Ich habe gehofft, Du würdest das sagen.
Ich hab jetzt drei Charaktere konzipert. Einmal einen schizophrenen Supermarktkassierer, in dessen Kopf neben seiner normalen Hauptperson noch zwei andere Persönlichkeiten (ein sozipathischer Frauenheld und ein schüchterner Schuljunge, der auf Erniedrigungsphantasien steht) herumschwirren und der dann immer wieder zwischen diesen wechseln würde.
Dann noch einen Serienmörder, der fünf bis zehn Jugendliche mit einem Jagdmesser ermordete und dafür hingerichtet wurde.
Entschieden habe ich mich dann aber doch für den hier:
Samuel Talbot
Fakten ----- etwa 182 cm groß, 73 kg schwer, gutaussehend. Perfekt gestylte braune Haare und ein Grinsen auf dem Gesicht, das jedem Scientologen beim Auditing die Socken ausziehen würde. Samuel Talbot ist—oder besser gesagt: war—ein erfolgreicher Psychiater, Harvard-Absolvent, aus dem 30.000-Seelen-Ort Poughkeepsie im Bundesstaat New York, das etwa auf dem halben Weg zwischen New York City und Albany gelegen ist. Sein schicker, anthrazitfarbener Anzug, der wahrscheinlich mehr kostet, als ein Durchschnittsamerikaner im Jahr verdient, ist das erste, was einem—neben seinem opulenten Grinsen—auffällt, wenn man seine mit sündhaft teuren aber unnützen Dekorationsgegenständen geschmückte Praxis betritt.
Samuel Talbot ist verheiratet, aber auf die Idee kommt niemand, der keinen Blick auf seinen Trauschein geworfen hat. Er betrügt seine angetraute Ehefrau, die Strafverteidigerin Amelia Joan Talbot (geborene Fairfax), etwa drei- bis siebenmal pro Woche mit unterschiedlichen Sexualpartnern; begonnen hat er damit in der zweiten Woche nach der Ehe, als er während der Flitterwochen mit einem Zimmermädchen aus dem Hotel in Dubai, in welches das Pärchen eingecheckt hatte, auf dem gemeinsamen Hotelbett etwa eine Stunde lautstarken Sex praktizierte. Um die Frauenrechtler zu beruhigen: sie tut dies ebenfalls. Denn der einzige Grund dafür, daß Samuel Talbot in den gemeinsamen Flitterwochen über eine Stunde Zeit hatte, in allen Stellungen vom Doggy style bis zum Löffelchen, mit einem Zimmermädchen zu vögeln war, daß seine Frau währenddessen den Schwanz eines stinkreichen Börsianers, den sie in der Hotelbar bei ihrem fünften Apple Martini kennelernte, im Mund hatte. Aufgrund dieser Begebenheiten wundert es niemanden, daß das Paar seit dem Eheschluß vor sieben Jahren (Samuel Talbot war damals 27 gewesen) kinderlos blieb.
Samuel Talbot—nach seinem Tod
Nicht so ganz offizielle Fakten ----- der Beruf als Psychiater bringt zwar, einen entsprechenden Kundenstrom vorausgesetzt, mehr Geld als einige andere Berufe ein, doch um sich seinen Porsche Cayman (295 PS), seinen BMW Z8 (400 PS) und seinen Bentley Continental GT (560 PS) leisten zu können, müßte er mehr gutbetuchte Patienten kurieren, als es sein Terminkalender zulassen würde. Samuel Talbot ist niemand, der auf die angenehmen Seiten des Lebens verzichten möchte und so suchte er schon während seiner Zeit auf dem College nach Möglichkeiten, diese zu finanzieren. Und während er regelmäßig mit der ein oder anderen Linie Koks und dem ein oder anderen nackten Mädchen auf seinem Zimmer im Dormitory saß, das er mit dem angehenden plastischen Chirurgen Allan Ellis teilte, kam ihm die Idee, die ihn reich machen würde. Er brauchte dafür nur zwei Dinge: jemanden, der ihm die Kontakte zu Drogenkartellen aufbauen würde und jemanden, der diese Kontakte bei Bedarf mit einem M24 SWS oder einem M40 aus dem Weg räumen konnte.
Samuel Talbot schaffte es—ob dabei Glück oder Verstand die dominante Rolle spielte, ist unbekannt—diese Kontakte herzustellen und schon wenige Monate nach seinem Abschluß in Harvard, welchen er immerhin mit summa cum laude bestand, einen Namen in der amerikanischen Drogenszene und mehr Geld, als er ausgeben konnte, hatte. Und während die Polizei immer wieder versuchte, ihm etwas nachzuweisen, kaufte er sich Sportwagen, Kunstwerke oder maßgeschneiderte Anzüge von Prada und flog zum Frühstück nach Paris und zum Dinner nach Rom. Lediglich einmal schaffe es ein aufstrebender Lieutenant vom NYPD, ihn wegen Drogenbesitzes in Gewahrsam zu nehmen. Er leistete sich jedoch die beste Anwältin der Stadt (Amelia Joan Fairfax, die nur zwei Wochen nach dem gewonnenen Prozeß seine Frau werden sollte), vögelte ihr das Gehirn aus dem Leib und gewann einen Freispruch in allen Anklagepunkten. Der Lieutenant, der ihn angeklagt hatte, setzte sich wenige Tage später nach Europa ab; angeblich, weil ihm der Staatsanwalt der die Anklage im Fall Talbot vertrat, kurz bevor dieser mit einem M24 SWS in seinem Wagen erschossen wurde, telefonisch einen heißen Tip diesbezüglich gab.
Das Ende ----- Samuel Talbot war ein überaus beliebter Psychiater und seine Patienten schätzten ihn. Nicht nur wegen seiner herausragenden Fähigkeiten und seinem Diplom von Harvard an der Wand, sondern auch dank seiner berühmten Diskretion. Wie viele Stars schon bei ihm in Behandlung waren, in unsicher, aber die Regenbogenpresse verriß sich regelmäßig das Maul darüber. Als seine mexikanische Putzfrau Lucia Costa durch Zufall eine heruntergefallene Akte wieder einsammeln wollte und dabei den Namen eines gesuchten Drogenbarons aus Kolumbien auf Samuel Talbots Gästeliste las, sah sie sich aus Angst um ihr eigenes Leben gezwungen, die Polizei darüber zu informieren. Jener Drogenbaron war es leider, der diese Aktion seitens Lucia Costas nicht sonderlich guthieß und zwei seiner Leibwächter schickte, um den Verantwortlichen mit einigen spartanisch anmutenden Haushaltsgegenständen (unter anderem einen Tauchsieder und eine Suppenkelle) zur Verantwortung zu ziehen. Die zwei Schränke, die in etwa so kräftig wie dumm waren, kombinierten jedoch messerscharf, daß Samuel Talbot schuld an der Untersuchungshaft war, in der sich ihr Boß zu jener Zeit befand und betraten sein Büro, während er keine Sprechstunde hatte und seine Frau mit dem Poolboy oder dem Briefträger ein paar neue Spielarten der Matratzenakrobatik ausprobierte. Als Lucia Costa ihn einige Stunden später fand, war sein Gesicht fast vollständig verbrannt und vernarbt und der Tauchsieder, der bis zum Anschlag in Samuel Talbots Mund steckte, verströmte dank der Tatsache, daß sein Kabel noch immer in einer Steckdose prangerte, einen morbiden Geruch von verkohlten Rippchen während eines Thanksgiving-Barbecues.
Die durch die Autopsie festgestellte Todesursache war ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand gegen die Schläfe. Der Wunde zufolge handelte es sich bei diesem Gegenstand entweder um eine schwere Suppenkelle, eine chinesische Vase oder eine tiefgefrorene Rinderkeule.