Viel Spaß beim Lesen


[font=times new roman]Xenosaga Episode I: Der Wille zur Macht[/font]

[font=arial]Die Story[/font]
Die Geschichte beginnt am Turkanasee, Kenia, irgendwann im 21. Jahrhundert. Ein Ausgrabungsteam findet ein mysteriöses Artefakt auf dem Boden. Einer der Ausgrabungsleiter fügt ein kleineres Objekt in die soeben entdeckte Stelle ein, das fast wie ein Schlüssel perfekt in das Muster passt. Daraufhin fängt die umliegende Gegend an zu beben, vom Grund des Sees tauchen riesige, leuchtende Säulen auf, die oberhalb des Wasserspiegels einen Pfad zu dem plötzlich entstandenen und frei in der Luft schwebenden, goldgelben Monolithen bilden. Ein Licht strahlt in den Himmel, es regnet.
4000 Jahre später. Schon seit langem hat die Menschheit die Erde verlassen, lebt nun auf fernen Planeten und ist hauptsächlich damit beschäftigt, sich aggressiven Kreaturen namens Gnosis zu erwehren. Da die Gnosis körperlos sind und so aus dem Nichts auftauchen oder durch Wände gehen können, stellen sie eine ernste Gefahr dar, der die Menschen kaum gewachsen sind.
Hauptcharakter Shion, eine Wissenschaftlerin der einflussreichen Firma Vector, arbeitet mit ihrem Team an Bord des Kampfschiffes Woglinde an einer geheimen Waffe gegen die unheimlichen Wesen. Das Raumschiff transportiert auch einen Monolithen, welcher dem damals auf der Erde gefundenen Zohar verdächtig ähnlich sieht, hinter dem aus weitestgehend unbekannten Gründen alle größeren Organisationen her sind. Besagte Waffe ist jedenfalls der weibliche Android KOS-MOS. Der blauhaarige und rotäugige Publikumsliebling spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte. Sie ist die einzige ihrer Art und daher sehr wertvoll für Vector, außerdem hält sie ihren Mitstreitern durch ihr emotionsloses Verhalten später immer wieder vor Augen, was Menschlichkeit bedeutet und scheint dennoch oft so etwas wie einen eigenen Willen zu besitzen. Alles läuft prima auf der Woglinde, bis das Schiff von den Gnosis angegriffen wird. Nur KOS-MOS kann die Aliens mit Hilfe des sogenannten Hilbert Effektes in unsere Realität bannen und dadurch überhaupt erst verletzbar machen. Obwohl eigentlich noch nicht einsatzbereit, wird sie gerade noch rechtzeitig aktiviert, um den wenigen Überlebenden, darunter auch Shion und ihr Kollege Allen, die Flucht zu ermöglichen. Wenig später sammelt KOS-MOS die Rettungskapsel mit den beiden Vector-Angestellten ein. Die drei gelangen an Bord des Frachters Elsa und lernen die Crew des zweckentfremdeten Luxusliners kennen, zu der unter anderem chaos gehört, ein junger Mann mit einer positiven Ausstrahlung und ungewöhnlichen Fähigkeiten, über dessen Vergangenheit praktisch nichts bekannt ist.
Währenddessen heuert am anderen Ende der Galaxie das Subcommittee on Close Encounters, ein Rat, der von der Föderationsregierung einberufen wurde, um sich mit der Bedrohung durch die Gnosis auseinanderzusetzen, den Cyborg Ziggurat 8 an. In seinem früheren Leben als Mensch war er der Polizist Jan Sauer, der im Alter von 30 Jahren Selbstmord beging und gegen seinen Willen in der jetzigen Form wiederbelebt wurde. Nun versucht er, alle Spuren seiner damaligen Identität auszulöschen und nacheinander immer mehr biologische Komponenten seines Körpers durch Maschinen zu ersetzen. Er soll den Realian MOMO, der von der ominösen U-TIC Organisation gefangen gehalten wird, befreien und beschützen. Realians sind im Wesentlichen künstliche Menschen, und die kleine MOMO ist ein ganz besonderer Vertreter ihrer Art. Sie wurde von dem inzwischen verstorbenen Genie Joachim Mizrahi geschaffen, der die Y-Dateien in ihr Unterbewusstsein einspeicherte, welche wiederum alle seine Aufzeichnungen enthalten, die unter anderem zu dem nach einem Konflikt vor 14 Jahren versiegelten Planeten Miltia und somit zum echten Zohar führen sollen und dementsprechend wertvoll sind.
MOMO und Ziggy, wie sie ihren Retter fortan nur noch nennt, treffen auf ihrer Flucht - wie sollte es auch anders sein? - auf die Elsa. Bald darauf stößt auch noch der clevere Jr. zur Gruppe hinzu, der wie ein 12-jähriger Junge aussieht, sich dafür jedoch verdächtig erwachsen benimmt und zusammen mit Gaignun die Kukai Foundation, eine unabhängige Raumkolonie, leitet. Gemeinsam wird diese Party in den Sog der Ereignisse gezogen ...
Die Story ist spannend und hochinteressant. Man möchte immerzu wissen, wie es weitergeht und einige überraschende Wendungen halten den Spieler bei Laune. Dennoch ist Episode I letztenendes nur eine Einleitung zu der gesamten Geschichte bzw. ein Vorgeschmack auf das, was in den folgenden Teilen der Serie noch alles kommen wird. Unzählige Fragen werden aufgeworfen, auf die man noch keine Antworten erhält. Das ist aber auch das einzige Manko der Story und der Aspekt, der das Spiel hauptsächlich von dem in der Beziehung phänomenalen indirekten Vorgänger Xenogears unterscheidet: Die Handlung wie auch die Spielwelt ist nicht in sich geschlossen, da Xenosaga von vornherein als Mehrteiler konzipiert und diese erste Episode im Vergleich zu einem für sich stehenden RPG relativ kurz ausgefallen ist.
Oberflächlich betrachtet beschreibt Episode I das Aufeinandertreffen der Hauptcharaktere und die Geschehnisse bis zu ihrer Ankunft auf 2nd Miltia, tatsächlich geht es jedoch um weit mehr als das. Die wirklich wichtigen Vorgänge der Handlung werden nur im Hintergrund angedeutet und zeigen noch keine wesentliche Wirkung. Aber vermutlich ist es gerade das, was diesen Anfang der Geschichte so interessant macht. Für alle, die bei den komplexen Zusammenhängen schonmal den Überblick verlieren, hat Monolith Soft extra ein Nachschlagewerk eingebaut, in dem jeder relevante Begriff noch einmal erklärt wird.
Xenosaga zeichnet sich hier besonders durch zwei Qualitäten aus:
Auf der einen Seite gibt es kein simples Gut oder Böse, die vielen sich gegenüberstehenden Parteien und deren Unterorganisationen setzen sich aus Einzelpersonen zusammen, die nicht alle bloß Mitläufer darstellen, sondern vielmehr ihre eigenen Ziele verfolgen, womit einige Intrigen vorprogrammiert sind. Auf der anderen Seite wurden die Charaktere sehr gut ausgearbeitet, verfügen über eine einzigartige Persönlichkeit und verhalten sich dementsprechend je nach Situation anders. Das gilt nicht nur für die Protagonisten, sondern insbesondere auch für die zahlreichen NPCs und wird vor allem an den teilweise erstklassigen Dialogen deutlich, wofür die folgende Szene ein hervorragendes Beispiel ist -
(KOS-MOS erschießt einen Alien, um Shion zu retten, tötet dabei allerdings auch einen Soldaten)
KOS-MOS: This ship is about to capsize. Please make haste.
Shion: Wait...! KOS-MOS. KOS-MOS... Do...do you understand what you've just done?!
KOS-MOS: My assigned duty is to protect Vector employees. Protection of military personnel is not part of my prime directive.
Shion: That's no excuse! You have no right to go about killing people! Why did you shoot Lieutenant Virgil?! With your power, you don't have to sacrifice anyone to...
KOS-MOS: At that time, Lieutenant Virgil was in my direct line of fire. Any changes in my firing position to avoid Lieutenant Virgil while protecting you, would have resulted in a 30% depreciation in my offensive capabilities. On the other hand, with the Lieutenant's death, there would only be a 0.2% drop in efficacy. I simply chose the option with the highest probability to keep you alive.
Furthermore... The escape pod has a maximum capacity of two occupants. I believe it is obvious who gets priority.

Shion: How could...! How could you say that! Have you no conscience?!
KOS-MOS: Shion. You forget, I am not human. I am merely a weapon. You of all people should be well aware of that fact. What is your decision? Will you board the escape pod? OR will you not board the escape pod? If you wish to express remorse for his death, it is best that you survive. Otherwise, you will render his death meaningless.

[font=arial]Das Spiel[/font]
Da das Konzept des Spiels sehr auf die Story fixiert ist, könnte das Gameplay etwas einseitig oder gar schwerfällig wirken, dennoch erfüllt es seinen Zweck. Mit dem sogenannten Vaporizer Plug-in sprengt man im Weg stehende Dinge einfach auf Knopfdruck in die Luft, findet versteckte Items und macht die frei in der Gegend herumlaufenden Monster für kurze Zeit bewegungsunfähig, sodass man an ihnen vorbeischleichen kann. Random Encounter gibt es also nicht, der bedingt rundenbasierende Kampfmodus beginnt, sobald man einem Gegner zu nahe kommt bzw. ihn berührt.
Um in den Kämpfen Aktionen auszuführen, braucht man AP. In jeder Runde bekommt man vier solcher Punkte, die einzelnen Befehle kosten unterschiedlich viel. So verbraucht ein normaler Angriff beispielsweise zwei AP, mit einem Zug kann man daher immer zwei mal draufhauen. Nicht benutzte Punkte werden in der nächsten Runde hinzuaddiert, wodurch man bis zu sechs AP zusammensparen und Spezialtechniken anwenden kann, die diese Anzahl benötigen. Wenn man mit einem der drei aktiv kämpfenden Charaktere angreift, füllt sich dessen Boost-Leiste. Ist die Leiste voll, darf die jeweilige Spielfigur einen vorgezogenen Bonus-Zug einsetzen. Doch Vorsicht ist geboten, denn die Gegner haben ebenfalls die Fähigkeit, sich zu boosten.
Ein weiteres Element des Kampfsystems ist der Event Slot. Eine kleine Anzeige am unteren Bildschirmrand wechselt ständig zwischen den folgenden Möglichkeiten hin und her: die höhere Chance auf kritische Treffer, eine sich schneller füllende Boost-Leiste, ein Punktebonus für größeren Gewinn nach dem Kampf, oder überhaupt keinen Effekt. Auch hier gelten für die Feinde die gleichen Bedingungen; eine schmerzhafte Erfahrung, die man spätestens dann macht, wenn ein starker Gnosis die Runde mit der gesteigerten Critical Hit Rate erwischt. Der Event Slot ist eine nette Idee, wäre aber viel interessanter gewesen, wenn es mehr als nur drei verschiedene Wirkungen gegeben hätte. Übrigens hat man außerdem die wahlweise Nutzung von AGWS (stehend für Anti Gnosis Weapon System) eingebaut. Dabei handelt es sich um Mechs, welche zwar mit Waffen ausgerüstet werden können, im Vergleich zu der eigentlichen Party aber relativ unbrauchbar sind.
Nach den Kämpfen gewonnene Punkte verschiedener Art werden dazu verwendet, um Statuswerte unabhängig vom Level zu erhöhen, Ether genannte Zauber über eine charaktereigene Baumstruktur zu aktivieren und Spezialtechniken zu erlernen, die sich anschließend noch verstärken lassen. Der Spieler kann die Entwicklung seiner Figuren durchaus vielseitig beeinflussen. Die Unterscheidung von Skill-, Tech- und Ether Points und deren Funktionen neben all den anderen Werten sowie die umständliche Menüführung lassen das Abilitysystem jedoch wie aus separaten Gameplayaspekten willkürlich zusammengewürfelt wirken.
Da die Geschichte in sehr langen Zwischensequenzen weitererzählt wird, erweckt Xenosaga Episode I stellenweise den Eindruck eines interaktiven Filmes. Das Spiel degradiert den Spieler manchmal für die Dauer einer halben Stunde und darüber hinaus zum Zuschauer, was, so gelungen die Story auch sein mag, sicher nicht jedermanns Sache ist. Immerhin darf man besagte Cutscenes auf Wunsch pausieren, abbrechen und überspringen, was sehr angenehm und hilfreich sein kann, wenn man unmittelbar nach einer langen Sequenz zum Beispiel an einem kniffligen Bossgegner scheitert und unverhofft das Zeitliche segnet, ohne vorher die Gelegenheit zum Abspeichern bekommen zu haben. Bei weiteren Versuchen ist man nicht gezwungen, sich bereits bekannte Szenen ständig erneut anzusehen.
Minigames wie ein eingebautes und vergleichsweise komplexes Kartenspiel oder eine an Xenogears erinnernde AGWS-Kampfarena bemühen sich mit unterschiedlichem Erfolg darum, den linearen Spielfluss ein wenig aufzulockern. In einem Sidequest gilt es, über die ganze Welt verstreute, spezielle rote Türen namens Segment Addresses und die dazugehörigen Decoder-Schlüssel zu finden. In den engen Räumen hinter jenen Türen kann man besondere Items abstauben. Aber auch ein paar optionale Bosse sorgen für etwas mehr Abwechslung.
Der schöne Teil der Grafik findet sich in dem hervorragenden Charakterdesign im Anime-Look und natürlich den schon erwähnten, beeindruckenden Videosequenzen wieder, die netten Lichteffekte in den Kämpfen tragen ihr Übriges dazu bei. Allerdings sind die meisten Locations selbst für ein RPG mit Science-Fiction-Setting sehr steril um nicht zu sagen geradezu detaillos ausgefallen.
Wieder wurde Yasunori Mitsuda beauftragt, die Musik für ein Projekt zu schreiben. Doch irgendetwas scheint schief gelaufen zu sein, denn obwohl der berühmte Komponist hier kaum schlechte Arbeit abgeliefert hat, hört man innerhalb des Spiels nicht viel davon. Zahlreiche Orte wurden nicht mit Hintergrundmusik unterlegt, sodass einen die nicht enden wollenden Schrittgeräusche der Protagonisten schonmal nerven können. Überhaupt wird eine recht umfangreiche Geräuschkulisse geboten, was den zeitweisen Wegfall des Soundtracks jedoch nicht im Mindesten ausgleichen kann. Darüber hinaus gibt es keine Bossmusik; abgesehen vom letzten Endgegner bleibt das Battletheme leider immer dasselbe, weshalb es, obschon eigentlich gut gelungen, nach einer Weile ziemlich öde klingt. Trotz solcher Probleme überzeugt der vom London Philharmonic Orchestra eingespielte Soundtrack meist dort, wo er dann doch noch vorhanden ist. Die integrierte Sprachausgabe verdichtet die Atmosphäre ungemein und ist aus diesem Rollenspiel fast nicht mehr wegzudenken.

[font=arial]Interpretation[/font]
Wie in jedem Spiel mit ausgefeilter Story, so findet sich auch hier reichlich Raum für Interpretation und Spekulation. Geschickt hantieren die Autoren mit den Themen bzw. Fragen: Was ist es, das uns zum Menschen macht? Und wo hört das Menschsein auf und beginnt etwas anderes? In einer mit Realians, Androiden und Cyborgs angefüllten Welt wird eine Revision von geläufigen Definitionen automatisch unausweichlich.

[font=arial]Fazit[/font]
Eine tolle, in großen Bildern und langen Sequenzen erzählte Geschichte und wunderbar ausgestaltete Charaktere bietet Episode I. Aufgrund des gewöhnungsbedürftigen Gameplays und der ungewöhnlichen Einbindung der guten aber nicht sehr abwechslungsreichen musikalischen Untermalung wirkt das Spiel insgesamt dennoch ein wenig experimentell und unausgereift.

Story............5/5
Grafik............4/5
Gameplay.......3/5
Sound...........3/5

[font=arial]Wissenswertes[/font]
Xenosaga Episode I: Der Wille zur Macht wurde von Monolith Soft mit der Unterstützung von Namco entwickelt, wobei letzteres Unternehmen als Publisher tätig war. Die Veröffentlichung für die PlayStation 2 erfolgte am 28.02.2002 in Japan und, fast genau ein Jahr später, am 26.02.2003 in den USA. Der nicht unabsichtlich in deutscher Sprache belassene Untertitel verweist auf einen bedeutenden philosophischen Gedanken von Friedrich Nietzsche.
Das Spiel hängt storytechnisch nicht direkt mit Xenogears zusammen, ist also weder Sequel noch Prequel, enthält allerdings zahlreiche inhaltliche Anspielungen auf, wiederkehrende Motive aus sowie interessante Verbindungen zu dem PSX-Klassiker und könnte deshalb als eine Art spiritueller Nachfolger betrachtet werden. Das rührt daher, dass sich Monolith Soft zum Teil aus ehemaligen Squaresoft-Mitarbeitern bildete, die damals unter anderem an der Entwicklung von Xenogears maßgeblich beteiligt waren, darunter insbesondere auch Director Tetsuya Takahashi.