Verben des Wahrnehmens (sehen, hören, etc.), die einen Modalsatz nach sich ziehen, und Modalverben (müssen, können, etc.), die zwangsläufig einen Infinitiv verlangen, anwenden. Will meinen:

    Zitat Zitat
    Ich habe gesehen, wie sie eintrat - Ich habe sie eintreten sehen. aber: Ich habe ihr geholfen, die Taschen zu tragen. - Ich habe ihr die Taschen tragen geholfen.
    Das dient einfach dazu, nicht stottern zu müssen:
    "Ich habe gehen dürfen." ist weniger zungenbrecherisch als "Ich habe gehen gedurft."
    (Etwas Ähnliches gibt es übrigens auch für das Verb "versuchen" für Infinitivkonstruktionen mit 'zu':
    "Der Löwe konnte nicht schreiben lernen, weil er sich stetig zu ernähren suchte.")


    bzw. eine Gleichzeitigkeit herzustellen:
    "Ich habe sie sterben gesehen" sagt nur der geneigte Kristallkugelbesitzer, weil der Infinitiv Präsens grundsätzlich die neutrale Gegenwart ausdrückt (umgeformt hieße der Satz: "Ich habe gesehen, wie sie stirbt").

    Im Grunde finde ich die Bezeichnung "Ersatzinfinitiv" bescheuert, weil es sich im eine vollwertige, teilweise verkürzende Konstruktion handelt:
    Modalsatz --> reine Infinitivkonstruktion (ohne 'zu') = Verkürzung
    (vergleichbar mit dem AcI im Lateinischen, der auch einen Modalsatz abkürzt)

    Wandel des Partizips II zu einem Infinitiv,
    um die Gleichzeitigkeit auszudrücken (Ich hätte sie essen gesollt = bereuender Irrealis der Vor-Vergangenheit - Ich hätte sie essen sollen = bereuender Irrealis der Vergangenheit)
    folgt aus dem Fakt, dass wir ein vollkommen anderes Zeitverständnis haben als andere Sprachen (vgl.: "Sie bekommt ein Kind" = "Sie wird ein Kind bekommen" bzw. Konjunktiv-Periphrase: "Ich käme gern." = "Ich würde gern kommen.")
    bzw. um die Sprachmelodie zu erhalten ("Ich habe gehen gedurft" verlangt vom Sprecher eine Zäsur)
    Folgt aus dem Fakt, dass die Bildung des Partizip II mit dem Präfix einhergeht, der eben in manchen Fällen die Sprachmelodie extrem enstellt


    Ich tu jetzt mal ganz selbstbewusst so, als wären das alles keine wilden Vermutungen!

    Edit:
    Zitat Zitat von TheBiber Beitrag anzeigen
    Im Schweizerdialekt gibt es keine Präteritum oder Plusquamperfekt. Dies überträgt sich dann oft in unsere Schriftsprache.
    Wie drückt ihr denn dann die Vorvergangenheit aus? Also wenn ich sag "Ich hatte meine Uhr verloren, später habe ich sie wiedergefunden und heute trage ich sie immer bei mir", wie sieht das dann im Schweizerdeutsch aus?

    Geändert von Mordechaj (28.10.2008 um 20:09 Uhr)

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