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Die Schöne und der Erzmagier
„Eine Nachricht aus der Arkanen Universität, Erzmagier.“ Die zu der leisen Stimme gehörende Person trat auf den überfüllten Schreibtisch des Dunmers zu und legte den Brief auf einem Stapel Bücher ab, bevor sie sich zurückzog. Dieses vorsichtige Verhalten passte zu allen, die sich in dieser Zeit in Malukhats Nähe befanden; sogar seine Tochter Joplaya gab sich zurückhaltender, seit er eine wichtige Nachricht aus Morrowind erhalten hatte.
In dieser Nachricht war es nur sekundär um den Kampf gegen die Nord, die von Himmelsrand aus das Land stürmten, und den aufkeimenden Bürgerkrieg gegangen. Der Inhalt besagte hauptsächlich, dass Ranis Athrys, Malukhats größte Erzfeindin in der Magiergilde, es geschafft hatte, die Hälfte der Ratsmitglieder gegen ihn aufzubringen. Ihre Argumente waren so einleuchtend wie simpel: Ihrer Ansicht nach hatte der Dunmer Trebonius’ Schwächen ausgenutzt, um etwas erhalten zu können, was er ohne diese Einmischung niemals bekommen hätte. Interessanterweise war es der Gildenvorsteherin Balmoras sogar möglich gewesen, noch tiefer in Malukhats Vergangenheit einzudringen, als dieser es jemals für möglich gehalten hatte. Sie hatte alte Verbrechen zutage gefördert, die den Erzmagier in keinem sonderlich gut Licht erscheinen ließen.
Hätte dieses Argument nicht ausgereicht, Ranis hatte noch ein weiteres auf Lager: Trotz seines Alters und der damit einhergehenden Verschrobenheit war es eine Schande, sich in dieser Zeit größter Not von Morrowind und der Magiergilde abzuwenden, sie ihrem Schicksal zu überlassen und so weiter. Als weiteres Beispiel für seine Unfähigkeit hatte sich die Tatsache angeführt, dass er während seiner Abwesenheit seiner eigenen Tochter das Amt überlassen hatte; einer Person, die in keinster Weise eine Magierausbildung genossen hatte und sich mit den Belangen einer Gilde schon aufgrund des jungen Alters nicht auskannte. Wenigstens in diesem Punkt konnte der Dunmer davon ausgehen, dass die meisten Räte Joplayas Verhalten auf Ranis zurückführten; sie hatten die junge Frau als Diplomatin geschätzt.
Malukhat wusste, im Normalfall hätte er nun geseufzt, sich zurückgelehnt und darüber nachgedacht, wie er dieser Sache einen guten Ausgang zukommen lassen konnte. Stattdessen saß er in dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch und starrte ungläubig auf den Brief als wollte er ihn augenblicklich in Flammen aufgehen lassen. Er fühlte sich seltsam ruhig, doch sogar in diesem Zustand musste er sich eingestehen, dass die Ruhe daher rührte, dass er sich endlich eingestanden hatte, wie sehr er Ranis Athrys hasste. Und dass er sie über kurz oder lang aus dem Weg räumen musste. Solange sie keine unmittelbare Gefahr für ihn dargestellt hatte, war es ihm ein Leichtes gewesen, ihre Existenz bis zu einem gewissen Grad zu würdigen; das war nun vorbei.
Sie machte sich über ihn lustig, demütigte ihn und untergrub seine Autorität auf eine Weise, wie nicht mal er es sich jemals gegenüber Trebonius erlaubt hatte. Ihr Verhalten zeugte von Verzweiflung, Armseligkeit und Schwäche – von Eigenschaften also, die der Erzmagier nicht schätzte und die in seiner Gilde nichts zu suchen hatten.
Das Problem war nur, dass sie ihn wirklich eiskalt erwischt hatte. Bisher hätte er immer nach Morrowind zurückkehren können, wann es ihm beliebte. Das war jetzt nicht mehr der Fall. Zum einen konnte es als Schuldeingeständnis gedeutet werden, zum anderen hatte er keine Möglichkeit, den Räten seine guten Absichten zu beweisen, ohne vorher eine Unterredung mit Hannibal Traven geführt zu haben.
Malukhat hob den Kopf ein wenig, so dass sein Blick nun auf dem Brief aus der Arkanen Universität ruhte. Er nahm ihn zur Hand, brach das Siegel und zog die Nachricht hervor.
Tatsächlich. Hannibal Traven.
Der Mann schüttelte den Starrkrampf ab, der bis vor kurzem seinen Geist beherrscht hatte, und starrte aus dem Fenster. Es war bereits dunkel, doch das würde ihn nicht aufhalten. Dass der Weg zur Kaiserstadt so weit war, war schließlich seine eigene Schuld. Er hatte seinen Haushalt in ein großes Anwesen Skingrads verlegt. Diese Stadt erschien ihm sehr viel edler als die Kaiserstadt und der Graf hatte ihn bereits das ein oder andere Mal in sein Schloss eingeladen. Der Gute war ein bisschen blass um die Nase, aber ein angenehmer Zeitgenosse. Auch die Leute waren um einiges freundlicher und – bildete er es sich nur ein? – die Obdachlosen waren nicht ganz so penetrant. Es war eine gute Idee gewesen, die Kaiserstadt hinter sich zu lassen und diente seinen eigenen Bedürfnissen.
Dass er es in der Kaiserstadt nicht mehr ausgehalten hatte, hatte nichts mit Arwens Verschwinden zu tun. Ganz bestimmt nicht.
Endlich gestattete der Erzmagier sich ein Seufzen. Er ließ sich zurücksinken und fühlte sich mit einem Mal furchtbar alt und furchtbar müde. Der andauernde Streit um die Macht, die ganzen Kämpfe und Abenteuer, all die verlorenen Träume… er war es leid.
So schnell dieses Gefühl gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder. Es war ein Hobby von ihm, sich eine Weile selbst zu bemitleiden, eines, dass er jedem wärmsten empfehlen konnte. Aber man musste wissen, wann Schluss war.
„Nogard!“, brüllte er aus voller Kehle, als er aufsprang und sich schwer auf den Schreibtisch stützte. Sofort stürmte ein junger Nord herein. Seinem Blick nach zu urteilen hatte sein letztes Stündchen geschlagen. Umso erleichterter war er zu hören, dass es sich um etwas anderes handelte.
„Lauf’ zu den Stallungen und sag’ dem Burschen, er soll mein Pferd vorbereiten. Sofort.“
Für einen Moment sah Nogard den Erzmagier verwirrt an, dann erinnerte er sich seines Auftrags und rannte los. Malukhat grinste. Er musste einfach nur eine ziemlich gefährliche Laune haben und schon tanzten alle nach seiner Nase.
Das Grinsen wurde breiter, als ihm ein Bild vor Augen trat: Arwens verdutzter Gesichtsausdruck, gerade ihn auf einem Pferd zu sehen…
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