[Forenspiel] Die Werwölfe von Düsterwald - Part III - Tag 1
Der Dorfbewohner Ferdinand von Drachenfels wankte vergnügt aus der Taverne. Die Ereignisse des Vortages und der Tod des vorherigen Hauptmanns hatten ihn nicht davon abhalten können, die Nacht zusammen mit einigen anderen Bewohnern Düsterwalds über einem schönen Bockbier zu verbringen. Irgendwann wurde es aber auch ihm zu viel und er wanderte vergnügt nach Hause. Werwölfe? Wer glaubte denn an so einen Blödsinn? Bestimmt war der alte Trunkenbold von einem Hauptmann nur mit irgendwem in Streit geraten und anschließend zu seinen Ahnen befördert worden.
Ferdinand betrachtete den nächtlichen Himmel. Der Vollmond schien in dieser Nacht wirklich intensiv, aber immer noch nicht intensiv genug, um die Gestalt zu erkennen, die sich ihm näherte. "Entschuldigen Sie, könnten Sie mir vielleicht den Weg nach Hause weisen? Ich glaube, ich habe mich irgendwie verlaufen", fragte Ferdinand den Fremden, ohne zu wissen, dass dies seine letzten Worte gewesen waren. "Knurr!" Es gibt sie also doch, dachte Ferdinand noch, als die Bestie ihm die Kehle zerfetzte.
Das erste Morgenrot verkündete den Bewohnern von Düsterwald den Beginn eines neuen Tages. Nichts war mehr so, wie es einmal gewesen war.
Die Tagphase endet am Mittwoch, dem 14. Januar, um spätestens 22: Uhr. Es wird allen dringend angeraten, bis dahin ihre Stimme abgegeben zu haben.
Oh je... eine Stimme verschenkt.
Sie stand nun vor dem Mann, bei dem sie sich sicher war das er einer der Mörder war. Aber bevor sie ihn anklagte musste sie noch etwas erledigen. Sie drehte sich nocheinmal von ihm weg, er hatte sich inzwischen niedergelassen, oh so gefährlich nah bei dem ungeschützten jungen Fleisch neben ihm, und würde ihr nicht allzubald weglaufen, und wandte sich an alle Anwesenden, und ihre Stimme war so klar und deutlich das sie bis weit über den Marktplatz hallte.
„Oh Horatio, ihr könnt euch eure Unverschämtheiten für eine der armen Gespielinnen aufheben, mit denen ihr euch die Zeit so gerne vertreibt. Und ich bitte euch, solange wir nicht wissen wer die Täter waren, nicht zu verschwinden sondern dich tapfer dem hier über dich ergossenen Spott zu stellen. Du kannst das, ich glaube an dich. Und ich weiß das das Alter mir nicht wohlgesonnen war, schöner junger Gecke, das braucht ihr mir nicht so auf die mit Altersflecken besprenkelte Nase zu binden - und ich weiß das ich mich nun eigentlich kürzer fassen sollte. Aber es ist eine wichtige Entscheidung, die überlegt sein will also werde ich mir die Zeit nehmen, die ich dafür brauche.
Wir müssen uns heute noch für einen der Dorfbewohner entscheiden.
Ob es nun der Streithammel, der nichtsnutzigen Tagträumer, der Bauer der mehr schuftet als seine Tiere, der Bader und Tinkturenmacher, der zerstreuten Alchimist, der selbsternannte Virtuose, der verrückte Professor, die aufopferungsvolle Ängstliche, mich die alte Vettel, die wunderschöne Jägerin, der intellektuelle Schotte, der vergessliche Edelmann, der verrückte Professor, das geschundene Gespenstermädchen, der einsilbige Jäger, der undankbare Bengel, der sture alte Bauer, der gestrandete Geschichtenerzähler oder der überempfindliche Einäugige ist, den wir noch vor der Abenddämmerung den Urteil der Götter übergeben muss jeder für sich selbst entscheiden.
Ich zumindest habe meine Wahl getroffen, und wenn auch nur von einem von euch die Wahl auf Horatio fällt so werde ich mich ihm entgegen stellen und ihn mit meinem Leben beschützen - denn er ist unschuldig, dessen habe ich mich letzte Nacht versichert, als ich meine Runen befragte. Er ist kein Mörder, seine Seele ist rein wie die eines jeden unbescholtenen Bürgers. So rein wie die von Ferdinand es war. Dafür setze ich nun also mein Leben aufs Spiel und werfe es in die Waage, die sich bisher beängstigenderweise mehr von Zorn und Hass als von Verstand beeinflussen ließ.“
In ihrer eigenen Hand hielt sie nun auch eine Fuchspfote, die fast identisch war mit der, die sie Horatio gegeben hatte.
„Falls ich am Leben bleiben sollte, werde ich jeden Tag einem Mitglied dieses Dorfes eine solche Pfote geben - nachdem ich die Runen befragt habe. Sollte ich allerdings heute Nacht den Wölfen zum Opfer fallen so denkt an meine Worte.“
Ein heftiger Wind erhob sich plötzlich, der alle Anwesenden erschaudern ließ und die alte Dorflinde mit einem Schlag all ihrer Blätter beraubte. Grün, Gelb, Braun - ein Schleier aus Farben umwehte die Alte, ihr Kopftuch rutschte nun vollkommen herunter und entblösste ihre langen weißen Haare. Die breiteten sich wie ein Fächer um ihr Gesicht herum aus. In dem Dämmerlich des Nachmittages wirkte sie wie eine aus Kindergeschichten entsprungene Fee.
„Um Horatio an diesem Tage beizustehen und um ihn vor der blinden Wut der hier anwesenden Wölfe zu schützen werde ich meine Stimme mit ihm in dieselbe Waagschale werfen und mich Seite an Seite mit diesem unbescholtenen Bürger stellen und klage ebenfalls Advo an. Auch wenn ich mir eurer Schuldigkeit nicht sicher bin. Es tut mir leid für euch, das ihr dieses Amt aufgebürdet bekommen habt, obwohl ihr es nicht wolltet, aber es ist tatsächlich sehr verdächtig das die Werwölfe euer Leben verschont haben.
Aber bei einem weiteren Schuldigen bin ich mir sehr sicher - nachdem er den Hauptmann angeklagt hat, erdreistete er sich beinahe alle Namen aus dem Dorf aufzuzählen - ausser seinen eigenen. Merkwürdig, nicht wahr, wo er doch so plötzlich, so beredt geworden ist, ohne einen ersichtlichen Grund.“, sie drehte sich um und stand nun wieder direkt vor dem Mann, den sie verdächtigte. Es war Arlén. Sie wandte sich ihm nun direkt zu: „Seid ihr nur so ausser Atem weil ihr eure erhitzten Reden schwingen musstet, oder steckt da noch etwas anderes dahinter? So viele Worte aus dem Munde eines eigentlich einsilbigen Dorfbewohners haben mich stutzig gemacht. Mehr als stutzig um genau zu sein. Um es klar und deutlich zu sagen: Ich verdächtige euch, Arlén, an den Morden am meisten.
Meine Beweggründe dafür werde ich wohl erst morgen ausführlich darlegen können, aber seht euch aufgrund eures auffälligen Handelns und der unglaublich zwieträchtigen Reden als von mir angeklagt an. Nicht nur, das man kaum etwas über euch in Erfahrung bringt was eure Vergangenheit angeht nein, sobald man euch darauf anspricht sprüht ihr nur so vor verletztem Stolz und unterdrücktem Zorn. Und obwohl wir nichts über euch wissen, da ihr bisher erfolgreich alle Annäherungsversuche abgeblockt habt, erbost ihr euch und stellt so gut wie jeden aus diesem Dorf in euren Reden als Mörder hin. Erst der Hauptmann, dann Trishna, Jason, William und dann auch noch der sicherlich unschuldige Horatio.“
Es war nun an ihr vor Arlén auf den Boden zu spucken. Dazu flüsterte sie beängstigende Worte in einer fremden Zunge. „Lasst eure Hände von diesem Mädchen, das neben euch sitzt, oder ich werde mehr tun als euren Namen zu verfluchen.“
Der Zauber der sie alle in Bann gehalten hatte verging mit diesen Worten und sie sank wieder in sich zusammen, wie eine Rose, die einen Tag nach ihrer vollen Blüte in sich zusammenfällt - und da war sie wieder: Runzelig, alt, mit den zitternden Händen, zerbrechlich wie ein Schneekristall und verletzlich wie ein junges Mädchen.
Noch einmal erhob sie ihre Stimme, die nun aber nur noch ein heiseres Krächzen war:„Und erinnert euch nach dieser Nacht auch an Horatios Worte, sie sind mehr denn je von der Weisheit eines Mannes geprägt der sich seines Verstandes und der Schlauheit der Füchse bedient.“
Sie lehnte sich schwerfällig auf ihren Stab und vergrub die Hände in den Augenhöhlen der Wesen die am Griff zu sehen waren. „Ich vermisse mein Augenlicht nun mehr denn je. Wie gern würde ich in eure Gesichter blicken, wie früher, und darin lesen. Vielleicht könnte man sogar die dunklen Seelen und die düsteren Geister in euren Augen erblicken - wenn es nicht die bloße Traurigkeit ist und dann würde man darin den Wolf sehen können. Den Listenreichen und Gewaltsamen der Zwietracht unter uns gesäht hat.“
Dann wandte sie sich von Arlén ab und ging wieder zurück zu Horatio um Kraft und Trost in der Nähe dieses jungen Mannes zu finden, der sich nun allein gegen hundert Wölfe stellen musste, so hatte es den Anschein.
'Ich hoffe nur meine Worte kommen nicht zu spät...'