Zitat
Der blankpolierte Nanostahl in seinem reinweißem, Marmor nachempfundenen Design strahlte seinen hineingelaserten Aufdruck „Jon Grissom Academy“ in die Linse der Überwachungskamera.
Diese surrte leise schnurrend zuerst den Anblick der Weiten des Alls und dann schließlich wieder die Außenhülle der geostationären Weltraumstation zu seinem Core-Cluster in dem alle Daten gesammelt wurden. Ein Wink des Schicksals war es, der nun in seiner Bandbreite von Zufällen zu den Ereignissen führte, die anschließend von Allianz und Akademie-Leitung totgeschwiegen wurden:
Der erste seltsame Zufall war, dass durch technische Wartungsarbeiten von den mehr als 8000 Personen auf der Station zu dem Zeitpunkt, an dem dieses Ereignis spielt, weniger als 400 an Bord waren. Diese waren in kleineren Gruppen auf der Station verteilt und folgten wie Wanderameisen in ständig wechselnder Konstellation den Wartungsteams der Station. Unter ihnen waren Studenten und Lehrer der Akademie, jedoch auch viele Transitpassagiere, die die Station lediglich dazu nutzen wollten ihre Reise in den Petra-Nebula fortzusetzen. Sehr zur Frustration der Passagiere und Schüler waren alle 24 Stunden stetig andere Abschnitt der Station von Stromausfall oder Technikerlärm betroffen. Manchmal waren die Kommunikationsterminals ausgefallen, manchmal nur das Licht, doch widerhallten die Gänge oft genug vom Lärm der Baudrohnen die automatisch und stumpf ihren Dienst versahen.
Der zweite, noch viel ärgerlichere Zufall war die Anwesenheit eines gewissen Dr. Conrad Verner, seines Zeichens Experte für dunkle Energie, der um genau 1700 Erdstandardzeit den Strom vom Überwachungs- und Präventionsmodul in ein Testmodul für fortgeschrittene Elkor-Linguistikerkennungssoftware umleitete und dabei versehentlich die komplette Meteoritenfrüherkennung außer Gefecht setzte. (Dr. Verner jedoch gastiert in einem völlig anderen Teil der Station.)
Der dritte Zufall indessen war eine kleine Gruppe Indoktrinierter, die vom seltsamen Singsang einer Stimme hinter dem Omega-5-Relay geführt wurden und eigentlich nur Zwischenstation auf der Akademie machen wollten…
Komplettiert wurde das kommende Ereignis jedoch vom vierten Zufall, ein Schauer von Meteoriden, die sich in direktem Konfrontationskurs mit der Akademie befanden und Diese um genau 1745 mit voller Wucht trafen.
Ohne Früherkennungsmodul und dem Großteil seiner Energie beraubt, schlugen die Splitter wie Schrapnelle in die Außenhaut der Akademie ein, rissen Stahlverkleidungen heraus und zerfetzten die Energie der noch verbleibenden Barrierenfelder.
Um 1746, so weiß man nun, erlosch die Beleuchtung auf der Akademie schlagartig. Diffuses, rotes Notlicht erhellte mehr schlecht als recht die engen Wartungstunnels und die breiten Gänge, die Küchen, die kleinen Läden und Werkstätten, und natürlich die Privatquartiere und Schulhallen der Station.
Die assistierende virtuelle Intelligenz war ausgefallen, doch vor allem im Bereich der Orion-Hall – eines sehr großen Schulkomplexes – waren deutlich weniger Schäden an Struktur, dafür jedoch mehr an Technik zu verzeichnen. Nur langsam und zögerlich sprang dort die Notbeleuchtung an und machte erst nach Minuten wieder einer normalen, augenfreundlichen simulierten Tageslichtbeleuchtung Platz, die ihrerseits das Ausmaß der Katastrophe deutlich zu Tage treten ließ:
Die Orion-Halle, die als verschwenderisch großer Aufenthaltsraum diente, war in einem relativ guten Zustand, doch war sämtliche Funkkommunikation nach draußen genauso unmöglich wie die Kommunikation in andere Bereiche der Raumstation. Die meisten Türen hatten sich aus Sicherheitsgründen ebenfalls automatisch geschlossen und waren vollkommen von der Energieversorgung abgeklemmt und damit unmöglich zu öffnen. Lediglich eine Reihe von kleineren Räumen, diese jedoch nur mit schlechter Notbeleuchtung ausgestattet, schienen noch zugänglich zu sein.
Omnitools waren funktionsfähig, hatten jedoch einen Großteil ihrer Funktionen eingebüßt – es war als wären die wenigen Stationsbewohner des Stationsteils Orion-Halle in einem Sarg aus Blei gefangen.
Und ihr Gefängnis verfügte nur über die große Halle, einen Wartungsraum mit vollkommen zerstörtem technischen Innenleben und insgesamt zehn kleineren Räumen in denen vorher Schüler oder Lehrpersonal gelebt hatten. Der Rest der Station schien weder per Kommunikation, noch per Zugangsweg erreichbar zu sein…
Inmitten des Chaos und der zerschmetterten Automaten, die billige Dextro-Nahrung ebenso anboten wie viele planetenspezifische Grundnahrung, der kleinen, noch schwelenden Brände und Funken spuckenden Konsolen erschien ein kleines, grünes Licht, welches sich dann zur Gestalt einer streng wirkenden Gouvernante terranisch-englischen Vorbilds formte und mit ebenso strenger, weiblicher Computerstimme die Meldung des „Kommunikationsoffiziers“ verlange und die Überlebenden wissen ließ, dass die Sensoren in diesem Bereich 16 Individuen ortete, jedoch mindestens eine der Personen fortgeschrittene Reaper-Indoktrination aufwies.
Weiteres jedoch ließ sich die VI ohne einen – durch das Notprotokoll D52 demokratisch gewählten – „Kommunikationsoffizier“ nicht entlocken. Doch die durch Stationslautsprecher verkündete Warnung vor fortgeschrittener Indoktrination schien in den schlecht beleuchteten Gängen und Zimmern der Halle noch deutlich länger nachzuhallen als in der wenigstens simuliert taghellen Halle selber…
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