„Ach, wisst Ihr… ich und meine Kumpanen, wir sind lediglich Kuriere! Unser Boss, ein Kaufmann aus der Kaiserstadt, hat mal wieder zu spät bemerkt, dass er ja viel zu wenig Wein hat für das morgige Geschäftsessen von grösster Wichtigkeit! Sollen ganz wichtige Leute kommen, Ihr versteht, Verträge abschliessen, einen drüber trinken, ja… wäre ganz schön peinlich, wenn der köstliche Weinstrom mitten in den Verhandlungen plötzlich versiegen würde, nicht?“
Der Mann, der sprach und auf dem Kutschbock neben dem Fahrer sass, trug einen Fellpanzer und wirkte eigentlich harmlos… doch der betont kollegiale Umgangston, den er gleich zu Beginn anschlug, irritierte Karrod. Da wurde man mitten in der Nacht von einem Unbekannten angesprochen, der noch dazu bewaffnet war und vielleicht hinter der nächsten Wegbiegung seine Kumpels am Start hatte, um dem Kutscher bei lukrativ aussehender Ladung den Wagen auszuräumen und er gab bereitwillig Auskunft über seine Absichten… ein gesunde Portion Misstrauen wäre doch angebracht, herrje! Es schien, als ob der Sprecher sich dessen im selben Moment auch bewusst geworden war, soweit Karrod im Schein der Fackel seine Gesichtszüge erkennen konnte und schien sich unter Karrods kritischem Blick ein wenig verlegen zu winden.
„Und was treibt Euch dazu, mitten in der Nacht, kurz nach Anbruch der Nacht, auf dieser unsicheren Strasse die vielen Kilometer in die Kaiserstadt hinter euch zu bringen? Es hätte wohl auch gereicht, im Morgengrauen loszufahren, euer Kaufmann gedenkt sich ja kaum noch vor Mittag zu betrinken, nicht?“ Karrod wölbte seine linke Augenbraue – das sah so furchtbar eindrucksvoll aus, dass er es in früheren Jahren regelmässig vor dem Spiegel geübt hatte – um seinem Zweifel noch mehr Ausdruck zu verleihen. „Ein Achsenbruch und Ihr wärt erledigt. Und der Herr Kaufmann übrigens auch.“
Dieser entgegnete: „Ach, Ihr kennt ihn nicht, unseren Arbeitsgeber! Läuft mal was nicht so, wie es ihm gefällt, dann wird er zur Furie, zu einem richtigen Drachen! Wenn er seine Lieferung jetzt will, dann kriegt er sie besser jetzt. Ihr solltet Ihn mal erleben, wenn er wieder einen seiner Anfälle hat – nicht schön ist das, gar nicht schön! Hehe, weißt du noch, letztes Mal…“ und knuffte den Kutscher in die Seite, der allerdings etwas perplex schien und einige Sekunden brauchte, um zu realisieren, dass ihm soeben das Wort erteilt worden war. „Ah, ja, klar, dass war mir mal w –„
„Ihr seht also“, ergriff sein Nachbar gleich wieder das Wort ohne ihn ausreden zu lassen, „wir sind friedliche kleine Tagelöhner, die lediglich den Zorn ihres Arbeitgebers fürchten und deshalb so irre sind, mitten durch die Nacht zu fahren. Eure Sorge ist wahrlich rührend, danke Euch, danke Euch, aber wir haben ja immerhin eine Fackel dabei, nicht wahr?“
„Äh…“ Karrod war ein wenig überrumpelt vom Wortschwall seines Gegenübers, aber langsam baute sich sein Misstrauen ab – schien doch nichts dabei zu sein. Er fand es zwar immer noch im höchsten Grade bescheuert, zu dieser Zeit durch die Landschaft zu holpern, aber das war ja nun wirklich nicht sein Problem, wenn der Knilch nicht auf ihn hören wollte.
„Na gut, dann zieht mal schön von dannen! Viel Glück bei Eurem wagemutigen Vorhaben, es dünkt mich zwar immer noch eine dumme Idee, aber jeder wie’s ihm beliebt!“ Da rüttelte es plötzlich an seinem Schwertgurt. Hm, sein Magen schien wohl noch am Verdauen zu sein. „Auf Wieders – was zum Teufel?“ Karrods Schwert hatte sich aus seiner Scheide gelöst und schwebte nun vor ihm. Wie bitte ging denn das ? Waren nun nicht mal mehr seine geliebten Stahlschwerter sicher vor diesem magischen Unfug? Oder hatte er so viel getrunken gehabt, dass er jetzt sein Schwert tanzen sah? Gleich begann es wohl auch noch mit ihm zu reden, oder wie?
„Sie hat irgendwas gemacht! Los! Weg hier!“, rief da plötzlich der Kerl auf dem Wagen, der sich langsam wieder in Bewegung gesetzt hatte. Hier war doch wirklich irgendwas faul? Wer war „sie“?
„Halt!“, rief Karrod, „Ihr wartet mir jetzt schön –" doch der Wagen preschte schon an ihm vorbei, so dass er schleunigst zur Seite springen musste, sonst wäre er im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder gekommen. „Mistkerle, verfluchte!“ Der Wagen gewann zwar an Geschwindigkeit, doch war er noch nicht ausser Reichweite – Karrod sprintete sofort los, dem Wagen hinterher. Wie gut, war seine schöne Glasrüstung so leicht, ein eingedoster Ritter hätte ihn seiner Stahlrüstung jetzt ordentlich das Nachsehen gehabt, so schön sie auch glänzen mochte.
Karrod erreichte den Wagen – ein beherzter Sprung und er landete auf der Wagenfläche. Die im Übrigen ziemlich leer aussah, in Anbetracht der Tatsache, dass sie den nötigen Wein für ein ganzes Gelage liefern sollte. Dafür war da eine Kiste und ein grobschlächtiger Kaiserlicher, in dessen Hand ein Stahldolch blitzte.