Aber klar kann man sich auch in Spielekritiken um Objektivität bemühen. Alles was man dazu benötigt, sind allgemein geteilte Auffassungen von gut, mäßig und schlecht sowie eine Einigung über die maßgeblichen Elemente und eher unwesentliche Extras - also einen Kriterienkatalog.
Das ist zwar kein ehernes, für die Ewigkeit gültiges Gesetzblatt. Doch für etwas derart kurzlebiges wie ein Computerspiel reicht es sogar aus, den jeweils herrschenden Zeitgemschmack zugrunde zu legen. Was wäre demnach objektiv? Alles, was sich an der Durchschnittlichkeit ausrichtet (die ist messbar) und von ihr ausgehend die Werte höher oder niedriger zu definieren.
Ein Spiel, das die Standardintelligenz des Durchschnitssspielers krass unterschreitet und so zwischen Vorhersagbarkeit und Überraschungsarmut hin und her treibt, darf mit Fug und Recht als objektiv nicht spannend bezeichnet werden.
Ein Spiel, das das gemeine Farbempfinden mit einer Mischung aus schrill-umbra und kack-ocker konfrontiert, kann gleichfalls als optischer Griff ins Klo abgetan werden - höchst objektiv, versteht sich.
Ein Spiel, das die Reaktionszeiten einer wieselflinken Rennmaus voraussetzt, damit die Geschicklichkeitseinlagen überhaupt bewältigt werden können, sollte dann auch als objektiv schwierig gelten.
Natürlich kann da jeder vereinzelt für sich sagen: Na und? Ein strunzlangweiliges, kackfarbenes, meine motorischen Fähigkeiten völlig überforderndes Spiel ist genau das, was ich all die Jahre gesucht habe. Aber - Achtung, jetzt kommt noch mal der Punkt - diese Meinung ist dann nur der Gedanke eines randständigen Exoten und eben nicht objektiv. Nun ist es vielleicht wenig schmeichelhaft, sich an der profanen Durchschnittlichkeit auszurichten, nur um Objektivität zu erreichen. Aber da nicht jeder für sich allein vor sich hin existiert, sondern wir soziale Gemeinschaften bilden, sind eben diese gemeinsamen Codes eine ganz natürliche Basis der Verständigung. Eben weil sie vom empirisch fassbaren Durchschnitt (hier: Standard) ausgehen.
Wer einen stark abweichenden Geschmack hat, findet sich in der selben Position wieder, wie ein Nuschler mit seltsamen Dialekt. Der Standard erscheint ihm seltsam, bizarr und unverständlich und natürlich gar nicht objektiv. Nur ändert das nichts am Standard sondern zeigt lediglich die Außenseiterposition des Nuschlers an.
Ob man beim Standard verharren muss, ist eine ganz andere Frage, aber messen kann man ihn. Folglich sind auch objektive Spielkritiken möglich; immer unter der Voraussetzung, dass der Kritiker in der Lage ist, den gängigen Durschnitt zu erfassen, zu ordnen und seiner Kritik zugrunde zu legen.