Da ich im Moment sehr in den Gedanken verschossen bin, irgendwann mal als Literaturübersetzer um mein Brot zu kämpfen, bin ich hin und wieder mal geneigt, Gedichte zu übersetzen, vor allem weil die lyrische Welt aus irgendeinem Grund die letzte Bastion guten Geschmacks ist. Das soll nich heißen, dass beispielsweise epische Werke nichts mehr taugen würden, aber man läuft schneller gegen den Belletristikpfosten des schlechten Kapitalismus als gegen schlechtverkaufte Reime - zumindest geht ein Verlag heutzutage scheinbar noch so weit, Gedichte erst nach einer gewissen Qualität anzunehmen; irgendwelche Pseudo-Krimithriller findet man ja hingegen schon seit Jahrzehnten in jedem Bahnhofsbücherladen.

Naja, und da ich endlich mal ein Gedicht hab, mit dem es sich lohnt zu arbeiten und das mir überhaupt recht arg am Herzen liegt, wollte ich mich da wohl mal ganz dilettantisch ranwagen, auch im Sinne von euch Französischbanausen, aber eher aus Spaß an der Freude.

Es ist im Übrigen ganz interessant, wie schön sich mit den Kadenzen spielen lässt. Wenngleich mir das in der deutschen Version nicht ganz so klassizistisch wie ursprünglich gewollt gelungen ist, hat sich durch die kleinen Verschiebungen sofort der Sprechfluss geändert. Wie ich finde, ist der aber für das Deutsche auch etwas abgerundeter, als dieses sture mm/ww-Prinzip. Dafür ist unsere Muttersprache viel zu liebenswert unsystematisch. Die unreinen Reime sind übrigens mit Vorsehung gewählt, um ein Stück weit am Original zu bleiben, in dem wiederum ich an den entsprechenden Stellen nur unreine Reime zwecks fehlendem Wortschatz zur Hand hatte.
Die Sinnverschiebungen sind übersetzungsgeschuldet; ihr solltet - zu meiner Verteidigung gesprochen - aber mal die leidigen Übersetzungen der Gedichte von Lewis Carroll lesen, da darf das schonmal vorkommen.


Und ich zählte deine Spuren im Sand,
Ich schuldete dir mein Herz, meiner Liebe Unterpfand
Ich sprach vom Vergehen, du meintest "Lebe!"
Und so also ging ich still meiner Wege.

Und ich zählte deine Spuren im Schnee
Alle, eine nach der anderen, wie ein Jahrhundert vergehe.
Alles sah uns nach und nicht länger nach unseren geschundenen Wegen
Und wir sahen uns selbst und glaubten uns gleich geblieben.

Und ich zählte auch die Folterspuren
Ein Fehler zu glauben du leidetest Torturen
Ein Fehler zu sehen, von dem die unseren zeugen
Und so also mussten wir uns fremden Blicken beugen.

Und ich zählte deine Spuren auf mir selbst
Jene auf meinem Herzen, seit du im Schlaf dich dort wälzt.
Jene auf meinem Munde, als ich dich berührte
Und ich glaubte dich fern, vergelt's, und lief erneut wohin der Weg mich führte.

Und ich zähle deine Spuren im Kornfeld
Bis zu jenem Abend, den ich verlebe in einer vergangenen Welt
Bis zu jenem Moment, an dem du mir zurückkehren wirst
Und ich mir eine Welt schaffe, in der du mir ganz gehörst.