Ergebnis 1 bis 12 von 12

Thema: Cluege Köpfe - Wissenswertes #1

Hybrid-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #1
    Trugschluss des Ermittlers
    --------------------------------------------------------------

    Zuerst mal: <3 Spektrum der Wissenschaft !!!

    Wie entscheidet man, ob ein angeklagter Täter schuldig oder nicht schuldig ist? Man genehmigt sich das Argument, dass man einen angeklagten Täter für schuldig halten könne, sofern er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Täter ist. Und vor allem würde man Ihn doch verurteilen, sobald er gesteht? Da steckt sehr viel mehr dahinter, man könnte eigendlich über fast jedes gepostete Thema ein Thread eröffnen, aber ich wills trotzdem versuchen mein Thread zum Erfolg (was natürlich nicht der Sinn des Threads ist) zu bringen.
    Ihr kennt die DNA-Analysen, die als Beweismittel dienen. Als Normalsterblicher würde wohl so gut wie jeder denken, weil es einem ja mehr als Tausend mal im Fernsehen berichtet wird, das man jeden an seiner DNA indentifizieren kann. Doch die Technik ist neu und man weiss nicht genau, was man daraus ableiten soll. Es wird nicht die Wahrscheinlichkeit hinterfragt, sondern schliesst durch durch die Übereinstimmung der Fingerabdrücke auf den Täter.

    Journalist Robert A. J. Matthews hat nun aber auf ein ttraditionelleres Beweismittel Reaktion gezeigt und es hinterfragt und analysiert: Das Geständnis.
    Früher war ein unbezweifelhafter Schuldbeweis schon die Folgerung des Geständnisses, was oft unter Druck hervorgerufen wurde. Heute verbietet man jedoch diesen Zwang beim Verhör, weshalb man allgemein dazu neigt, ein Geständis für voll zu nehmen. Jedenfalls glaubt man, dass die Wahrscheinlichkeit der Täterschaft nach einem Geständis größer sei als zuvor. Dieser Trugschluss ist aber unter Umständen falsch und es kann sein das ein Unbeteiligter die Tat gesteht, die er nicht begangen hat. Deswegen ist man bei Geständissen skeptisch, die unter psychischem Druch erlangt wurden.

    Beispiel der Familie Müller:

    Ihr habt Nachbarn, die Müllers. Als ihr sie trefft, erzählen sie euch, dass sie 2 Kinder haben. Auf die Frage: "Haben Sie eine Tochter?" antwortet Frau Müller mit "Ja".
    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch das andere Kind ein Mädchen ist?
    Nehmen wir mal an, Jungen und Mädchen sind gleichhäuftig in der Bevölkerung, dann würden wohl die meisten intuitiv auf 1/2 schätzen, dass es ein Junge oder ein Mädchen sei. Schauen wir uns die Möglichkeiten an, dann sehen wir, dass es 4 Stück gibt:
    JJ,JM,MJ,MM. J und M steht für Junge und Mädchen und das ältere Kind wird jeweils zuerst genannt. Jede Möglichkeit hat 1/4, dass sie eintrifft. Es gibt ein Mädchen, also erfüllen JM,MJ und MM die Vorrausetzung, dass es wenigstens ein Mädchen gibt, also: 1/3
    Nehmen wir an, ihr wisst über die Müllers etwas mehr, nämlich dass ihr älteres Kind ein Mädchen ist. Wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass auch das jüngere ein Mädchen ist? Diesmal gibt es 2 Optionen: MJ und MM, also ist die Wahrscheinlichkeit 1/2.
    Wer glaubt, dass die 3 Fälle "zwei Jungen", "zwei Mädchen" und "gemischt" seien gleichwahrscheinlich, weil es nicht darauf ankommt, zwischen JM und MJ zu unterscheiden, kann ja gern mal 2 Münzen hinreichend viel mal werfen und schauen was rauskommt. Die gemischte Kombination wird sich ca. in der Hälfte einpendeln (und nicht zu einem Drittel). Die bedingte Wahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit eines Ereignis unter der Voraussetzung, dass ein anderes mit sicherheit eingetreten ist.

    Am Beispiel der Müllers: Eines Tages seht Ihr die Familie der Müllers im Garten. Ein Kind ist offensichtlich ein Mädchen, das andere wird teilweise von einem Hund der Familie vereckt, so das man das Geschlecht nicht erkennt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass Müllers zwei Mädchen haben?
    Jetzt denkt ihr sicherlich, dass es eigendlich auch 1/3, wie beim vorigen Fall, sein müsste.
    Nicht aber wenn man so argumentiert: "Das Kind, das nicht mit dem Hund spielt, ist ein Mädchen." Also ist das wie beim 2. Beispiel, dass die Wahrscheinlichkeit 1/2 ist.
    Aus der Sicht der Müllers hinwiederum, wissen die Müllers, das es ihr Sohn ist, der mit dem Hund spielt, also ist die Wahrscheinlichkeit Null. Wer hat nun Recht?
    Die einfachste Interpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs bezieht sich auf eine Prognose künftiger Ereignisse: Beim nächsten Wurf eines Würfels, wird er mit der Wahrscheinlichkeit 1/6 eine 4 zeigen. Bei den Fragen nach den Kindern bei den Müllers und nach der Täterschaft eines Verdächtigen geht es aber um Ereignisse, die längst stattgefunden haben. Die zugehörigen Wahrscheinlichkeitsaussagen spiegeln deshalb nicht eine objektive Realität, sondern im wesentlichen die lückenhafte Kenntnis dessen, der die Ausage macht, wieder. Also ändert sich die Wahrscheinlichkeit mit dem Kenntnisstand. Beispiel der Verwechslung von objektiver und subjektiver Wahrcheinlichkeit ist ja das Ziegenproblem (sollte man kennnen - in Wikipedia gut erklärt), bei dem sich schon viele Wissenschaftler blamierten...
    Man muss also eine Beobachtung wie "eines von zwei Kindern ist ein Mädchen" interpretieren, als wäre sie das Ergebnis eines Zufallsexperiment. Man muss die Gesamtheit betrachten, eine Sichprobe aus einer großen rundgesamtheit. Besteht diese aus zahlreichen Familien mit 2 Kindern, von denen jedes ab und zu mit dem Hund spielt? Oder nur aus solchen, bei denen stehts nur eines der beiden Kinder mit dem Hund spielt? Oder nur aus Familie Müller, in welchem Falle die Wahrscheinlichkeitsrechnung ohnehin unangebracht ist? Es würde auch nichts bringen, einfach die Augen vor dem Kind zu verschliessen, das das eindeutige Mädchen ist und zu sagen: "Unabhängig davon, welches Geschlecht das eine Kind hat, ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das andere ein Mädchen ist, gleich 1/2". Denn allein schon "das andere" kann man dann nicht mehr benutzen, denn welches wäre das andere? Würde man sich davor aber auf ein Kind festlegen, wie zum Beispiel auf das ältere, dann würde diese Information wieder zu einer Änderung der bedingten Wahrscheinlichkeit führen. Denn "das ältere Kind ist ein Mädchen" enthält mehr Information als "mindestens eines der Kinder ist ein Mädchen": Aus der ersten folgt die zweite, aber nicht aus der zweiten die erste.

    Trugschluss des Angeklagten:
    Es ist ein beliebter Trick von Juristen, die mathematische Unkenntnis eines Gerichts für sich zu nutzen. Ein Beispiel ist der sogenannte Trugschluss des Anklägers, bei der DNA-Profilanalyse. Es geht um ein Abschnitt des DNA-Molekühls, in denen sich eine bestimmte Sequenz sehr oft wiederholt. Allgemein glaubt man, dass VNTR-Sequenzen (solche Abschnitte im DNA-Molekül im menschl. Erbgut) ein Individuum eindeutig indentifizieren.
    Man nimmt eine Probe von einem Hautfetzen des Opfers und eine des Verdächtigten. Stimmen beide in hinreichend vielen verschiedenen VNTR-Regionen überein, sollte das ein schlagender Beweis dafür sein, dass sie von derselben Person stammen.
    Der Trugschluss besteht hier in der Verwechslung zweier verschiedener Wahrscheinlichkeiten. Die aus dem Ergebnis der DNA-Analyse zu errechnende Übereinstimmungswahrscheinlichkeit beantwortet die Frage: "Wie wahrscheinlich ist es, dass die DNA-Proben übereinstimmen, unter der Voraussetzung, dass der Angeklagte unschuldig ist?" Aber die für das Gericht entscheidende Frage ist doch: "Wie wahrscheinlich ist es das der Angeklagte unschuldig ist, unter der Annahme, dass die DNA-Proben zusammenpassen?"
    Nehmen wir an, ein Labor hat fand eine Übereinstimmung, die aber durch die Wahrscheinlichkeit 1 zu einer Million zustande gekommen ist, so klingt das zunächste wie ein totaler Schuldbeweis. Es sagt aber nichts weiter, als dass man unter zehn Millionen Menschen zehn mit einer solchen Zufallsübereinstimmung findet. Nehme man dieses Beispiel in New York war, dann wären das unter zehn Millionen Menschen 10 Leute. Und das wäre keine gute Grundlage für eine Verurteilung. Anders wäre es natürlich, wenn man eine wesentlich kleinere Anzahl Menschen nähme, die in Betrachte gezogen werden könne.

    Die Anwendung bedingter Wahrscheinlichkeiten in solchen Fällen wird einem Satz von Thomas Bayes zugeschrieben. Seien A und C Ereignisse, die mit der Wahrscheinlichkeit P(A) bzw. P(B) eintreten. Dann gibt es die Wahrscheinlichkeit P(A|C), dass A eintritt, unter der Voraussetzung, dass C mit Sicherheit eingetreten ist. A&C ist das Ereignis, dass sowohl A als auch C eingetreten sind.
    • Der Bayessche Satz sagt nun P(A|C)=P(A&C)/P(C)

    Angewendet auf Familie Müller wäre C die Beobachtung "wenigstens ein Kind ist ein Mädchen" und A "das andere Kind ist ein Mädchen".
    P(C) = 3/4
    P(A&C) = 1/4
    P(C) ist 3/4, weil es mindestens ein Mädchen gibt, also JM,MJ und MM. Und A&C ist das Ereignis MM, das beide Kinder Mädchen sind. Dann folgt aus dem Bayesschen Satz, dass die Wahrscheinlichkeit, dass auch das andere Kind ein Mädchen ist, unter der Voraussetzung, dass wenigstens ein Kind ein Mädchen ist, zu (1/4)/(3/4) = 1/3 , was unsere Annahme bestätigt. Beim zweiten Beispiel wäre die Warscheinlichkeit dann 1/2.

    Robert Matthews hat nun aus dem Satz von Bayes eine Formel hergeleitet, mit der man zeigen kann, dass ein Geständnis die Schuldwahrscheinlichkeit verringern kann, nämlich dann, wenn unter den gegebenen Umständen eine unschuldige Person mit größerer Warshceinlichkeit gesteht als eine schuldige. Nun neigt ein Mensch um so eher zu einem falschen Geständnis, je beeinflussbarer oder nachgiebiger er ist. Diese Eigenschaften wird man gerade bei hartgesottenen Terroristen kaum finden.
    Es gibt weitere Ergebnisse der Bayesschen Analyse, die dem gesunden Menschenverstand zuwider laufen. Kommt etwa zueinem ersten Indiz X später ein weiteres Y hinzu, so wird das Gericht in aller Regel annehmen, dass sich die Warhscheinlichkeit für die Schuld des Angeklagten nun erhöht habe. Das gilt aber nur, wenn die Wahrscheinlichkeit für Y unter der Voraussetzung, dass X vorliegt und der Angeklagte schuldig ist, größer ist als diejenige für Y unter der Voraussetzung, dass X vorliegt und der Angeklagte unschuldig ist.
    Wenn die Argumentationen des Staatsanwalts von einem Geständnis abhängt, können zwei sehr unterschiedliche Dinge passieren. Im einen Falle sei X das Geständnis und Y ein Beweis, der daraufhin gefunden wird - beispielsweise eine Leiche an dem Ort, den der Angeklagte bezeichnet hat. Da ein Unschuldiger solche Informationen über die Leiche am Ort, kaum geben kann, ergibt die Bayessche Analyse, dass die Schuldwahrscheinlichkeit sich erhöht hat.
    Andererseits könnte X ein Leichenfund sein und Y ein nachfolgendes Geständnis. In deiesem Falle hängt der Beweis, den der Leichenfund liefert, nicht vom dem Geständnis ab, kann es also auch nicht bestätigen.

    Geschworene, die sich mit solchen einigen einfachen Prinzipien beschäftigen, können schon irreführende Plädoyers auf einen anderen Weg weisen.

    Geändert von Jinjukei (15.04.2006 um 13:50 Uhr)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •