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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Und ging ich auch durch das finstere Tal...



Entropy
24.11.2009, 22:58
Wundert mich ein wenig, dass dieses Thema hier noch nicht diskutiert wird. Zumindest hatte ich noch nichts gefunden. War mir am Ende auch nicht ganz sicher, ob dass nun hierhin oder in den Sumpf gehört.
Es geht um die Depression.


Depression ist eine ganz normale Krankheit... wie... Krebs

In den Medien wird das Thema ja aus aktuellem Anlass komplett auseinander genommen und wieder falsch zusammen gesetzt. Ich habe selber 4 Jahre meines Lebens "im Nebel" verbracht und damit kostbare Zeit verschwendet. Trotzdem - oder gerade deswegen - denke ich das alles ein wenig zu überdreht dargestellt ist und in Deutschland zu viel gejammert wird.
Hat jetzt jeder Schüler in der Pubertät Depressionen oder jeder Angestellter, der mal eine stressige Phase durchlebt? Bei jedem der selbst von sich sagt, er habe die Krankheit, denk ich mir nur immer "Reiß dich doch einfach einmal richtig zusammen und dann läuft's wieder". Bin ich zu hart? Zu ignorant um den Schmerz zu verstehen den ich selbst am eigenen Leib erlebt habe?

Es ist wohl wie mit dem rauchen. Man sagt zumindest immer, Ex-Raucher seien die militantesten Nichtraucher. In meinem Fall stimmt das wohl auch :D Als Ex-Depri freue ich mich am Leben - zumindest bin jetzt.

Leon der Pofi
25.11.2009, 18:29
um diesen irrtum zu mindern, müssten die menschen erst einmal so intelligent sein und auf ausdrücke wie "ich bin heute so depressiv" verzichten. das wort wird zu leichtfertig benutzt und die meisten menschen, die denken sie sind depressiv, besitzen höchstens eine depressive verstimmung, aber weder wahnvorstellungen, selbstmordversuche, gedanken, halluzinationen und andere symptome bzw ärztliches gutachten. ich persönlich finde das derzeitige vorgehen lächerlich und anmaßend, dass nun nach dem selbstmord dieses torwarts (?), alle drittklassigen prominenten plötzlich depressionen offenbaren.

das gleiche, leidige thema bei persönlichkeitsspaltung und schizophrenie, was viele in einen topf werfen
wenn der kleine, verwirrte teenager in der kalten, pubertierende welt jammert, er sei depressiv, darf man das nicht sofort ernst nehmen

FF
25.11.2009, 19:35
Naja. Das unterschätzen a la "jeder ist mal Traurig" usw. ist aber auch verkehrt; ein offnener Umgang mit dem Thema kann eigentlich kaum schaden. IMO. Und die Psychologen freuen sich über Kundschaft.

Ich hatte über ein Jahr hinweg eine leichte Depression. War nicht schön, jetzt ist es vorbei, soll nicht wieder vorkommen.

Ty Ni
25.11.2009, 19:59
Ich habe gehört, dass es Menschen gibt, die zu wenig Glückshormone produzieren und ich weiß bis heute nicht, ob ich den Kram glauben soll, oder ob der Mensch, der Depressionen hat "selbst schuld an seiner Lebenseinstellung ist" :rolleyes:
Oder ob vielleicht sogar beides wahr ist.

Hatte ein paar Jahre lang ne mittelschwere Depression. Definitiv eine der Sachen, die ich niemandem wünsche.
Ich will gar nicht wissen, wie es Menschen mit einer schweren Depression geht.

Ich glaube nicht, dass jeder rumplärrende Teenager, der behauptet Depressionen zu haben, einfach nur aufmerksamkeitsgeil ist.
Meiner Meinung nach ist man in dieser Phase des Lebens einfach sehr viel anfälliger für depressive Neigungen.
Dass das nicht unbedingt mit einer richtigen Depression gleichzusetzen ist, versteht sich von selbst. Trotzdem, diese drepressiven Phasen und Neigungen spöttisch abzutun ist meiner Meinung nach genau so falsch, wie deren Überbewertung.
Gerade, wenn man in so einer Situation Spott erntet, ist es wahrscheinlicher, dass man in was Handfestes abrutscht.

BDraw
25.11.2009, 22:44
Ich habe gehört, dass es Menschen gibt, die zu wenig Glückshormone produzieren und ich weiß bis heute nicht, ob ich den Kram glauben soll, oder ob der Mensch, der Depressionen hat "selbst schuld an seiner Lebenseinstellung ist" :rolleyes:
Oder ob vielleicht sogar beides wahr ist.

Ich weiß nicht ob es an jetzt definitiv an den Glückhormonen liegt, aber eine medizinische Ursache ist etwa, dass Botenstoffe im Gehirn nicht so funktionieren wie sie sollen. Das sind dann auch die Fälle wo man ohne Medikamente definitiv nicht weiterkommt.
Ich hab n leichtes Problem mit dem "selbst Schuld an seiner Lebenseinstellung": Ich denke nicht,d ass das so einfach ist wenn man ne richtige Depression hat, bzw. wenn man sie hat, ist da nicht viel mit Lebenseinstellung überdenken.
Ich hab das Ganze bei nem Angehörigen mitbekommen, der sehr schwere Depressionen hatte, da ist generell in Sachen denken nicht mehr viel drin. Besagte Person beschrieb mir jedenfalls, dass so ziemlich der einzige Gedanke ist, dass man will dass der Zustand Depression aufhört - bzw. das Leiden.
Jetzt kenne ich zugegebenermaßen nur diese eine Seite der Medaille, aber gerade daher tu ich mich mit solchen Aussagen etwas schwer...

Was diese "Teenager-Depressionen" angeht: Ich denke tatsächlich dass die meisten einfach nur rumheulen weil die Welt ja so unfair ist und ihnen nicht alles auf dem Silbertablett serviert. Ich kenne so einige Leute die leichtfertig das Wort Depression benutzen und dann, bei näherem Nachfragen, stellt sich heraus, dass sie "abgefuckt sind, weil ihnen einfach alles auf den Piss geht im Moment" (Originalzitat). Und wenn man sich die Details anhört lässt sichs dadrauf reduzieren: Besagte Person hat keinen Bock auf ihre Pflichten, nimmt aber alles Angenehme mit Freuden wahr - und wundert sich wenn's knallt.
Und solche Leutchen sind zumindest in meiner Umgebung kein Einzelfall, und die brabbeln dann alle von Depression, auch wenn's ihnen zwei tage später besser geht als je zuvor.
Aber stimmt schon, man darf auch nicht ausschließen, dass da immer ein paar wenige dabei sind, die echt was haben. Ist dann eben die Gefahr dabei, wenn man erstmal alles abtut.

EDIT:

Das ein Teil des kindlichen Weltvertrauens im Zuge der Pubertät auf der Strecke bleibt, ist verständlich, aber Depressionen sind was ganz anderes als dieser Prozess.

Der letzte Teil des Satzes ist es worauf ich hinauswollte... Nur eben präziser und in Kurzform. ^^"

Ianus
25.11.2009, 22:58
Ich denke tatsächlich dass die meisten einfach nur rumheulen weil die Welt ja so unfair ist und ihnen nicht alles auf dem Silbertablett serviert. Die meisten sind einfach schockiert, dass sie plötzlich nicht mehr wirklich sind, was sie noch vor einem Jahr waren. Es ist doch herb, wenn bemerken muss, dass man nicht einmal über sich selbst einen Griff hat, dass der Körper, das Stück Welt, das einem am nächsten ist ebenfalls nicht ganz zu einem selbst gehört. Das ein Teil des kindlichen Weltvertrauens im Zuge der Pubertät auf der Strecke bleibt, ist verständlich, aber Depressionen sind was ganz anderes als dieser Prozess.

Leon der Pofi
26.11.2009, 07:59
das schlimmste bei einer depression dürfte neben den teilweise vorhandenen selbstmordgedanken, dass unwirkliche gefühl sein. es kann durchaus so tiefgreifend werden, dass die menschen sich selbst nicht mehr spüren können, oder sogar zu einem gewissen teil schmerzunempfindlich werden, was wiederum zu selbstverletzenden verhalten führen kann. dieses hat durchaus einen sinn. neben dem effekt, dass sich die betroffene person durch den schmerz selbst wieder spüren kann und diese innere spannung minimiert wird, werden durch selbstverletzendes verhalten auch endorphine freigesetzt, was tatsächlich zu einer momentanen besserung, sogar glücksgefühl führt. das problem hierbei ist nur, dass man sich dann besser fühlt, die probleme und sorgen jedoch noch vorhanden sind (die ironischerweise bei depression gar nicht existieren müssen um depressiv zu sein, biochemisch und neurologische ursachen). wenn die besserung nachlässt, verstärkt sich alles zunehmend, weil das gefühl nach wie vor vorhanden ist, aber nun das eigene handeln auch noch zusätzlich belastet, dann muss man sich vielleicht auch noch vorwürfe vom sozialen umfeld anhören, weil man diesen sorgen bereitet, ausreden beim arzt erfinden, was natürlich die depression wieder verstärkt.

es ist irgendwo ein teufelskreis, aus dem man nur schwer wieder rauskommt

Jiko
30.11.2009, 17:09
Hat jetzt jeder Schüler in der Pubertät Depressionen [...]?

Nein. :)
Ich habe die Pubertät depressionsfrei überstanden.

Ich bin zwar in letzter Zeit ziemlich schlapp und durch den viel zu frühen Tod zweier Familienmitglieder dieses Jahr traurig, aber nicht depressiv.
Ich frage mich manchmal, wie es ist, dass jemand so arg runtergezogen werden kann, aber wenn ich dann von den Depressionen höre, bin ich auch irgendwie froh, es nicht zu wissen.

Hero of Happiness
30.11.2009, 18:53
Ich persönlich finde auch, dass die Grenzen zwischen einer Depression und einem allgemeinen "schlecht drauf sein" nicht ganz klar unterscheidbar sind. Ich bin trotzdem vorsichtig geworden wenn es darum geht, leichtfertig mit solchen Erscheinungen umzugehen. Einerseits würde ich auch nicht wollen, dass ich nicht ernstgenommen wenn es mir wirklich schlecht geht, andererseits habe ich schon mehr als eine mir wichtige Person an Depressionen verloren. Meine Mutter war Manisch Depressiv. Davon habe ich als Kind relativ wenig mitbekommen, zu dem Zeitpunkt wusste ich nichtmal, dass es sowas gibt. War vielleicht auch besser so, ich hätte mir vermutlich eh nur zu viele Sorgen gemacht. Erfahren hab' ichs dann erst nachdem sie Selbstmord begangen hat.

Danach gings mir selber auch sehr schlecht, ich kann nicht sagen ob ich depressionen hatte, ich halte aber an dem Glauben fest, dass ich keine hatte. Und obwohls mir jetzt immernoch, oft scheinbar willkürlich oder wegen Kleinigkeiten, ziemlich schlecht geht glaube ich bei mir trotzdem nicht an Depressionen. Es ist mehr eine andauernde leichte Übellaunigkeit. Trotz dieser ist meine Lebenseinstellung grundsätzlich positiv und ich habe auch nicht vor daran in nächster Zeit was zu ändern.

Trotzdem nehme ich Depressionen als Krankheit natürlich ernst, sollte ja aus meinem Post hervorgehen.

duke
30.11.2009, 23:05
Depressionen sind fies. Wenn man irgendwann verschiedene Sachen in sich reinfrisst, dadurch dann immer mehr und mehr kaputt geht... und am Ende überhaupt keine Lust und Freude mehr am Leben hat. Kenn ich mich mit aus. Hab ehrlich gesagt auch kein Bock mehr, in so eine "Lebenssituation" zurück zu rutschen. Auch wenn ich irgendwie denke, dass jemand der im Leben schonmal stärkere Depressionen hatte, diese auch irgendwie, wenn auch nur minimal behält und immer mal Momente hat, in denen der Wille so leicht gebrochen wird und man nachdenklich wird.

Whiz-zarD
30.11.2009, 23:27
Hat jetzt jeder Schüler in der Pubertät Depressionen oder jeder Angestellter, der mal eine stressige Phase durchlebt? Bei jedem der selbst von sich sagt, er habe die Krankheit, denk ich mir nur immer "Reiß dich doch einfach einmal richtig zusammen und dann läuft's wieder". Bin ich zu hart? Zu ignorant um den Schmerz zu verstehen den ich selbst am eigenen Leib erlebt habe?


Jeder, der auf eine Art und weise depressiv ist, ist Krank. Es kommt drauf an, wie stark diese Depression ist. Bei vielen ist das nur ein gejammer, weil sie mit ihrer jetzigen Situation nicht zurecht kommen. Das kann ein Zeichen für Stress sein, sprich Burn-Out-Syndrom. Bei einigen ist das aber Hausgemacht. Sie reden sich ein, sie wären Depressiv.
Bei mir war das so eine Mischung aus Burn-Out und Bore-Out.
Auf der einen Seite war ich tierisch gestresst von der Arbeit, da der Chef mir im Nacken saß und ich mich ewig mit diesen arroganten Ingenieuren rumplagen musste, die nie irgendwas richtig hinbekommen haben und ich deren Pfusch zurecht pfuschen musste, sodass es auch funktionierte aber auf der anderen Seite war der Job doch recht eintönig und langweilig und war nicht das, was ich jemals machen wollte.
Jeden Tag, wenn ich das Werksgelände betreten hatte, hätte sofort kotzen und danach schreiend weglaufen können.
Hinzu kam dann noch eine Geschichte mit einem Mädel.

Irgendwann hab ich eingesehen, dass ich schleunigst was ändern muss ansonsten hätte man mich früher oder später in eine Psychiatrie einweisen können. Ich hab mich dann auf einer neuen Schule angemeldet und meinen Job gekündigt und lern nun das, was ich schon vornherein machen wollte: programmieren.

Mittlerweile geht es mir auch schon weitaus besser. Hab auch wieder kontakt zu älteren Freunden. Allerdings verlangt die Schule viel von mir ab, sodass ich nicht wirklich viel Zeit habe, mich mit denen zu treffen. Seit Wochen sitze ich hier schon meist bei 1 Uhr nachts und programmier die Übungen. Ist zwar auch stressig aber es macht spaß, auch wenn es Frustmomente gibt, wenn nichts klappt ^^