War das zu glauben! Der Kerl besass tatsächlich die Dreistheit, noch weiter über ihn her zu ziehen! Nun ja, immerhin trieften seine Worte nicht mehr vor lauter unterschwelligen Beleidigungen, aber was zum Geier hatte der Kerl für ein Problem mit seinem tugendhaften Verhalten? Sich wie ein Paladin zu benehmen war doch äusserst löblich, nicht? Am Ende doch nur ein Bandit, dachte sich Karrod und eine leise Stimme, irgendwo in seinem Hinterkopf, flüsterte ihm ununterbrochen die Worte Schlag ihn, schlag ihn, schlaaag ihn! zu, doch irgendwie schien es Karrod noch zu früh zu sein, um ein endgültiges Urteil zu fällen. Und was hatte sein Bruder mit der ganzen Angelegenheit zu tun? Der war doch irgendwo in Hochfels, hinter einer Schmitte und prügelte irgendwelche heisse Eisen zurecht? Wäre der Bretone nicht bald umgekippt vor Erschöpfung, wäre er jetzt vielleicht verwirrt gewesen, aber für solche Dinge fühlte sich sein Kopf langsam aber sicher zu müde an. Die Energie brauchte er noch fürs gerade aus gehen.
Und schliesslich konnte er jetzt wieder etwas sehen! Der Fremde war tatsächlich in der Lage, Lichtzauber zu wirken. Gut! Ein Grund mehr, etwaige Duelle und Gewalttaten zu vermeiden.
Ausserdem konnte er jetzt seinen Gegenüber betrachten. Interessant. Ein Dunmer. Hmmm. Ob das was zu bedeuten hatte? Ach, Müll, Vorurteile hatte er nicht nötig. Auch wenn er bereits viel zu lange auf den Beinen war, um noch sonderlich rational denken zu können.
Der Jüngste war sein Gegenüber jedenfalls auch nicht mehr. Selbst nach elfischen Verhältnissen. Und seiner Ausstattung nach zu beurteilen, schien es auch nicht schlecht um seinen sozialen Status bestellt zu sein - daedrische Rüstungen, noch dazu komplette, bekam man nicht wirklich oft zu Gesicht. Entweder, der Herr war ebenfalls erst auf Besichtigungstour in Oblivion gewesen und hatte das Ding einem Dremora geklaut, als Souvenir sozusagen, oder aber er hatte ordentlich Geld. Ebenfalls interessant, den Banditen konnte man jetzt wenigstens ausschliessen, der hätte das Geld nämlich versoffen und wäre weiterhin in seiner primitiven Fellrüstung rumgelaufen.
Ob er ihm den Erzmagier abkaufen wollte, das entschied er dann, wenn er geschlafen hatte. Rüstung, Zauber, hohes Alter und dunkelelfische Herkunft würden das zwar bestätigen, aber hatte man als Erzmagier nicht gescheitere Dinge zu tun, als hier in der Wildnis herum zu faulen? Herrje, diese Gelehrten waren schon zu nichts zu gebrauchen.
"Nun, Ihr habt wohl recht, Malukhat - ah ja, ich bin übrigens Karrod, bretonischer Abenteurer mit paladin'schen Tendenzen, wie Ihr bereits richtig erkannt habt -, zum Streiten ist es viel zu spät", stimmte Karrod dem Dunmer zu. "Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir uns schleunigst auf den Weg machen, bevor -"
Der Dunmer drehte abrupt den Kopf und Karrod war es, als ob er ein Geräusch gehört hätte. Und tatsächlich, Malukhats Lichtkreisdingsda offenbarte ihnen eine humpelnde Gestalt, in zerrissenen, mit Blut verschmierten Kleidern.
Helft mir...
Normalerweise wäre sein Beschützerinstinkt ja schon längst auf hundertsechzig gewesen (Hilfsbedürftige Frau, Blut, Hilferuf - er konnte die Paladin-Glocken vor seinem inneren Auge förmlich Alarm schlagen sehen), doch irgendwie wirkte die Szenerie falsch. War er bloss zu müde? Oder... äh?
Für den Dunmer schien die Situation wesentlich klarer zu sein - alles gestellt, falsch, Betrug und so weiter. Und dass er damit nicht so falsch lag, zeigte die Reaktion der vermeintlichen Hilfsbedürftigen: Sie nannte ihn Mistkerl (Er war wohl nicht der einzige, auf den der Dunmer so wirkte!) und türmte - und zwar ziemlich zügig, für jemanden, der gerade von einem wilden Tier oder Banditen angegriffen worden war. Etwas stutzen liess ihn jedoch der Satz Sie hatte so recht mit Euch.
Wie? Was? Wer hatte recht mit wem? Wer war das überhaupt? Was sollte das Theater? Argh. Es war doch zum kotzen. Alles.
Nachdem nun die Stimme in seinem Kopf langsam Bett! zu flüstern, nein, regelrecht zu schreien begann, wandte er sich wieder an Malukhat. "Eurer Paladin-Aversion nach zu urteilen scheint Euch wohl nicht allzu viel am Wohlergehen der Frau von eben zu liegen, nicht wahr? Ich sage: Kaiserstadt! Ich will raus aus dem Wald, weg von hier, in mein weiches, flauschiges Bett, schlafen !" Und damit wandte er sich von dem Dunmer ab und marschierte demonstrativ davon.