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General
Cyrodiil, Skingrad
„Aha, ich verstehe.“ Malukhat nickte einvernehmlich. „Vergiss’ es.“
Draven entglitten die Gesichtszüge, dann fing er sich wieder. Offenbar war er der Ansicht gewesen, den Erzmagier von seinem Plan überzeugt zu haben. Dabei sollte er inzwischen wissen, dass Malukhat sich nur schwer von Plänen überreden ließ, die sein Leben in Gefahr brachten und auch sonst über keine nennenswerten Vorteile verfügten.
„Wenn du dich nicht wie ein totaler Idiot verhältst, ist mein Plan todsicher“, insistierte der Vampir, aber Malukhat schüttelte mit dem Kopf und winkte ab.
„Ich bin sicher tot, insofern hast du recht. Und das, obwohl ich mich nicht wie ein Idiot verhalten würde. Ich verhalte mich nie wie ein Idiot. Du willst, dass ich dir helfe, also beleidige mich gefälligst nicht.“
„Ja, ich will wirklich, dass du mir hilfst, und würdest du dich nicht jetzt schon wie ein kompletter Idiot verhalten, hätte ich keinen Grund, dir zu unterstellen, du könntest dich wie ein Idiot verhalten. Jedenfalls nicht in so einer Situation. Du hast schließlich bereits einmal erfolgreich Vampire gejagt. Oh, halt, damals war ich ja der Leidtragende, weil du dich wie ein Idiot verhalten hast. Ich weiß also wirklich nicht, wie ich nur darauf komme, du könntest den Plan rein ausversehen durch Idiotie sabotieren.“ Draven grinste übertrieben und legte zur Untermalung seiner Worte zwei spitze Eckzähne frei.
Malukhat war entsetzt. Sein Mund öffnete sich in dem verzweifelten Versuch, Draven verbal in die Weichteile zu treten, doch der Quell war versiegt. Er schloss den Mund, setzte eine säuerliche Miene auf und wies mit dem Zeigefinger auf den Bretonen, nur um ihn wieder sinken zu lassen und ein paar unverständliche Worte zu stottern.
Er war sprachlos.
Würdevoll erhob sich der Dunmer, strich beleidigt seine Robe glatt und machte sich daran, das Zimmer zu verlassen. Wenn dieser dreckige Vampir auch nur glaubte, Malukhat würde je wieder ein Wort mit ihm wechseln, hatte er sich gewaltig geschnitten. Idiotie! Er! Pah, was wusste Draven schon. Der war doch nur ein Vampir, total weltfremd, lebte in seiner eigenen kleinen Welt. Keine Ahnung, der Bursche. Das musste sich Malukhat von einem Grünschnabel wie dem nicht gefallen lassen.
„Aber wenn du Angst hast… ist das natürlich in Ordnung“, hörte er Draven sagen und verharrte in seiner Bewegung. „Kann dir ja keiner verdenken, bei der letzten Vampirjagd hat es dich schließlich beinahe erwischt.“
„Oh, Moment mal – wer hat gesagt, dass ich Angst haben? Du verwechselt da was mit Selbsterhaltung, mein blutsaugender Freund. Ich weiß, man sieht es mir nicht an, aber ich komme langsam in die Jahre. Die Zeit, die mir bleibt, möchte ich mit sinnvolleren Dingen verbringen als Sterben.“
Draven sah sich nicht um, als er theatralisch seufzte und die Ellenbogen auf dem Tisch abstützte. „Na gut, Malukhat, wenn es dir so wichtig ist, nicht zugeben zu müssen, dass du, nun ja, ein Weichei bist, spiele ich halt mit: Aber wenn du viel zu alt bist, um dein Herz noch mit solch nervenaufreibenden Dingen wie einer Vampirjagd zu belasten, ist das natürlich in Ordnung.“
„Weichei?“ Malukhats Mund klappte auf und er starrte Draven ungläubig an. Dieser nickte bestätigend. „Ich hätte es zwar anders formuliert, aber ja.“
„Du hast es so formuliert.“
„Von mir aus.“ Er erhob sich ächzend und streckte sich. Malukhat wusste, das war reine Zeitschinderei. Ein Vampir streckte sich nicht. Jedenfalls hatte er noch nie einen gesehen, der das tat. Von der Seite betrachtet, hatte er sich eigentlich auch noch nie in einer Situation befunden, vampirische Verhaltensweisen beurteilen zu können; er kannte nicht viele Vampire. Aber er kannte Draven, und das bedeutete, er streckte sich nur, damit Malukhat darüber nachdachte. Zu dieser Schlussfolgerung kam der Erzmagier leider immer erst, wenn es längst zu spät war.
Draven klopfte Malukhat begütigend auf den Rücken. „Mach’ dir um mich keine Sorgen. Ich weiß jemanden, der für eine Vampirjagd sowieso besser geeignet ist.“
Misstrauisch verschränkte der Dunmer die Arme vor der Brust. „Und wer soll das bitte sein?“
„Ein gewisser Paladin und Landsmann, über den du dich in der Vergangenheit des Öfteren sehr abfällig geäußert hast.“
„Aurel Germain? Du sympathisierst mit dem Feind?“
„Ich sympathisiere mit dir. Danach sinkt die Hemmschwelle.“
Malukhat lachte auf und stemmte die Arme in die Seiten. „Ein Vampir verbündet sich mit einem Paladin? Das wäre die Paarung des Jahres. Ich würde zu gern sehen, wie der unwissende Trottel im Auftrage eines Vampirs Vampire jagt. Damit wäre euch beiden ein Platz in meinen Memoiren sicher.“
„Ich wusste, du würdest nichts dagegen haben“, sagte Draven. „Ich werde dann mal gehen. Die Nacht ist noch jung, und ich will dich nicht aufhalten, deine morschen Knochen noch eine Weile zur Ruhe zu betten.“
Lass ihn gehen, Alter, dachte Malukhat. Lass ihn einfach gehen. Du weißt doch genau, worauf er hinaus will. Trotzig schob er die Unterlippe vor. Aber das klappt nicht, du bist nämlich ein Kerlchen der ganz besonders schlauen Sorte, oh ja. Er denkt, er kann dich so einfach reinlegen, als wäre dein Hirn schon auf halbem Weg zum Friedhof. Das lässt du dir von ihm nicht mehr gefallen. Du bist schon viel zu oft eingesprungen, wenn klein Draven mal wieder jemanden brauchte, der ihm die Windeln wechselt. Dass er nie laufen gelernt hat, ist ja nicht deine Schuld, sondern primär das seiner Eltern. Oder es ist so eine Bretonen-Sache, der fortgeschrittene Völker schon längst entwachsen sind.
Hinter ihm ging die Tür zu und Malukhat wusste einfach, dass Draven sich in diesem Moment verzweifelt fragte, wie er ohne Hilfe gegen die Vampire angehen sollte. Der Bretone war viel zu stolz, um zu betteln. Wäre das anders, hätte Malukhat schon vor langer Zeit den Respekt vor ihm verloren. Das bisschen Respekt, dessen Existenz er sich eingestand. Draven wollte jedenfalls, dass Malukhat ihm folgte, und wenn er das nicht tat, dann… wenn er das nicht tat, dann… dann…
Der Erzmagier stürmte die Tür. Vielleicht erwischte er Draven noch, wenn er sich beeilte. Der Vampir hatte die schlechte Angewohnheit, sich unheimlich gut in Schatten verstecken zu können. Diese Fähigkeit kam meist dann zum Tragen, wenn er Malukhat einen Streich spielen oder ihn erschrecken wollte, aber der Dunmer konnte sich vorstellen, dass sie auch in praktischen Bereichen zum Tragen kam.
Aber er hatte Pech; er fand die Eingangshalle seines Hauses leer, die Tür abgesperrt. Stöhnend griff er sich an den Kopf. Nicht, dass es ihn kümmerte, wie Draven gegen die Vampire ankommen. Im Prinzip war es ihm sogar egal, von dem Freund ein Weichei genannt zu werden; das machte ihn einfach nur wütend. In Verbindung mit Aurel Germain als Weichei bezeichnet zu werden… nun, das war etwas anderes. Er hatte sich das letzte Mal so beleidigt gefühlt, als ihm jemand unterstellte, mit Ranis Athrys verheiratet zu sein.
Doch es war zu spät, diese Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Nur ein paar Sekunden zu spät geschaltet, und schon war ihm die Kutsche abgesoffen.
„Suchst du jemanden?“
Es benötigte all seine Willenskraft, um nicht zusammen zu fahren und einen spitzen Schrei auszustoßen. Er versagte jämmerlich.
„Danke, Draven. Das macht mir die Entscheidung leichter, in deinen Plan einzuwilligen. Willst du wissen, warum? Ich werde es dir sagen: Wenn ich tot bin, brauche ich dich nicht mehr zu ertragen. Und ich werde sterben, ganz sicher, weil dein Plan einfach dämlich und zum Scheitern verurteilt ist. Das hätte ein stummer Vierjähriger ohne Arme besser hinbekommen, aber mit dem Spruch kannst du meine Tochter auch nicht aufmuntern, wenn sie den Sarg zum Friedhof tragen. Den ganzen Schlamassel wirst du ihr dann erklären, und ich warne dich: Wehe, ich werde auf diesem stinkenden Kaiserlichen-Friedhof verscharrt. Wenn das passiert, stehe ich wieder auf, mache dich dafür verantwortlich und trete dir höchst eigen in dein leichenblasses Hinterteil. Das schwöre ich bei Azura, und bei der hat das ja schon einmal geklappt.“
Draven sah ihn wieder mit der gewohnten Gleichgültigkeit in den Augen an. „Bist du fertig?“
„Nein. An diesem Punkt müsste ich den Schürhaken nehmen und mehrmals blindwütig auf dich einschlagen, aber ich dachte mir, den Teil willst du lieber auslassen.“
„Wir gehen alles noch einmal durch und bringen es morgen zu Ende. Einverstanden?“
Malukhat knurrte eine Bestätigung. Selbstmord. Es war Selbstmord. Schlicht und ergreifend Selbstmord. So sehr er sich auch bemühte, auf eine andere Bezeichnung zu kommen, es war und blieb Selbstmord. Er schüttelte mit dem Kopf.
„Ein Märtyrer-Tod. Dass mir das mal passieren würde…“
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