Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
Ich nehme an, ich hätte dich kürzer zitieren sollen. Ja, der Unterschied existiert im Studium, aber in der allgemein höher bildenden Schule? Wer lernt dort für's Arbeitsleben? Ist der Vergleich Kunsthistoriker-Künstler hier nicht ein schlechtes Beispiel? Der Kunsthistoriker ordnet Kunst und verpasst ihr nach seinen Möglichkeiten Wertigkeit, während der Künstler Kunst schafft. Ihre Handwerke sind trotz ähnlicher Bezeichnungen gänzlich andere.
Ich finde das Beispiel sogar sehr passend. Denn was ist das Philosophie-Studium anderes als eine Ordnung der bisherigen Philosophie. Einer Philosophischen Denkrichtung kann man ohne Kenntnisse dieser Ordnung sehr gut angehören (genau, wie man romantische Kunst mögen und ggf. "nachmalen" bzw. deren Tradition nacheifern kann). Es geht ja hier bloss um die Art, wie Philosophie gelehrt wird. Dass diese genau wie das meiste andere bloss akademische Disziplin ist, hab ich anbetrachts des Threadtitels als Datum angenommen. Also: Denkschulen, ja, das ist angewandt. Akademische Philosophie, nein, ist nur historische Verordnung.

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Der Fall liegt hier anders: Wenn man die Themen nachvollziehen kann und die Regeln des Diskurses beherrscht (mit denen man sich im Studium mindestens theoretisch ausführlich befasst hat), kann man Philosophieren. Die Linie zwischen Beherrschung und alleinigem Kenntnis der Materie zu ziehen ist bei den der Philosophie schwerer als bei anderen geisteswissenschaftlichen Fächern. Der Politologe ist natürlich dadurch beschränkt, dass man ihm die notwendigen Fähigkeiten zum Politiker-sein nicht lehrt, sondern die Methoden korrekte Beobachtung des Feldes.
Wenn er die Methoden kennt, könnte er theoretisch gezielt Positionen entwickeln, die ihm im demokratischen System am meisten Macht verschaffen. Der Rückschluss ist also genau wie beim Philosophen möglich. Politiker und (nennen wir es mal angewandte) Philosophen sind keine akademischen Titelträger, sie sind Realitätsverarbeiter und Theorienschaffer. Der beste Politiker ist jener, der die Probleme in der Gesellschaft sieht und sie zum Programm macht. Der beste angewandte Philosoph ist jener, der die Probleme in der Gesellschaft sieht und eine Problemlösung konstruiert (naja, Soziologen behaupten ja, Philosophen konstruieren sich auch die Probleme, dies aber nur als amüsante Nebenbemerkung).
Den Philosophen an einem Formalismus festzumachen halte ich indes für etwas kurzsichtig. Wie jemand einen Diskurs führt kann doch nicht darüber entscheiden, ob ein Gedankengang philosophischer Natur oder bloss profaner Natur ist. Würde sich die Philosophie solche Schranken auferlegen, so würde sie sich gleichzeitig selbst zweckentfremden, indem sie einfach eine geistige Aristokratie schafft, die aus Willkür heraus über die philosophische Natur irgend eines Ereignisses, einer Ereignisskette oder eines Verhältnisses entscheidet.
Wie dem auch sei, zurück zum vorakademischen Schulwesen: Ich zweifle stark, dass entsprechende Kurse den Voraussetzungen einer adäquaten philosophischen Ausbildung entsprechen (nicht zuletzt, weil sie in einem Zeitraum stattfinden, in dem einem jungen Menschen primär nur eine Person, nämlich er selbst, wichtig ist).