Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Gedicht] Am Scheideweg
Jerome Denis Andre
08.01.2010, 16:50
Am Scheideweg
Frau Leben steht am Scheideweg
wo sie noch nie gestanden war.
Von Depressionen - Trauer - Krieg
zersaust ihr bodenlanges Haar.
Tränen kullern. Kühl Gewissen !
Ihr zitternd zarter Körper bebt.
Und ihre Seele: halb zerissen,
weil alles leidet, was da lebt.
Leidet, hasst, zerstört und mehr.
So Schwindet langsam ihr die Kraft,
Ihr Kopf gesenkt, ihr Blick ist leer,
dank einer Schöpfung, die nicht schafft.
So bedecken Kratzer, tiefe Wunden,
schamlos ihren Körper - blank.
Von eig'ner Schöpfung ward geschunden,
ihr Optimismus tief versank.
Schon setzt sie an die Brust das Messer,
von Tränen und von Schweiß verklebt.
Denn dieser Weg macht alles besser,
vernichtet Alles - was da lebt.
Da säuselt ihr sanft zu, der Wind,
der sich auch heimlich Hoffnung nennt.
"Kennst du die Zukunft denn, mein Kind,
die man selbst als du schwer erkennt ?"
"Behalte wenn du willst dein Messer
und schärfe es - doch warte noch,
ob Geschaff'nes wird nicht doch noch besser.
Wenn's wird - doch stirbt - wär's schade doch.
Ob sie verharrt, und ob sie sticht,
hängt nun von unser'n Leben ab.
Drum lasst uns suchen nach dem Licht;
Uns ändern, denn die Zeit ist knapp.
Jerome Denis Andre
08.01.2010, 22:23
Konstruktive Kritik ist BTW. erwünscht.
estapolis
08.01.2010, 23:03
Grundstimmung und Thema gefallen mir, allerdings schleichen sich oft 'Fehler' ein. Die werde ich noch schnell ansprechen (ich bin müde :().
-------------
Frau Leben steht am Scheideweg
wo sie noch nie gestanden war. <--- gramm. falsch. "sie hatte gestanden". es gibt zwar 'gestanden' als Adjektiv, ist aber seltsam in diesem Kontext.
Von Depressionen - Trauer - Krieg
zersaust ihr bodenlanges Haar. <--- "bodenlang" wirkt seltsam, abstrakt. vielleicht auch so gewollt (wie lang ist denn boden?). bringt zudem den Rhythmus aus den fugen, wenn ich mich nicht verlese.
Tränen kullern. Kühl Gewissen !
Ihr zitternd zarter Körper bebt.
Und ihre Seel' ist halb zerissen,
weil Alles leidet, was da lebt. <--- starke strophe! Paar Tipp- bzw. Flüchtigkeitsfehler, aber was solls. (Kühl', zerrissen, alles)
Leidet, hasst, zerstört und mehr. <--- liest sich nicht sehr elegant. was bedeutet "mehr"? wirkt nicht sehr literarisch.
In Dunkelheit sieht sie kein Licht.
Ihr Kopf gesenkt, ihr Blick ist leer,
denn ihre Schöpfung, die schafft nicht. <--- Rhythmus hier verdaddelt. Die Pause zwischen "Schöpfung" und "die" zerstört den Lesefluss.
So bedecken Kratzer, tiefe Wunden,
schamlos ihren Körper - blank.
Von eig'ner Schöpfung ward geschunden,
ihr Optimismus tief versank. <--- wieder zerstört der letzte vers den rhythmus. du scheinst das zu unterschätzen. "Optimismus" sprengt hier wohl den Rahmen.
Schon setzt sie an die Brust das Messer,
von Tränen und von Schweiß verklebt.
Denn dieser Weg macht alles besser,
vernichtet Alles - was da lebt. <--- stark, der Bindestrich ist unnötig. vll. auch besser "dort" als "da".
Da säuselt ihr sanft zu, der Wind,
der sich auch heimlich Hoffnung nennt.
"Kennst du die Zukunft denn, mein Kind,
die man selbst als du schwer erkennt ?" <--- auch gut. den letzten vers musste ich 2mal lesen, um sen syntax zu verstehen. kann man sicherlich eleganter lösen.
"Behalte wenn du willst dein Messer
und schärfe es - doch warte noch,
ob Geschaff'nes wird nicht doch noch besser.
Wenn's wird - doch stirbt - wär's schade doch. <--- nichts zu meckern. du bist stark bei gesprochener sprache.
Ob sie verharrt, und ob sie sticht,
hängt nun von unser'n Leben ab.
Drum lasst uns suchen nach dem Licht;
Uns ändern, denn die Zeit ist knapp. <--- der letzte Vers endet mit einem eher unschönen Wort (phonetisch gesehen). Vielleicht wäre eine weibliche Kadenz hier besser. Sonst ne schöne Strophe, fängt die Atmosphäre noch einmal gut ein.
-------
Der Inhalt weiß zu gefallen, vll. sehe ich das auch zu eng mit dem Rhythmus. Ist halt mein Geschmack.
Deine Relativsätze ("...was da lebt") wirken leider etwas unsauber, eher gesprochen denn geschrieben. Einige Wörter passen nicht in den Wortschatz des Gedichtes (Optimismus z.B.)
Naja, ich hoffe, ich konnte helfen.
Gute Nacht :)
Mordechaj
08.01.2010, 23:22
Ich bin sehr beeindruckt. Einige kleine Holprigkeiten sind noch drin, auf die ich gleich noch kurz eingehen mag, aber ansonsten ist dir hier wirklich etwas gelungen, worauf du zurecht stolz sein darfst. Was du aber weglassen solltest, ist die letzte Strophe, die hat so was Belehrendes. Dein Leser kommt auf diesen Pfad selbst und die Strophe ist in sich nicht wirklich poetisch. Streich die einfach raus, das Gedicht gewinnt dadurch. ;)
Am Scheideweg
Frau Leben steht am Scheideweg,
wo sie noch nie gestanden war,
von Depressionen, Trauer, Krieg
zersaust ihr bodenlanges Haar.
Tränen rollen. Kühl Gewissen!
Ihr zitternd zarter Körper bebt.
Und ihre Seele: halb zerissen,
weil alles leidet, was da lebt; -
Leidet, hasst, zerstört und mehr.
In Dunkelheit sieht sie kein Licht.
Ihr Kopf gesenkt, ihr Blick ist leer,
denn ihre Schöpfung, die schafft nicht.
So bedecken Kratzer, tiefe Wunden,
schamlos ihren blanken Leib.
Von eigener Schöpfung ward geschunden
all ihr Wollen je von Eitelkeit.
Schon setzt sie an die Brust das Messer,
von Tränen und von Schweiß verklebt.
Denn dieser Weg macht alles besser,
vernichtet alles, was da lebt.
Da säuselt ihr sanft zu der Wind,
der sich auch heimlich Hoffnung nennt.
"Kennst du die Zukunft denn, mein Kind,
die man selbst als du nur schwer erkennt?
Behalte, wenn du willst, dein Messer
und schärfe es - doch warte noch,
ob Geschaffenes wird nicht doch noch besser:
Wenn's wird - doch stirbt - wär's schade doch."
Die kursiven und unterstrichenen Stellen (eine hab ich voll Dreistigkeit selbst geändert, wie du siehst) sagen noch wenig aus bzw. passen nur schlecht in die ansonsten klare Inszenierung. Da solltest du vielleicht noch einmal feilen. Beben und Zittern sind in etwa das gleiche, vielleicht fällt dir hier noch etwas besseres an Attributierung ein.
Ansonsten bin ich wie behauptet sehr beeindruckt, inhaltlich ist das eine sehr reife Leistung, stilistisch hast du dich wirklich zum in der kurzen Zeit bestmöglichen weiterentwickelt und, wenn ich das noch etwas frech anmerken darf, deine Inversionen sind jetzt endlich lesbar. ;)
Klasse jedenfalls, noch ein letzter Schliff und das ist richtig richtig gute Literatur.
Jerome Denis Andre
09.01.2010, 23:47
Grundstimmung und Thema gefallen mir, allerdings schleichen sich oft 'Fehler' ein. Die werde ich noch schnell ansprechen (ich bin müde :().
-------------
Frau Leben steht am Scheideweg
wo sie noch nie gestanden war. <--- gramm. falsch. "sie hatte gestanden". es gibt zwar 'gestanden' als Adjektiv, ist aber seltsam in diesem Kontext.
Von Depressionen - Trauer - Krieg
zersaust ihr bodenlanges Haar. <--- "bodenlang" wirkt seltsam, abstrakt. vielleicht auch so gewollt (wie lang ist denn boden?). bringt zudem den Rhythmus aus den fugen, wenn ich mich nicht verlese.
Nun, bis zum Boden eben :-)
Tränen kullern. Kühl Gewissen !
Ihr zitternd zarter Körper bebt.
Und ihre Seel' ist halb zerissen,
weil Alles leidet, was da lebt. <--- starke strophe! Paar Tipp- bzw. Flüchtigkeitsfehler, aber was solls. (Kühl', zerrissen, alles)
Leidet, hasst, zerstört und mehr. <--- liest sich nicht sehr elegant. was bedeutet "mehr"? wirkt nicht sehr literarisch.
In Dunkelheit sieht sie kein Licht.
Ihr Kopf gesenkt, ihr Blick ist leer,
denn ihre Schöpfung, die schafft nicht. <--- Rhythmus hier verdaddelt. Die Pause zwischen "Schöpfung" und "die" zerstört den Lesefluss.
"Mehr" quasi im Sinne von "etc". Die "Bosheit" der Menscheit beschränkt sich nicht auf das genannte.
Hmm ... Denkst du es wäre besser, wenn ich statt:
"In Dunkelheit sieht sie kein Licht.
[...]
denn ihre Schöpfung, die schafft nicht."
Einsetze:
So Schwindet langsam ihr die Kraft,
[...]
dank einer Schöpfund, die nicht schafft." ?
So bedecken Kratzer, tiefe Wunden,
schamlos ihren Körper - blank.
Von eig'ner Schöpfung ward geschunden,
ihr Optimismus tief versank. <--- wieder zerstört der letzte vers den rhythmus. du scheinst das zu unterschätzen. "Optimismus" sprengt hier wohl den Rahmen.
Ursprunglich war da nicht "ihr Optimismus, sondern "ihre Hoffnung" gestanden ...
Ich bin mir aber nicht sicher ob das besser wäre ...
(rausgenommen hab ich's ja deshalb, weil ich weiter unten den wind mit der hoffnung gleichsetze ...)
Schon setzt sie an die Brust das Messer,
von Tränen und von Schweiß verklebt.
Denn dieser Weg macht alles besser,
vernichtet Alles - was da lebt. <--- stark, der Bindestrich ist unnötig. vll. auch besser "dort" als "da".
Das würde halt etwas, ganz leicht den Inhalt verändern, ... aber gut ... ich denke darüber nach ...
Da säuselt ihr sanft zu, der Wind,
der sich auch heimlich Hoffnung nennt.
"Kennst du die Zukunft denn, mein Kind,
die man selbst als du schwer erkennt ?" <--- auch gut. den letzten vers musste ich 2mal lesen, um sen syntax zu verstehen. kann man sicherlich eleganter lösen.
"Behalte wenn du willst dein Messer
und schärfe es - doch warte noch,
ob Geschaff'nes wird nicht doch noch besser.
Wenn's wird - doch stirbt - wär's schade doch. <--- nichts zu meckern. du bist stark bei gesprochener sprache.
Ob sie verharrt, und ob sie sticht,
hängt nun von unser'n Leben ab.
Drum lasst uns suchen nach dem Licht;
Uns ändern, denn die Zeit ist knapp. <--- der letzte Vers endet mit einem eher unschönen Wort (phonetisch gesehen). Vielleicht wäre eine weibliche Kadenz hier besser. Sonst ne schöne Strophe, fängt die Atmosphäre noch einmal gut ein.
-------
Der Inhalt weiß zu gefallen, vll. sehe ich das auch zu eng mit dem Rhythmus. Ist halt mein Geschmack.
Deine Relativsätze ("...was da lebt") wirken leider etwas unsauber, eher gesprochen denn geschrieben. Einige Wörter passen nicht in den Wortschatz des Gedichtes (Optimismus z.B.)
Naja, ich hoffe, ich konnte helfen.
Gute Nacht :)
:D Danke btw. für die ausführliche Kritik ...
Ich bin sehr beeindruckt. Einige kleine Holprigkeiten sind noch drin, auf die ich gleich noch kurz eingehen mag, aber ansonsten ist dir hier wirklich etwas gelungen, worauf du zurecht stolz sein darfst. Was du aber weglassen solltest, ist die letzte Strophe, die hat so was Belehrendes. Dein Leser kommt auf diesen Pfad selbst und die Strophe ist in sich nicht wirklich poetisch. Streich die einfach raus, das Gedicht gewinnt dadurch. ;)
Die kursiven und unterstrichenen Stellen (eine hab ich voll Dreistigkeit selbst geändert, wie du siehst) sagen noch wenig aus bzw. passen nur schlecht in die ansonsten klare Inszenierung. Da solltest du vielleicht noch einmal feilen. Beben und Zittern sind in etwa das gleiche, vielleicht fällt dir hier noch etwas besseres an Attributierung ein.
Ansonsten bin ich wie behauptet sehr beeindruckt, inhaltlich ist das eine sehr reife Leistung, stilistisch hast du dich wirklich zum in der kurzen Zeit bestmöglichen weiterentwickelt und, wenn ich das noch etwas frech anmerken darf, deine Inversionen sind jetzt endlich lesbar. ;)
Klasse jedenfalls, noch ein letzter Schliff und das ist richtig richtig gute Literatur.
Danke ^^
Hmm ... Deinen Änderungs-Vorschlag zu "Und ihre Seele: halb zerissen," finde ich sinnvoll und habe ihn daher umgesetzt ...
Gar nicht sicher bin ich mir hingegen bei :
"Von eigener Schöpfung ward geschunden"
[...]
"ob Geschaffenes wird nicht doch noch besser:"
denn da komm ich beim Lesen der geänderten Version irgendwie aus dem Rythmus ...
Und was deine Komplett-Änderung angeht. ... Sie hört sich nicht schlecht an, ... Da sie aber doch die Hybris etwas stark hervorhebt denk ich lieber erst nochmal drüber nach, ob ich sie übernehme ...
Jerome Denis Andre
10.01.2010, 15:44
*push*
@ estapolis:
Hmm ... Denkst du es wäre besser, wenn ich statt:
"In Dunkelheit sieht sie kein Licht.
[...]
denn ihre Schöpfung, die schafft nicht."
Einsetze:
So Schwindet langsam ihr die Kraft,
[...]
dank einer Schöpfug, die nicht schafft." ?
estapolis
10.01.2010, 16:08
Sorry, jetzt erst gesehen.
Ja, hört sich viel besser an. Lies mal laut beide Versionen vor, dann merkst du warum das zweite eleganter ist :)
Mordechaj
10.01.2010, 16:09
[QUOTE]Gar nicht sicher bin ich mir hingegen bei :
"Von eigener Schöpfung ward geschunden"
[...]
"ob Geschaffenes wird nicht doch noch besser:"
denn da komm ich beim Lesen der geänderten Version irgendwie aus dem Rythmus ...
Was ich eben immer sehr blöd finde, ist dieses Apostroph mitten im Wort: Das macht man nur, wenn man irgendeinen Dialekt hervorheben will. Im lyrischen Lesen nimmt man so eine Synkope von selbst vor, da braucht man dieses Apostroph nicht, weil das unbetonte e praktischer Weise immer wegfallen kann (bei den Franzosen ist das Gang und Gebe in der Sprachpraxis).
Und was deine Komplett-Änderung angeht. ... Sie hört sich nicht schlecht an, ... Da sie aber doch die Hybris etwas stark hervorhebt denk ich lieber erst nochmal drüber nach, ob ich sie übernehme ...
Es ist ja auch nur ein Vorschlag, denn du keineswegs so hinnehmen sollst. Gerade dieses "all ihr Wollen je von Eitelkeit" will eigentlich nur den Reim schließen und ist alles andere als adaptionswürdig. Pick dir raus, was dir übernehmenswert erscheint und ändere um, was du anders haben willst und belasse, was du belassen willst. Ich gebe lediglich Anhaltspunkte für problematische Stellen und versuche gleich eine Ansatzlösung zu geben. Alles andere liegt selbstverständlich in deiner Hand. ;)
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