Er hatte sie ja vorgewarnt. Steiler Gebirgspfad hatte er gesagt, langsames vorankommen, erwähnte er so nebenbei. Steinbock müsste man sein. Sie schnitt dem Rücken Ihres Begleiters, der weiterhin mit federnden Schritten den Weg erklom, eine Grimasse.
Das Wasser in dem Lederbeutel war mittlerweile durch die Sonne aufgewärmt worden und schmeckte schal. Und doch war es der Bretonin willkommen, wie der beste Wein, als es Ihren trockenen Mund und die staubige Kehle durchspülte. Längst waren die schattenspendenden Bäume verschwunden und hatten den spärlichen Ginsterbüschen platz gemacht. Ausgerechnet an diesem Tag lies sich keine Wolke am Himmel blicken und der Schweiss lief Ihr über Gesicht und Rücken. Unter den dichten Locken sammelte sich die Hitze und sie schob zum x-ten male an diesem Tag Ihre Haare im Nacken hoch, in der Hoffnung wenigstens ein bischen Abkühlung zu erhalten.

Die kleine Pause, die sie an der Abzweigung zu diesem Ziegenpfad, eingelegt hatten, schien schon wieder eine kleine Ewigkeit her zu sein. Den Blick fest auf den zerklüfteten Boden gerichtet, folgte die Priesterin dem Dunmer. Ein grosser Schatten, der auf den Weg fiel, lies sie aufblicken und für einen Moment raubte Ihr der Anblick den Atem. Der Schatten wurde von einem Baum geworfen, nichts ungewöhnliches für einen Schatten. Fazinierend war allerdings die Tatsache, dass solche Bäume in diesen Höhenlagen eigentlich gar nicht existieren durften. Zumindestens nicht in einer solch unverschämten Grösse. Sie fragte sich wie lange es wohl her war, seit dem hier jemand entlanglief.

Das letzte Stück des Weges hatte es nochmal in sich gehabt. Zufrieden stellte sie fest, das sogar Kamahl leicht erschöpft wirkte. Ihr dagegen zitterten die Knie und das Bedürfniss ganz tief nach Luft zu schnappen, wurde von der Tatsache unterbunden, dass jeder tiefe Atemzug von einem Stechen in der Seite begleitet wurde. Zum Glück lag die Ruine verlassen vor Ihnen. Hätten sich dort ein paar Banditen niedergelassen, sie wäre zu erschöpft zum kämpfen gewesen. Gut, sie hätte sich vieleicht noch auf den Boden legen können und hoffen, dass die Kerle über sie stolpern, während sie versuchten Ihren Begleiter zu meucheln.
Sie setzte sich auf die Überreste eines Fusses, der vieleicht mal eine Säule gestützt hatte.
“Das ist es also? Lipsand Tarn? Und hier wollt Ihr noch etwas finden? Ich befürchte die Dinge, die noch nicht zu Staub zerfallen sind, sind hoffnunglos verrostet.” Grosse Teile der Gebäude waren zerfallen, hier und da lagen noch grössere Bruchstücke auf dem Boden. Das was noch stand, war Beweiss für die phantastische Bauart der Ayleidenkultur. Es hielt sie nicht lange auf Ihrem Sitzplatz, bald schon streifte sie durch die Ruine. Ganz anders als die Steine der Festung, waren diese hier so weiss, dass die Sonne von Ihnen reflektiert wurde und einen blendete. Oft fand sie Bruchstücke von Ornamenten, mit Ihr unbekannten Werkzeugen im Stein verewigt. Die Muster ähnelten verschlungenen Ranken und sie fragte sich nicht zum ersten mal, wo dieser Umhang den sie trug, eigentlich ursprünglich hergekommen war. Nachdenklich lies sie Ihre Finger über den immernoch intakten Stoff fahren. Er war noch nie beschädigt gewesen, noch verblasste die Farbe.

Nahe der Ruine fanden die beiden einen geeigneten Lagerplatz. Sobald es dunkel war, rollte sich Naasira in Ihrer Decke zusammen. Morgen würden sie die Ruine erforschen. Mit diesem letzten, klaren Gedanken überlies sie sich der Welt der Träume.