PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eichendorff umgedichtet (kann sich nicht wehren)



wequila
13.11.2004, 12:32
O Häuser hoch, o Enge,
O große graue Stadt,
Du der Gedankengänge
So seliges Schachmatt!
Da drauß, mit freiem Geiste
Uns lauernd, haust der Wald,
Der nie wie du mich schweißte
An sich, du grau Asphalt!

Wenn es beginnt zu dämmern,
Der Lärm sich bläht und hebt,
Die Presslufthämmer hämmern,
Dass dir dein Hirn verklebt:
Da mag sich’s bei dir handeln
Um trübes Erdenleid,
Da sollst du müde wandeln
In tauber Trägigkeit!

Da prangt in Neonfarben
Ein schrilles, buntes Wort
Vom rechten Geistesdarben,
Und dass die Seele fort.
Zu faul, sie nicht zu glauben,
Die Worte mir so wurst,
Wollt’ nie mir nicht erlauben
Vermess’nen Kenntnisdurst.

Bald werd ich von dir müssen,
Ver- in den Wald mich ziehn,
An schmutzbewegten Flüssen
Im Geiste zu dir fliehn;
Und mitten in dem Leben
Wird Hektik und Verkehr
Mir noch im Schädel kleben,
So bleibt mein Hirn hübsch leer.


Die zwei Gazellen

Es sprangen zwei ranke Gazellen
(Aussterbensunbedroht)
Nicht nachdenkend in die hellen
Kraftenden, saftenden Wellen,
Ertranken sich dabei tot.

Das machte die weiter nicht bangen,
Die hatten, als Tiere, nie
Zu Höherm als Sein gelangen
Wollen, und wie sie so sprangen,
Schoss manchmal wer auf sie. – –

Die Erste, die blieb ungetroffen,
Aus Gründen von vieler Falt;
Mal war sie zu schräg geloffen,
Mal war auch der Jäger besoffen,
So wurd’ sie recht sorgenfrei alt.

Der Zweiten plautzten und flogen
Die Kugeln ins Federkleid,
Das schmerzesglänzend durchzogen
Vor Dunkelrot saftende Wogen
Ziemlicher Zähigkeit.

Und wie ihr heilten die Mahle,
Da wars geschehn um sie bald,
Im Fell, als Altersfanale,
Sich häuften der Stellen kahle
Und in ihre Daunen weht’s kalt.

Jetzt ham die Gazellen die Wellen
Des Meeres weit über sich;
Und Zwischen Garnelln und Makrellen
Die Bäuche vor Wasser ihn’n schwellen –
Ach Gott, und was kümmert es Dich!