Neben Studio Ghibli bin ich seit ich im Januar letzten Jahres „5 Centimeters Per Second“ gesehen habe, auch ein sehr großer Fan von Makoto Shinkai. Im Gegensatz zu Hayao Miyazaki wird dieser Name besonders hier wohl noch nicht ganz so bekannt sein. Manche nennen Shinkai den neuen Miyazaki – ein Titel, der meiner Meinung nach keinem von beiden gerecht wird, denn Shinkais Filme unterscheiden sich grundlegend von denen Miyazakis, auch wenn das neuste Werk mehr in die Richtung Ghibli geht.
Weil es mir so viel Spaß macht, hier auch ein wenig zum Werdegang des mit 39 Jahren noch relativ jungen Regisseurs: Ursprünglich hat Makoto Shinkai als Graphikdesigner bei einer japanischen Videospielefirma gearbeitet. Erstmals Aufsehen erregte Shinkai 1999 mit seinem fünfminütigen Schwarzweiß-Kurzfilm „She and her Cat“ (彼女と彼女の猫, Kanojo to Kanojo no Neko), der aus der Perspektive einer Katze namens Chobi ein Jahr aus dem Leben der Katze und ihrer Besitzerin darstellt. Shinkai hat diesen Film in Eigenarbeit am Computer produziert, die Musik stammt von seinem Freund Tenmon, der danach auch die Soundtracks zu allen folgenden Werken Shinkais schrieb. Auf dem DoGA CG Animation Contest gewann Shinkai mit diesem Kurzfilm den Großen Preis.
Die Videospiele erlebten während Shinkais Arbeitszeit bei besagter Videospielefirma gerade eine Wandlung und wurden z.B. durch Opening Movies filmartiger. Dabei wurde Shinkais Interesse für das Filmemachen geweckt, und fortan verbrachte er viel Zeit zu Hause mit der Produktion seines ersten Films. Da er dafür aber mehr Zeit brauchte und noch ein paar Ersparnisse hatte, setzte Shinkai alles auf eine Karte, verließ die Firma und schloss sich acht Monate in seinem Zimmer ein, um in beinahe vollständiger Eigenarbeit rund um die Uhr an dem 20-minütigen Film „Voices of a Distant Star“ (星の声) zu arbeiten (bei dem er übrigens auch den Protagonisten synchronisierte, während seine Frau die Rolle des Mädchens sprach). Dieser erschien 2002.
Der Film erregte in vielerlei Hinsicht Aufsehen und ermöglichte Shinkai, ein größeres Werk zu starten, was er dann auch mit dem 2004 erschienenen „The Place Promised in Our Early Days“ (雲のむこう、約束の場所) tat. Auch hier erledigte erledigte er viele Arbeitet und war als Director, Writer, Producer, Storyboards Artist, Background Artist und Designer/Modeler tätig und schrieb den Songtext für das Titellied. Weiter ging es mit „5 Centimeters Per Second“ (秒速5センチメートル), der Anfang 2007 erschien, und schließlich noch 2011 mit „Children Who Chase Lost Voices From Deep Below“ (星を追う子ども).
---
So, genug von der Geschichte, nun gehe ich mal auf die Werke selbst ein:
- 2002: Voices of a Distant Star, 25 Minuten
- 2004: The Place Promised In Our Early Days, 91 Minuten
- 2007: 5 Centimeters per Second, 63 Minuten
- 2011: Children Who Chase Lost Voices from Deep Below, 116 Minuten
Voices of a Distant Star ist in der (nahen?) Zukunft angesiedelt und erzählt die Geschichte der beiden Hochschüler Mikako Nagamine und Noboru Tera, deren Liebe auf die Probe gestellt wird als Mikako in den Weltraum geschickt wird, um ferne Universen zu erkunden und die SMS, die die beiden sich zuschicken (und über die der Großteil der Handlung erzählt wird) Monate und schließlich Jahre brauchen, um den jeweils anderen zu erreichen.
In The Place Promised In Our Early Days spielt im Japan der 90er Jahre in einer alternativen Gegenwart, in der das Land nach dem zweiten Weltkrieg in Nord und Süd geteilt wurde.
„In einer fiktiven Parallelwelt wird Japan nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen der Japanischen Union und den U.S.A. aufgeteilt. Die Freunde Hiroki, Takuya und Sayuri werden von einem mysteriösen riesigen Turm auf der anderen Seite der Grenze in den Bann gezogen. Sie geben sich ein Versprechen: Sie werden ein Flugzeug bauen und damit über die Grenze fliegen, um das Geheimnis des Turms zu lüften. Als die junge Sayuri spurlos verschwindet stirbt der Plan der Jugendfreunde. Jahre später steht das geteilte Japan wieder kurz vor einem Krieg - und Hiroki findet Sayuri wieder, die seit ihrem Verschwinden im Koma liegt.“ (Amazon)
5 Centimeters Per Second kommt erstmals ohne Science-Fiction-Elemente aus und erzählt in drei Episoden die Geschichte von Takaki Tono. Beginnend in den 1990er-Jahren, in denen Handys und das Internet noch nicht weit verbreitet waren, wird Takaki durch einen Umzug von seiner Schulfreundin und Liebe Akari Shinohara getrennt. In den folgenden beiden Episoden, die sich bis zur heutigen Zeit erstrecken, werden Takakis Gefühle beleuchtet, in der zweiten Episode jedoch nicht aus seiner Perspektive. Der Untertitel A Chain of Short Stories About Their Distance trifft es meiner Meinung nach sehr gut,
Shinkais jüngstes Werk, Children Who Chase Lost Voices From Deep Below (keine Ahnung, wer auf diese Übersetzung des Titels gekommen ist), ist ganz anders orientiert. Nach seinem mehr oder weniger von Freunden erzwungenen Aufenthalt in London ist Shinkai klar geworden, dass er einen Film machen will, der unabhängig von Land und Kultur genossen werden kann. Deshalb ist Children Who Chase Lost Voices From Deep Below auch wesentlich phantastischer angehaucht. Eine kurze Beschreibung der Geschichte: Nach dem Verschwinden einer Freundes begibt sich Asuna Watase zusammen mit ihrem Lehrer in eine andere Welt namens Agartha, in der letzterer nach einem Weg sucht, seine tote Frau wieder zum Leben zu erwecken. Was Asuna eigentlich will, ist ihr selbst nicht ganz klar. Das ungleiche Paar gelangt in die andere Welt und steht bis zum Ende verschiedenen Gefahren gegenüber – im Verlauf kommen aber auch verschiedene für die Geschichte relevante Personen dazu, was dem ganzen einen großen Beigeschmack von Abenteuer verleiht.
Was Shinkais Werke besonders hervorstechen lässt, sind die beeindruckenden Bilder [1, 2, 3, 4, 5, 6]. Da Shinkai seit seine Filme seit jeher am Computer hat entstehen lassen, beherrscht er den Einsatz von Lichteffekten meisterhaft, was man bei jedem seiner Filme sehr deutlich merkt [1, 2]. Ebenfalls im Vordergrund stehen die Beziehungen zwischen zwei Personen (in seinem neusten Werk nicht mehr ganz so stark), die durch irgendeinen Umstand getrennt werden. Als ich 2011 5 Centimeters Per Second gesehen habe, war ich sehr beeindruckt und bin seitdem ein großer Fan von Shinkai. Seine Art und Weise des Geschichtenerzählens ist meiner Meinung nach sehr berührend, denn die Gefühle der Protagonisten werden immer auf sehr einfühlsame und alles andere als kitschige Weise präsentiert.
5 Centimeters Per Second ist auch mein klarer Favorit, ich habe den Film seither dreimal gesehen (auf Deutsch und Japanisch; beide Synchronisierungen sind sehr gelungen, die englische dafür nicht ganz so). Das erste mal hat in mir allerdings noch die größten Gefühle ausgelöst. Meiner Meinung nach kein Tearjerker oder Ähnliches, aber ein Film, der auch über die Zeit des Schauens hinaus eine große Wirkung entfaltet.
Nach Children Who Chase Lost Voices From Deep Below, das übrigens von Kazé lizensiert und am 12. Juli zu uns kommen soll, bin ich gespannt, wie Shinkai weitermachen wird. Ich empfand den Schritt von 5 Centimeters Per Second zu Children Who Chase Lost Voices From Deep Below als mutig, und der Film war meiner Meinung nach auch gelungen, aber dennoch hoffe ich, dass Shinkai sich in seinem nächsten Werk wieder wie in 5 Centimeters auf die Beziehung zwischen zwei oder mehreren Personen konzentrieren wird.
Von Tenmon bin ich übrigens auch ein großer Fan, denn zu allen Werken von Shinkai hat er tolle Musik komponiert. (Auch hier gefällt mir der Soundtrack zu 5 Centimeters Per Second wieder am besten). Ein paar Beispiele seiner Werke, aus jedem Film eins:
Abschließend noch ein paar ausgewählte Trailer:
Und zum neusten Film:
http://www.youtube.com/watch?v=T37GhIqsO28