Ich möchte ein Thema wieder aufgreifen, das ich ab und zu schon mal angesprochen hab: Das Verhalten von Figuren in Geschichten.

Ein Charakter wird kritisiert, weil er sich nicht glaubwürdig bzw. unlogisch verhalten soll. Der Vorwurf ist grundsätzlich legitim, aber ich find, dass er oft zu vorschnell kommt, weil der Unzufriedene mMn wichtige Punkte außer Acht lässt. Zwei der Punkte erwähn ich diesmal nur am Rande: Zum einen ist es wie so oft subjektiv, ob sich eine Figur glaubwürdig verhält oder nicht. Man kann zu einem intersubjektiven Konsens kommen, aber dadurch werden andere Meinungen natürlich nicht widerlegt. Zum anderen wurden viele Figuren idealisiert und überzeichnet, sie sollen gar keine realen Menschen abbilden, demnach ist es unausweichlich, dass sie sich auch nicht wie reale Menschen verhalten. Ich würde sogar sagen, dass sie gerade deswegen unterhalten, weil sie anders als echte Menschen sind. Bei solchen Figuren kommt es dann eher auf die Konsistenz an. Doch um diese beiden Punkte geht es mir diesmal nicht.

Heute möchte ich darüber sprechen, dass sich auch reale Menschen nicht immer logisch verhalten. Wir tun es vielleicht, wenn wir viel Zeit zum Nachdenken haben, während Taten und Worte aus dem Affekt oft alles andere als logisch (und gut) sind. Jeder von uns wird sicherlich schon mal etwas Dummes gesagt oder getan haben und Entscheidungen bereuen, manchmal sogar, obwohl wir viel Zeit für sie hatten. Wir werden von unseren Emotionen beherrscht. Je unsicherer wir uns fühlen, desto schwerer fällt es uns, die "richtige" Entscheidung zu treffen und das Sprichwort "Angst ist ein schlechter Ratgeber" hat einen sehr wahren Kern. Eigentlich ist Angst ja nützlich, weil sie uns vor Gefahren warnt und rechtzeitig flüchten lässt, aber sie kann leider schnell aus dem Ruder laufen. Wenn sie Überhand nimmt, glaubt man die absurdesten Dinge. Je stärker ein Gefühl ist, desto stärker beeinflusst es unsere Wahrnehmung und unser Verhalten.

Das beißt sich mit den Ansprüchen, die an fiktive Figuren gestellt werden. Etwas überspitzt gesagt wird erwartet, dass sie sich klüger und rationaler als echte Menschen verhalten. "Ich hätte das ganz anders gemacht", "Entscheidung x wäre viel besser gewesen" - das ist leicht gesagt, wenn man gemütlich vor dem Bildschirm sitzt. Ich geh davon aus, dass die meisten von uns noch nie in so einer Situation, wie die Figuren aus den Geschichten waren und dann haben die Charaktere oft auch noch eine ganz andere Persönlichkeit. Die Entscheidungen, die eine Figur trifft, sollten mMn von folgenden Faktoren abhängen: Von ihrer Persönlichkeit, von der aktuellen Situation, von der emotionalen Verfassung des Charakters und von den Entscheidungen, die die Figur zuvor getroffen hat. Falls der Charakter etwas tut, was diesen Faktoren deutlich widerspricht, dann kann ich verstehen, wenn man ihm vorwirft, unglaubwürdig zu handeln. Aber man sollte nicht pauschal erwarten, dass die Charaktere stets kluge und rationale Entscheidungen treffen, dadurch würden sie irgendwann nicht mehr menschlich wirken. Menschen machen Fehler und haben Schwächen.

Ich möchte am Ende zwei Empfehlungen aussprechen: Als Entwickler sollte man seine Figuren nicht immer die rational gesehen beste Entscheidung treffen lassen, es können auch mal emotionale, "falsche" sein, am wichtigsten ist, dass die Entscheidung zur Figur passt. Als Spieler sollte man sein eigenes Ich und die eigenen Lebensumstände nicht als Maßstab nehmen (was mMn eben doch oft getan wird), sondern die oben angesprochenen Faktoren.