Irgendwie war das Karrod jetzt gar nicht recht, dieser ganze Schlamassel – spazieren gehen wollte er doch, wenn er sich richtig erinnerte? Ja, genau, ein wenig die Beine bewegen, das gute Essen verdauen und seinen Magen beruhigen… wieso zum Henker fand er sich dann jetzt auf einer Wagenfläche wieder, die in halsbrecherischem Tempo durch die Nacht raste und musste sich von einem Banditen bedrohen lassen? Was bitte schön hatte er falsch gemacht, wo zum Teufel hatte sein narrensicherer Plan, einen gemütlichen Abend zu verbringen, eine Lücke, dass im nun sowas dazwischen kommen musste? Spaziergang! Nicht, mit Betonung auf nicht, ganz speziell auf den Buchstaben n, i, c, h und t, nächtliches Massaker vor dem zu Bett gehen! Zum heulen war’s! Was musste er auch immer so vorbildlich sein! Verfluchtes Paladin-Dasein! Ein Söldner würde sich jetzt bereits auf dem Nachhauseweg befinden, nochmals an das gute Essen denken, innerlich den morgigen Tag durchgehen und schlafen! Schlafen !
Ach.

Egal, solche Gedanken wollten ihm jetzt auch nicht recht helfen, denn der Kaiserliche, der von ausserordentlich massiger Statur war, schien nicht die Absicht zu haben, mit ihm mitjammern zu wollen – für das hätte er den Dolch wohl kaum gebraucht. Und einen angeschnittenen Laib Brot oder Käse sah er auch nirgends. Seine Absichten waren ziemlich offensichtlich.
Der Kaiserliche stürzte sich auf ihn. Karrod fing seinen rechten Arm ab und verhinderte, dass der Dolch, der im Übrigen sehr scharf aussah, seinen empfindlichen Magen bei der Verdauung störte. Mit seiner Rechten verpasste er seinem Gegner einen wuchtigen Schlag ins Gesicht, was diesen sogleich zu Fall brachte. Karrod wollte sich auf ihn stürzen, da traf ihn etwas Hartes in die Brust – der Mistkerl, mit dem er vorhin geplaudert hatte und der angesichts der mörderischen Geschwindigkeit des Wagens den Sprung vom Kutschbock auf die Ladefläche nicht wagte, hatte ihm einen Stein angeworfen und rief dem Kaiserlichen irgendwas zu. Karrod geriet ins Schwanken und da der Wagen just in diesem Moment eine unebene Stelle der Strasse passierte, haute es ihn der Länge nach hin auf den Boden – unmittelbar neben die Kiste. Neben die Kiste, die reden konnte. Reden? Eine Kiste? „Rübe“ und „abschlagen“ hörte er doch ganz deutlich! Was zum Teufel! Langsam wurde ihm die ganze Sache hier zu bunt. Fliegende Schwerter, sprechende Kisten… verboten gehörte sowas!
Karrod richtete sich so schnell er konnte wieder auf und zog sein Schwert – irgendwie fühlte er sich so sicherer. Der Kaiserliche rannte direkt auf ihn zu – er schien, den Dolch verloren, nun vollkommen auf seine Körpermasse zu setzen, die wohl ausgereicht hätte, einen Guar, der sich für den Weihnachtsmann hielt, zurück durch den Kamin zu quetschen. Karrod hob das Schwert und machte sich bereit, im letzten Moment auszuweichen – als der verfluchte Wagen schon wieder ein Schlagloch erwischte! Karrod geriet ins Stolpern, der Kaiserliche traf ihn völlig unvorbereitet und ohne dass Karrod ihm auch nur noch den kleinsten Kratzer hätte verpassen können und zack – flog er in hohem Bogen aus dem Wagen. Und schlug ganz, ganz fest auf, wie ihm sein Schädel verriet, als er einige Minuten später wieder zur Besinnung kam, mitten in der staubigen Strasse, alle Vieren von sich gestreckt.
„Autsch“, meinten seine Rippen, als er sich aufzurichten versuchte. Ein kurzer Zauber und es blieb nur noch ein Prickeln übrig – lediglich sein Schädel brummte noch ziemlich. Und das war definitiv nicht mehr sein Kater von vorhin.
Nachdem er nun eine Viertelstunde dort sass, begann er langsam wieder klar zu denken. Was für komische Leute waren denn das? Banditen? Sonderlich viel hatten sie nicht geladen, von dem her kann es ja nicht allzu schlimm gewesen sein… oder? War vielleicht auch besser so – kein Blut geflossen und er schaffte es bestimmt noch bis zum Morgengrauen zu seinem Bett in der Taverne.
Karrod kapierte zwar noch immer nicht ganz alles, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass es mittlerweile ziemlich spät war. Er griff nach seinem Schwert – völlig normal, es wollte nicht mehr fliegen. Gut soweit. Nur die Kiste… eine Kiste redete nicht! Vielleicht war’s ja der Kutscher… ja, das war’s wohl… oder das Pferd, dachte er grinsend.
Er raffte sich auf und machte sich in Richtung Chorrol auf. Für die Verdauung hatte er ja jetzt weiss Gott genug getan. Jetzt hiess es Schlafen. Jawoll.
Nach drei Schritten blieb er wieder stehen – er erstarrte. Er drehte sich langsam um, mit völlig gleichgültiger Miene, wie es schien und blickte in die Dunkelheit, in die soeben der Wagen davon geholpert war.
Es war nicht die Kiste – und es war auch nicht das Pferd. Nein. Es war jemand in der Kiste, der gesprochen hatte! Und freiwillig reiste wohl niemand in einer Kiste.
„Verflucht“, sagte Karrod und trat ausserordentlich missgelaunt nach einem Stein.