Zitat von
Mordechaj
Symboltracht - oder: Warum der Slam so sehr an der Poesie hängt
Damien Saez sitzt bei McDo und denkt darüber nach, wie man als nächtes symbolisch die Vätergeneration der Kapitalisten und Fädenzieher ermorden könnte. Was ist der Aufruf zu symbolischem Mord an der Massengesellschaft aber auch nicht zynisch, wenn man dabei gegen halb Eins am Mittag einen McChicken frühstückt. Und da steht man nun herum, symbolhalber für genau jene Jugend, der man vorwirft, den Arsch nicht früh genug hochzukriegen und sich wie ein Kult von Lemmingen der von den Vätern in sie eingeprügelten Untergangsmoral zu beugen, eingeklemmt zwischen der Hörigkeit für die Kastrationsangst unserer Brüder und dem eigenen ödipalen Trieb und dem Hunger nach fettigem Essen. Als Gesellschaftskritiker steht man da natürlich nicht einfach nur so, sondern äußerst symbolträchtig in der Gegend.
Ich glaube ja heimlich, dass diese symmetrisch diabolische Weltordnung nur dazu führt, dass wir alle in der Mitte schwimmen; aus Angst, andernfalls an das symbolhaft falsche Ufer zu geraten. Nichstun ist ein sympathisches Bollwerk gegen die eigene Freiheit und, wenn man erstmal von vier starken Mauern umringt ist, ist es viel leichter mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Wir symbolisieren damit den Typus Mensch, der in der Lage wäre, so etwas wie syndikativen Bolschewismus zu erfinden.
Hauptsache nicht festlegen.
Immer noch ein bisschen mehr heucheln, immer noch ein bisschen mehr das Symbol des rechtschaffenen Menschen bemühen. Dieses Zusammenspiel aus Selbstbeweihräucherung und allumschwingender Verteufelung ist der synästhetische Metabolismus der absoluten Profiliertheit, so wird man dann auch auf symbolischem Wege eine moralische Instanz. Grass, wie einfach das geht. Kein Risiko, kein Gegenwind, aber den Gewissenlosen ordentlich ins selbst herbeisynthetisierte, verbolzte Gewissen reden, als ob es kein Morgen gäbe.
Ne ne ne, verfiges nochmal. Wir haben schon viel zu viele Instanzen gesetzt, die für uns irgendeine Form von Moral symbolisieren wollen, die Moral aber nicht mal schreiben könnten, wenn man ihnen den Stift führt. Beim symbolträchtig vor sich hin zitternden Johannes Paul war das noch verständlich, der hatte eine ernstzunehmende Krankheit, aber wie schaut das heute aus, symbolisiert denn dieser Verbenedeihte nichts weiter als selbsterwählte Wohlgenanntheit, denn offensichtlich braucht es für das Moraldefizit keinen Tremor...
Wenn ich mir selbst einen Namen geben dürfte, dann wäre der wohl reich an raniciken Anspielungen auf Publicity-Gags der vergangenen Jahre und Symbolen für dieses bewundernswert schröderige Kanzlertum, allein schon moralischen Komplettvertretungsanspruch durch eine besonders schmierige Unterschrift zu genießen. Vielleicht benahmte ich mich symbolträchtig Mashiah Obama, denn gerechter Krieg ist auch eine Form von Pazifismus; und ja, wir können auch Landminen. Oder ich betitelte zumindest meine eigene Kochsendung mit symbolistischer Melodramatik als Kocht Lanz, bis er noch Kerniger ist, weil man alles in eigenem Saft suden lassen sollte, was betroffen über den Welthunger schwätzen und Geld dafür sammeln kann, um ein vermeintliches Symbol zu setzen, und wenige Stunden später einen Drehtag als Quotenbratze im Gourmetküchenstudio verbringt und interessiert die Sahne schwenkt.
Wenn ich groß bin, will ich auch mal so eine tolle moralische Instanz werden. Symbolisch, versteht sich.