Dieses Mal war sich Naasira sicher, dass sie mehrere Stunden alleine war. Das leere Gefühl im Magen und die sich ausbreitende Trockenheit im Mund, wurden so langsam vom Gefühl der Panik vertrieben. Sie versuchte die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, dass man sie hier suchen und befreien würde. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr gelangte die Bretonin zu dem Schluss, dass die merkwürdige Frau in Chorrol einfach in Vergessenheit geraten würde. Mit dieser Überzeugung kam das unkontrollierte Zittern.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die ehemalige Priesterin nie in eine solche Not geraten. Zwar gab es hier und da mal einen versuchten Raubüberfall, doch war sie immer in der Lage gewesen zu entkommen, bevor Ihr grösserer Schaden zugefügt wurde. Doch hier war es nun anders, sie war gefangen und verschollen. Losgezogen war sie nur mit einem kleinen Dolch am Gürtel. Doch dieser war samt der Scheide verschwunden. Wenigstens war es nun nicht mehr so dunkel, ein leichter Lichtzauber erhellte die Zelle. Doch die Bewegungen im hinter dem Licht liegenden Schatten bereiteten Ihr bald mehr Angst, als das vorherrschende Dämmerlicht in der Zelle und so lies sie den Zauber vergehen. Sie versuchte sich an Ihre Ausbildung zu erinnern, doch was nutzen Ihr die Fertigkeiten mit der Klinge ohne Waffe. Die gelehrten Zauber dienten der Wiederherstellung oder eben dem devensiven Schutz. Doch dies war hier nicht hilfreich. Sie stütze den Kopf auf die Knie und versuchte sich an eine handgeschriebene Anmerkung in einem der Bücher von Rhegor zu erinnern. Doch es wollte Ihr nicht einfallen und der Bandit, der Ihr eine dreckige Stiefespitze in die Rippen schob, war auch nicht hilfreich. Geblendet von der Fackel die der Kerl trug, spürte Naasira nur die schmierigen Finger die sich um Ihren Oberarm schlossen und sie hochzerrten. “Los, komm mit! Da will dich jemand sehen.”

Widerspruchslos lies sich die Bretonin mitziehen. Ihr Bewacher lachte nur anzüglich und auf dem ganzen Weg durch die Festung, waren seine Finger auf Ihrem Körper. Letzlich war die Frau froh, als die grossen Flügeltüren einer Halle aufschwangen, denn die forschen Hände des Nord verschwanden sofort. Der Geruch nach frisch gebratenem Fleisch machte sie benommen und erst die herrische Stimme eines anderen Mannes holte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie musterte den Anführer, der am Kopfende einer langen Tafel sass. Seine Kleider waren teuer und das Schwert an seiner Seite sah fremdartig und wertvoll aus. Das äussere wirkte gepflegt und seine Art zu sprechen wies in keiner Weise auf seinen derzeitigen Beruf hin. Ob er wohl ein zweites Leben in Chorrol, oder einer anderen Stadt, pflegte? Unerkannt, als angesehener Bürger?

In der folgenden Stunde sah sich Naasira einem Verhört ausgesetzt, dass fast über Ihre verbliebenen Kräfte ging. Sie schafte es ihren Status als Priesterin zu verheimlichen, allerdings verlor sie damit fast allen Wert für Ihre Entführer. Zwar hatten sie eine Tochter aus wohlhabenden Hause erwischt, allerdings lag dieses Haus in Hochfels und das erschwerrte die Verhandlungen mit den Angehörigen schon ungemein. Die Tatsache, das die Bretonin schon seit Jahren keinen Kontakt mehr mit Ihrer Familie pflegte, wischte der Banditenanführer beiseite. “Eltern zahlen immer für Ihre Kinder. Auf die eine oder eben andere Art. Eure wohl eher auf die andere.” Mit diesen Worten gab er Ihrem Bewacher einen Wink und dieser trat vor und zerrte sie wiedermal durch die Gänge. Auf Ihrem Weg zurück waren keine weiteren Männer zu sehen, und sie fragte sich schon ob diese beiden Nord die einzigen Banditen hier waren.

Irgendwie wurde die Bretonin das Gefühl nicht los, dass Ihr Bewacher, der Anführer nannte Ihn Knut, dieses mal einen kürzeren Weg gewählt hatte. Er schob sie in die Zelle und drückte sie nun mit dem Rücken gegen die Wand. Diesmal war sie sich sicher dort eine Bewegung im Schatten gesehen zu haben. Während Knut die Frau mit der einen Hand noch gegen die Wand drückte, ging die andere Hand auf Erkundungstour. Die Bretonin keuchte erschrocken auf, als die Hand ihren Weg unter das Hemd fand und sich nun grob einen Weg nach oben suchte. Der Atem des Mannes stank verdorben und sein grober Kuss löste einen Brechreiz in Ihr aus. So langsam verschwand der Schock über diese Situation und ein neues Gefühl machte sich in der ehemaligen Priesterin breit: Wut. Sie presste die Handflächen gegen die Brust des Nords und versuchte Ihn wegzudrücken. Der rauhe Hemdstoff kitzelte Ihre Haut, als sie die Augen schloss und mit aller Kraft die sie besas drückte. Wahrscheinlich hätte sie auf die Steinwand in Ihrem Rücken genausoviel Eindruck gemacht.

“Wer die Schule der Wiederherstellung beherrscht, ist in der Lage fatale Wunden und Krankheiten zu heilen.” Diese Zeilen aus einem Buch aus Ihrer Ausbildung, standen Naasira plötzlich klar vor Augen. Doch waren es nicht diese ungelenk geschriebenen Worte die sie eisig durchfuhren. Vielmehr war es die Anmerkung, die Ihr Lehrmeister in seiner eleganten Schrift hinzugefügt hatte.
”Das Wissen um die Heilung des Fleisches, birgt das Wissen um die Verletzung des selbigen.”

Der veränderte Gesichtsausdruck der Frau vor Ihm, hätte Knut eine Warnung sein sollen. Ebenso die Tatsache, dass sie nicht länger gegen Ihn ankämpfte. Aber der Mann war zu sehr mit sich selber und der Kleidung der Bretonin beschäftigt, als das ihm dies aufgefallen wäre.
Naasira sah nicht länger den Nord vor sich, unter Ihren Händen pulsierte ein schlagendes etwas. Das Herz, kam Ihr in den Sinn, das wohl das Blut durch den Körper vor Ihr trieb. Ihr Blick verfolgte den Weg der Körperflüssigkeit. Arme und Beine erschienen Ihr nur Blau-Violett und kühl, dort war nur wenig Blut. Die Lendengegend allerdings pulsierte und war rotglühend. Ohne selber genau zu wissen, was sie da tat, stellte sie eine Verbindung her. Ähnlich wie beim heilen und doch anders. Zuerst passierte gar nichts, doch plötzlich hielt der Mann in seinem Tun inne und starrte die Frau fassunglos an. “Verdammte Hexe, was tust Du mir an?” Die letzten Worte kamen nur noch als Flüstern heraus. Er drehte sich um, wollte noch fliehen, doch es war bereits zu spät und er brach tot zusammen. Der so notwendigen Lebensenergie beraubt.

Benommen blickte Naasira auf den leblosen Körper. “Du hast meinen Bruder getötet. Dafür wirst du hier verrotten!” Die Tür der Zelle fiel mit einem lauten Krachen ins Schloss und die Bretonin realisierte erst jetzt, dass sie wohl Ihre einzige Chance vertan hatte, hier nochmal lebend rauszukommen. Der Sprecher entfernte sich nun schnell durch den dunklen Gang und lies die Frau in dem kleinen Verlies zurück. Während sie den toten Körper musterte, reifte in der Priesterin eine Erkenntniss. Sie würde nichtmehr ängstlich und verzweifelt hier sitzten, denn soeben wurde Ihr eine Waffe in die Hand gegeben. Ruhig setzte sie sich in den Schatten neben der Tür und wartete......