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Ritter
Cyrodiil, Kaiserstadt, Elfengarten
Ruhe.
Ja, Ruhe war es in der Tat, die man im Baumgarten-Bezirk der Kaiserstadt finden konnte. Sanft strich der Wind über ihr Gesicht und ihre Haare. Das Gras unter ihren Händen fühlte sich warm und weich an, lediglich der Stein, an den sie sich angelehnt hatte, war etwas kühl und hatte eine ungemütliche Ecke, die ihr schon die ganze Zeit in den Rücken pieckste.
Seufzend veränderte sie ihre Sitzposition etwas, in der Hoffnung der Ecke zu entgehen ohne aufstehen zu müssen. Es gelang ihr nicht recht, aber immerhin pieckste es jetzt an einer anderen Stelle in ihrem Rücken und war dadurch wieder für eine Weile aushaltbar. Sie blickte verträumt zum Weißgoldturm und dachte dabei an die vergangenen Wochen, die sie in ihrer Heimat Hammerfell verbracht hatte. Die Art der Abreise war recht ungewöhnlich und überstürzt gewesen, weswegen sie immer noch nicht so ganz glauben konnte, das dies alles tatsächlich passiert war.
Einige Tage nachdem sie in jener verregneten Nacht vor fast drei Monaten beim Juwelier "Roter Diamant" eingebrochen war, hatte sie genauso hier im Elfengartenbezirk gesessen und zum Weißgoldturm hinaufgeblickt. Damals kam ein Junge, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt und unglaublich dreckig, auf sie zugelaufen, um ihr mitzuteilen, das sein Vater sie am Abend im Marktbezirk treffen wollte. Grimoa kannte diesen Jungen nicht, hatte ihn noch nie zuvor gesehen und würde ihn vermutlich auch nie wiedersehen. Aber sie verstand die Botschaft trotzdem. Sie sollte sich am Abend im Marktbezirk aufhalten, um einen Kontakt von der Diebesgilde zu treffen, dem sie die Beute aus dem Juwelier übergeben würde.
Also hatte sie am Nachmittag des gleichen Tages den kleinen Beutel, der die Edelsteine aus dem Einbruch enthielt, an ihrem Gürtel befestigt und sich in das Marktviertel aufgemacht. Dort lief sie etwas hin und her, schaute die Auslagen der Geschäfte an und versuchte ihr Bestes, zwischen den Menschen und Elfen, die sich hier aufhielten, nicht aufzufallen. Grade, als sie schon befürchtete, der Kontakt würde das Treffen platzen lassen, schritt eine der schwergepanzerten Wachen zielstrebig auf sie zu. Etwas zu zielstrebig für ihr über die Jahre in der Kaiserstadt geschultes Gefühl, und so versuchte sie, unauffällig in eine Seitengasse zu verschwinden.
Was leider misslang. Die Wache folgte ihr und eine kräftige Hand packte sie am Oberarm. Ihr rutschte sprichwörtlich das Herz in die Hose.
"Du! Du lungerst doch den ganzen Abend hier schon herum! Solchen Dreck wollen wir hier nicht haben! Geh zurück ins Hafenviertel wo du hingehörst!", schnauzte die Wache sie an.
Der eiserne Griff um ihren Oberarm wurde noch etwas enger und sie befürchtete schon, dass ihr Arm absterben würde. Die Wache zog sie nun in Richtung des Tores, durch welches sie kurz darauf das Marktviertel verließen.
Grimoas Arm schmerzte und ihr Herz und ihre Gedanken rasten. Wodurch hatte sie sich verraten? Wieviele der Passanten im Marktviertel hatten mitbekommen, das sie von einer Wache abgeführt wurde? Wieviele Menschen würden von nun an ihre ungewöhnliche Haarfarbe mit "die hat Ärger mit den Wachen" verbinden? Wie lange würde man sich an diesen Vorfall erinnern?
Sie war so in Gedanken, das sie zunächst nicht bemerkte, dass die Wache sie nicht zum Hafenviertel führte, sondern raus aus der Stadt und - Richtung Gefängniß!
"Da hinein", schnauzte die Wache, als er sie durch das Tor des Stadtgefängnisses schubste. Drinnen war es kühl und dunkel, obwohl draussen die Dämmerung erst langsam begann.
Der Wachmann nickte einem Kollegen kurz zu, als er Grimoa einen langen Zellentrackt entlangführte. Erst jetzt viel ihr auf, dass der Wachmann, der sie aufgegriffen hatte, allein war. Normalerweise bestanden die Patrouillen im Marktviertel immer aus zwei Wachen. Warum war dieser allein?
Er öffnete eine Zellentür, die scheinbar nicht verschlossen war, und schubste sie nocheinmal, so dass sie in die dunkle Zelle stolperte. Hinter ihr wurde die Tür zugezogen, aber wie sie hören konnte, nicht abgeschlossen.
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Zwielicht der Zelle, und zu ihrem Erstaunen sah sie eine schemenhafte Gestalt in der Ecke sitzten. Sie konnte das Gesicht nicht erkennen, und trat vorsichtig einen Schritt näher. Doch bevor sie etwas sagen konnte, sprach die Gestalt sie an:
"Willkommen, Schatten. Wie gefällt dir mein neuer Unterschlupf? Der Service ist etwas unfreundlich, aber die Wände dafür sehr dick."
Grimoa riss die Augen auf und gleichzeitig viel ihr die Kinnlade herunter. Ihr seltsamer Zellengenosse war der Graufuchs persönlich!
Jetzt ergab langsam alles Sinn. Der Wachmann war alleine gewesen, weil er der Kontakt vom Graufuchs war. Welcher sich im Gefängnis aufhielt. Ungläubig schloss sie langsam wieder ihren Mund, starrte aber immernoch in die Ecke, in der sie nur eine schemenhafte Gestalt ausfindig machen konnte.
"Nun hör schon auf zu starren wie ein zehnjähriger Junge", ertönte wieder die Stimme hinter der Maske. "Ich hörte, du hast mir etwas mitgebracht?"
"Natürlich..." Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern, als sie versuchte zu sprechen. Eilig löste sie den Beutel von ihrem Gürtel und überreichte ihn dem Graufuchs. Dieser blickte nicht hinein, sondern ließ ihn mit einer kaum sichtbaren Bewegung in seiner Kleidung verschwinden. Als seine Hand wieder zum vorschein kam, hielt sie einen anderen Beutel.
"Dies, Schatten, ist eine kleine Anerkennung von den Armen im Hafenviertel, die schon bald ihre Steuern zurückerhalten werden."
Dankend nahm Grimoa den Beutel entgegen und befestigte ihn an ihrem Gürtel, ohne hineinzugucken. Auf Grund des Gewichtes schätzte sie den Inhalt auf 250-300 Septime.
Normalerweise war damit ein Treffen mit dem Graufuchs beendet, daher überraschte es sie ein wenig, als er sie nocheinmal ansprach:
"Auch wenn ich heute Nacht gute Nachrichten für die Armen des Hafenviertels habe, so habe ich doch schlechte Nachrichten für die Diebesgilde. Einer unserer Mitstreiter ist von den Wachen aufgegriffen worden. Wir werden ihm natürlich helfen, soweit es geht, doch ist es im Moment unerlässlich, das einige wertvolle Mitarbeiter für einige Zeit die Stadt verlassen.
Ich möchte, das du morgen früh an Bord der Seeschlange die Stadt verlässt. Die Überfahrt ist bereits bezahlt. Ich werde dich wissen lassen, wann eine Rückkehr in die Kaiserstadt unbedenklich ist."
Damit war das Treffen dann wirklich beendet.
Grimoa hatte grade noch Zeit gefunden, ihre wichtigsten Sachen zu packen und ihrem Mitbewohner Jeffre bescheid zu sagen, bevor sie nach nur wenigen Stunden Schlaf an Bord der Seeschlange die Kaiserstadt verließ, genau wie der Graufuchs es gesagt hatte.
Erst an Bord erfuhr sie, wohin ihre Reise ging. Nach Hammerfell, genauer gesagt Stros M'kai, von wo aus sie nach Taneth weitersegeln konnte um ihre Familie zu besuchen.
Sie genoss die Zeit mit ihren Eltern und ihren Brüdern, die sobald wie möglich auch nach Hause kamen, als sie vom Überraschungsbesuch ihrer kleinen Schwester hörten.
Mehrere glückliche Wochen später erfuhr sie von einem jungen Matrosen, dass die Seeschlange wieder in Stros M'Kai festgemacht hätte und sie in die Kaiserstadt zurückbringen könnte, wenn sie noch heute aufbrechen würde. Dies musste die versprochene Nachricht vom Graufuchs sein. Abermals musste sie sich überstürzt verabschieden und ging noch am gleichen Abend an Bord eines kleinen Schiffes, welches sie nach Stros M'Kai brachte.
Und jetzt saß sie wieder hier, im Elfengartenbezirk, an den gleichen Stein gelehnt wie vor drei Monaten. Gestern abend war sie im Hafen der Kaiserstadt von Bord der Seeschlange gegangen.
Ihr Zimmer hatte sie unverändert vorgefunden und war sofort totmüde in ihre Hängematte gefallen.
Der Wind frischte nun langsam etwas auf und machte damit den vorranschreitenden Nachmittag deutlich. Wenn sie noch vor dem Abend einen gemütlichen Rundgang durch das Marktviertel machen wollte, sollte sie jetzt damit anfangen.
Seufzend erhob sie sich und massierte ihren Rücken, wo der Stein sie gedrückt hatte. Dann wanderte sie langsam Richtung Marktviertel und genoss die immernoch wärmenden Strahlen der inzwischen tief stehenden Sonne. Auf dem Weg dachte sie darüber nach, wofür sie das Geld von der letzten Belohnung ausgeben würde. In Taneth hatte ihre Mutter es sich nicht nehmen lassen, für alles aufzukommen, was Grimoa benötigte, daher hatte sie das Geld immernoch bei sich.
Sie dachte an den Bogen, den ihr mittlerer Bruder mit nach Hause gebracht hatte. Als sie das erste mal ihre Heimat an Bord eines Schiffes verlassen hatte, hatte sie mit einem geliehenen Bogen an Deck das Schießen geübt. Da sie aber noch nie einen eigenen Bogen besessen hatte konnte sie die letzten Jahre nicht üben. Daher war sie die letzten Wochen mehr als eifrig dabei fast täglich mit dem Bogen ihres Bruder zu trainieren.
Vielleicht würden die 300 Septime ja für einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen reichen?
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