Ein ernstgemeinter guter Rat...
Lieber Christian,
ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen und mir gleich vollgas Dein Streichquartett in C-Dur heruntergeladen - schließlich sind es ja mp3s gewesen und mein Interesse an den Kompositionen eines jungen Wiener-Klassik-Freaks war geweckt. Außerdem ist es laut Deines Werkverzeichnisses schon Nummer einhundertfünf - man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen. Ich bin froh, wenn ich überhaupt irgendwann mal so viel komponiert haben werde.
Leider klingt das Ganze, wie wenn ein Igel die Speiseröhre runterrutscht (mit Stacheln und so), denn anstatt ein Streichquartett zu wählen, um Deine Komposition einzufiedeln, benutzt Du nicht nur MIDI, sondern auch noch den popeligsten Klangerzeuger, den es gibt. Bei den hohen Portato-Passagen auf einem Ton im zweiten Satz bekommt man davon sogar Zahnweh.
Weil Du ja schreibst, Wiener Klassik sei nicht da um Geld zu verdienen: Sei Dir gewiss, wenn man es so anstellt wie Du, dann trifft das zu.
Deine Komposition in allen Ehren, aber spiel das Zeug lieber auf einem Klavier ein, nimm es dann auf. Wenn Du schon MIDI ablieferst, dann solltest Du eher die MIDI-Datei online stellen. Das dauert dann nicht 7 Minuten zum Runterladen bei Rapidshare, sondern nur 5 Sekunden und ist zudem schöner, weil ich das dann mit eigenen Klangerzeugern anhören kann, die ich auch selbst zum Komponieren benutze, die allerdings auch nach den Instrumenten und nicht nach einer heiseren Soundkarte klingen.
Genug der Rüge: Erst mal ein wirklich anerkennendes Lob für Deine Leistung. Es gehört schon einiges dazu, sich so etwas aufzuhalsen und dann weit über 100 solche Stücke zu schreiben.
Leider läufst Du in diesselbe Gefahr, wie der gute Mozart, der bspw. 40 Sinfonien geschrieben hat von denen 20 relativ ähnlich klingen. Schuld ist nicht nur die strenge Sonatenhauptsatzform, sondern teilweise einfach auch, dass man es zu sehr konstruiert. Ein gutes Beispiel ist der Komponist Giovanne Simone Mayr (hierzulande auch als Johann Simon Mayr) bekannt, der ein Gesamtwerk in dem Umfang verfasst hat, wie Haydn, Mozart und Beethoven zusammen. Dass er wie am Fließband komponiert hat, hört man seinen Kompositionen auch an. Alles klingt gleich - Mozart, Haydn, dann mal ein bisschen Gran Opera da Buffa Italiana... Beethoven hingegen war außergewöhnlich - hat aber auch nicht wie am Fließband komponiert (nur 9 1/2 Sinfonien). Und er war revolutionär, seiner Zeit zumindest voraus. (Fast) jedes seiner Stücke unverwechselbar mit einer ganz eigenen Seele. Das fehlt Deinen Kompositionen noch etwas - wobei einige gute Ideen dabei sind.
Was ich damit sagen will: Hör niemals mit der Komposition auf - es macht Dir so viel Spaß und das merkt man auch(, auch wenn's den Zuhörern manchmal nicht so viel Spaß macht). Aber versuch Dich mal weiterzuentwickeln und einen ganz eigenen Stil zu finden - und vielleicht bringst Du mal mehr harmonische Finessen ein. Bisher ist es eher noch so eine Art Handwerk - aber Musik muss leben - und besonders sein - sie muss uns berühren. Davon mache ich persönlich immer den Erfolg eines Musikstückes aus. Bei Dir merkt man, dass das Handwerkzeug da ist, das hast Du mit über 100 Werken bewiesen - es wäre aber schön, wenn mal etwas geschehen wird. Habe schon mal vor einem guten Jahr auf Youtube ein paar Dinge angehört - und ich glaube seitdem ist nix passiert. Der erste Schritt wäre die Richtung einigermaßen anständige Sample-Library. Diese kostet zwar ein paar 100 Öcken, aber wer so gerne komponiert, für den rentiert es sich im Übermaß.
Wie schon gesagt, ich finde es an sich geil, was Du machst - aber Du musst es noch richtig verpacken, weil ich glaube auch mal, dass die wenigsten im Multimediaxis privat Klassik hören und um die Leute dazu zu bringen, Deine Musik auch zu mögen und zumindest zu verstehen, bedarf es wenigstens einer ordentlichen Präsentation. Und genau da fehlt es leider am meisten.
Komponiere fleißig weiter, traue Dich ruhig mal, was Neues auszuprobieren, aber schaffe dieses MIDI-Gedudel schnell ab. Vielleicht findest Du ja mal Leute, die das einspielen - dann kannst Du's aufnehmen und Du glaubst nicht, wie geil es ist, seine eigene Mucke von richtigen Musikern serviert zu bekommen.
Greetz, Cuzco