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Deus
Breath of Fire V: Dragon Quarter (so hieß das Spiel in Japan berechtigterweise) hat mir von der ganzen Serie mit Abstand am besten gefallen. Es war innovativ, was zu jener Zeit nicht gerade viele RPGs von sich behaupten konnten. Zusammen mit der dichten und klaustrophobisch-düsteren Atmosphäre tief unter der Erde war das ungewöhnliche und zugegebenermaßen erstmal gewöhnungsbedürftige Gameplay doch unglaublich intensiv und spannend. Ich hatte mehrfach echt Angst um meinen Spielstand, zumal in der japanischen und der US-Version im Vergleich zur PAL die Speichermöglichkeiten um einiges begrenzter und fieser waren. Die Musik von Sakimoto war absolut fantastisch und die kleine aber feine Story weckte viel Sympathie, nicht zuletzt wegen den hübsch animierten Figuren und der Tatsache, dass das hier kein 08/15-Weltenrettungstrupp-Abenteuer darstellte, sondern es um emotional weitaus tiefgründigere Dinge geht. Breath of Fire V ist ein sehr leises Spiel, das größtenteils ohne Bombast auskommt, und die Aussagekraft doch immens groß ist.
Ein wenig kann ich ein paar der Leute verstehen, die das Spiel nicht mögen, meistens weil sie bereits Fans der Vorgänger waren und sich BoFV ja nun deutlich von diesen abhebt. Ich glaube übrigens noch immer, dass viele BoFIII nur deshalb so gut finden, weil es für viele eine der ersten Berührungen mit dem Genre darstellt oder eben eine der ersten auf der damals neuen Konsolengeneration. Verglichen mit den Qualitäten anderer RPGs, teilweise gar solchen, die schon lange davor erschienen waren, hat das Spiel aber imho nicht viel zu bieten. Schlecht fand ich es nicht, aber kaum mehr als durchschnittlich. Ganz ähnlich verhält es sich mit BoF und BoFII. Während andere Entwickler sich an neuartigen Steampunk-Settings und komplexer werdenden Storylines versuchen und interessante Abilitysysteme erfinden, dümpeln die SNES-Anfänge der Serie irgendwo auf dem Niveau aus vergangen geglaubten NES-Zeiten herum. Nicht in allen Punkten voll daneben, aber dennoch meiner Ansicht nach für damals schon einfach nicht mehr zeitgemäß.
Daher hatte ich also keine besonders hohen Erwartungen mehr an Breath of Fire. Umso mehr überraschte mich der vierte Teil, der, verpackt in eine detailverliebte asiatisch anmutende Welt, elegant die Vorzüge der Vorgänger in sich vereinte und mit wenigstens ein paar dringend nötigen Neuerungen versah. Ich fand das Spiel ehrlich gesagt große klasse, was zum einen an der wunderbaren Spielwelt lag, zum anderen an der (erstmals) überaus gelungenen Handlung. Fou-Lu ist einer der besten Antagonisten, die jemals für ein japanisches Rollenspiel erdacht worden sind. Einfach fantastisch, gerade weil er in einigen Abschnitten spielbar war. Das hatte ein wenig von Laguna & Co aus FFVIII, war für sich genommen aber viel interessanter, da wichtiger für den Verlauf der Story.
Die Serientradition bedeutete mir also nicht viel, auch wenn ich den vierten Teil sehr genossen habe. So konnte ich relativ unvoreingenommen an den fünften und bislang letzten Titel der Serie herangehen. Wobei es falsch wäre, zu sagen, dieser hätte mit den anderen nichts mehr zu tun - so etwas kann eigentlich nur von Leuten gesagt werden, die sich mit der Serie insgesamt nicht besonders gut auskennen oder diese nur recht oberflächlich gespielt haben. Denn von dem grundverschiedenen Konzept mal abgesehen, findet sich in BoFV so viel typischer Kram wieder, dass bei mir durchaus das Gefühl aufkam, trotz aller Neuerungen klar einen (vollwertigen) Teil dieser Serie zu spielen. Sei es nun das Menüdesign, die Eye-Goos und andere Monster, die Drachenthematik mit den daraus resultierenden Fähigkeiten, das Feendorf oder auch nur der wesentlichste Aspekt: Ryu und Nina.
Was ich außerdem erfrischend fand, war, dass nach vier Spielen mit einem praktisch stummen und daher überflüssig in seiner Integrität beschnittenen Protagonisten Ryu endlich sprach wie jeder andere auch. Ja, ich weiß wozu diese Stummschaltung eigentlich dienen soll, ist ja nicht so, als gäbe es das nur in BoF. Aber die Art, wie diese Serie aufgebaut ist, verlangte wirklich nicht nach zusätzlicher Identifikation durch den Spieler. So etwas sollte man RPGs wie Legend of Mana überlassen.
Btw. denke ich außerdem nach wie vor, dass die meisten von denen, die den fünften Teil verteufeln, diesem nie wirklich eine ernst gemeinte Chance gegeben und sich auf das komplexe Gameplay und die Spielwelt eingelassen haben. Das ist ein Fehler, weil man auf diese Weise ein kleines Meisterwerk verpasst. Nicht nur hier, grundsätzlich sollte man beim Spielen nicht in Gedanken darin verhaftet sein, was man alles aus diversen Vorgängern vermisst. So fehlt einem schnell der Blick dafür, was alles geboten wird, was jene Vorgänger unter Umständen nicht im mindesten zu bieten hatten. BoFV ist dafür kein schlechtes Beispiel, denn es setzt sich ja nicht umsonst ganz bewusst von den anderen Teilen der Serie ab. Denkt mal drüber nach.
Alles in allem mochte ich BoFV und an zweiter Stelle dessen Vorgänger doch sehr, auch wenn ich den Rest ohne Reue unter den Tisch kehren kann. Insofern finde ich es schon sehr schade, dass diese kommerziell wenig erfolgreichen Spiele vorerst eingestellt wurden, auch wenn ich diesen Schritt aus Capcoms Sicht natürlich gut nachvollziehen kann. Am ehesten würde ich mir ein Breath of Fire VI wünschen, welches eine Art Mischung aus den bisherigen, eher naturbelassenen Spielwelten mitsamt einer Weltkarte und zahlreichen Gameplaysystemen aus dem fünften Teil, insbesondere dem Kampfsystem, darstellt. Ohne den Stress, der mir in BoFV mit seiner speziellen Herangehensweise so gut gefallen hat, sollte man den D-Counter abschaffen, damit man genug Gelegenheit hat, alles in Ruhe zu erforschen, und durch etwas Vergleichbares ersetzen, das ebenfalls einen spieltechnischen Gesamtbezug hat. Soll heißen natürlich möchte ich kein Spiel mit riesenhafter Spielwelt, in der ich dann auf halbem Wege Game Over gehe, weil ich mir alles ganz genau anschauen möchte, aber auf der anderen Seite war es schon ultraderbegeil, den D-Counter in BoFV bis zum letzten Boss zurückzuhalten und dann gewissermaßen alles was man zu bieten hat mit einem Mal zu entfesseln. Dabei hatte jeder Spieler die Freiheit der Entscheidung, die Dosierung der übernatürlichen Kräfte selbst zu bestimmen. Gerade diese Ambivalenz aus Vorteil und Nachteil hatte etwas faszinierendes, das ich in irgendeiner abgewandelten, meinetwegen etwas weniger drastischen Form sehr gerne in einer Fortsetzung der Reihe gesehen hätte. Insgesamt lassen sich um die durch Breath of Fire angesprochenen Thematiken und die darin auftauchenden Figuren mit ihren spielübergreifenden Eigenheiten herum noch so viele sauber präsentierte Geschichten erzählen. Es ist bedauerlich, dass die Serie ausgerechnet an dem Punkt zum Stillstand kommt, wo sie die Innovation endlich bieten konnte, die ihr all die Jahre über versagt blieb. BoFV war in mancher Hinsicht schon ein "Anti-BoF", was ich an dieser Stelle eher positiv meine. Allerdings muss es ja nicht gleich dieses Extrem sein. Capcom hat gezeigt, dass sie es eigentlich können - Spielwelt und Story von Teil 4, Gameplay und Musik von Teil 5, viele skurrile Kleinigkeiten, die mir in Teil 1bis 3 durchaus zusagten. Bloß haben sie es nie geschafft, ein einziges Mal alles in einem Spiel zu vereinen. Ab und zu erschlägt mich kurzzeitig diese Vorstellung, dass das ultimative Breath of Fire immernoch und nach so langem Warten danach schreit, endlich entwickelt zu werden. Auch was Technik und Budget angeht, zeigt Capcom mit Devil May Cry und anderen Spielen, dass sie was großes zusammenbasteln können, wenn dies auch tatsächlich so intendiert ist. Man stelle sich nur das oben beschriebene Spiel mit Grafik auf dem neuesten Stand der jetzt aktuell gewordenen Konsolengeneration vor! Leider scheint es eine einsame Vorstellung zu bleiben. Selbst wenn ein paar Mitarbeiter in der Firma irgendeine besondere Schublade öffnen und Pläne für das nächste Spiel der Reihe hervorholen, ja sich daran machen, so etwas in die Tat umzusetzen und dem alten und bekannten Namen wieder neues, feuriges Leben einzuhauchen (-_^), würde dabei am Ende doch ein sechster Teil herauskommen, der keine Offenbarung und die Erfüllung all unserer Wünsche ist. Aber schon der Versuch alleine wäre die Sache irgendwie wert, denn ich habe schon lange keine Feendorf-Aufbausimulation mehr in einem RPG finden können.
Realistisch betrachtet tröste ich mich jedoch damit, dass es unzählige andere gute Rollenspiele gibt, die erstmal durchgezockt werden wollen. Wer weiß, ob ich überhaupt genug Zeit für ein neues BoF hätte? Auch ist es nicht gerade schlecht, BoFV weiterhin als eine Art Unikat sehen zu können, das am Ende der Serie steht. Von daher gefällt mir der oben stehende Gedanke, dass irgendwo im Capcom-HQ in Ôsaka ein Ordner mit brisanten Papieren in einer staubigen Schublade darauf lauert, herausgekramt zu werden. Der Gedanke, dass die Serie nur ruht und nicht auf alle Zeit beendet wurde (und so etwas wird Capcom garantiert nicht tun, da diese Marke immernoch was wert ist und sich damit, wenn auch derzeit nur verschwindend wenig, Geld machen lässt). Also habe ich was das angeht mit BoF allen schönen Planspielen und Wunschvorstellungen zum Trotz vorläufig meinen Frieden gemacht und das ganze Thema, verbannt in eine hintere Ecke meines Hirns, auf Eis gelegt, bis es irgendwas Neues diesbezüglich zu vermelden gibt. Und das empfehle ich euch auch, wenn ihr euch nicht unnütz ärgern wollt, denn ich glaube kaum, dass wir BoFVI in absehbarer Zeit sehen werden, wenn denn überhaupt.
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