Malukhat gestatte dem Fremden, ihm aufzuhelfen, bevor er sich dessen Worte genau durch den Kopf gehen ließ. Der Schädel brummte, die Knochen schmerzten, aber er stand. Das war schon einiges wert.
„Arm? Bedürftig? Ich?“, fauchte er. Er stand kurz davor, dem Kerl etwas vollkommen anderes als einen Lichtzauber zu verpassen, als selbiger in seinem Kopf zu leuchten begann.
„Grundgütiger!“, rief er und griff sich an den Kopf. „Arm, ja? Hilfsbedürftig, richtig? Verpflichtende Aufrichtigkeit, stimmt’s? Habe ich das alles so weit verstanden?“
Der Erzmagier wusste, was dieses pathetische Gelabere zu bedeuten hatte: Paladin. Ein Paladin war des nachts über ihn gestolpert und er, Malukhat, hatte sich von so einem auch noch helfen lassen. Reichte es nicht, dass Aurel ihm das Leben gerettet hatte? Was, beim Oblivion, machte er nur falsch. In diesem Moment war er sich sicher, dass es an seiner Einstellung liegen musste. Paladine waren so übertrieben gut, dass er den genauen Gegensatz bildete. Für die war er wie das Licht für eine Motte, der Nord- für den Südpol. Wenn er also von denen in Ruhe gelassen werden wollte, musste er genauso sein wie sie. Was wiederum bedeutete, dass er rein gar nichts dagegen tun konnte.
Aber dieses Exemplar hier konnte sich wenigstens ordentlich artikulieren, wenn auch das Kotzbrocken ihm nicht ganz über die Lippen gekommen war. Der Kerl hatte ihm aufgeholfen, also schuldete Malukhat ihm seinen Lichtzauber.
In Gedanken ging er die Formel durch und beendete sie durch einen eleganten Schnörkel seiner rechten Hand. Das Licht, das von dem Dunmer ausging, vertiefte die Schatten jenseits des Wirkungskreises.
„Grundgütiger!“, wiederholte er schockiert, als er seinem Gegenüber ins Gesicht sah. „Ihr seid ein Bretone! Ein bretonischer Paladin! Womit habe ich das nur verdient?“ Dann, misstrauisch: „Habt Ihr zufällig einen Bruder? Denn, wie man ja weiß, ist Paladin eine Erbkrankheit.“ Sekunden später winkte er ab. „Vergesst es. Ich will die Antwort überhaupt nicht wissen.“
Ein Söldner wäre ihm lieber gewesen. Die konnte man einfrieren, abfackeln, zerstückeln. Das interessierte keinen. Und Malukhat wusste, dass sie es verdient hatten. Nicht, dass ihr paladinisches Gegenstück weniger Anlass zum Angriff gegeben hätte…
„Ich bin zu müde zum Streiten“, seufzte der Dunmer schließlich. „Ich bin Erzmagier Malukhat von Vvardenfell. Dieses Fleckchen Erde hier diente mir zum Ausruhen, bis Ihr in Eurer zweifelsohne eines Paladins würdigen Tollpatschigkeit über mich stolpertet. Was mich betrifft… ich will gar nicht wissen, wie Ihr heißt oder wer Ihr seid. Einigen wir uns darauf, eine Zweckgemeinschaft bis zur Kaiserstadt zu bilden, nicht miteinander zu reden und uns an unserem Ziel wortlos zu trennen, um uns nie wieder über den Weg zu laufen. Ich habe die Schnauze voll von bretonischen Paladinen. Ach was – ich habe die Schnauze voll von allen Paladinen dieser Welt.“
Der Dunmer nuschelte einen Fluch in seiner Heimatsprache in seinen Schnurrbart. Ja, tun wir einfach so, als würden wir uns überhaupt nicht kennen. Wir wissen gar nicht, wer wir gegenseitig sind und wo wir herkamen, geschweige denn wo wir uns getroffen haben. Eigentlich haben wir uns nie getroffen. Dass wir nebeneinander herlaufen ist reiner Zufall.
Ein Knacken im Geäst hinter ihm verschaffte seinen Reflexen die Möglichkeit, sich unter Beweis zu stellen. Und seinen Muskeln abermals furchtbar zu schmerzen. Seine rechte Hand schwebte über dem Griff seines Schwerts, während er angespannt die Gegend nach etwas absuchte, das er damit töten konnte. Was sich jedoch humpelnder Weise zwischen den Bäumen durch schob und sich, am äußeren Rand der Lichtkugel angelangt, gegen einen Stamm lehnte, war keine feindliche Kreatur. Es war eine Frau.
Hoffnungsvoll sah sie den beiden Männern entgegen, während sie mit der rechten Hand ihren Bauch hielt. Ihre Kleidung war zerrissen, an einigen Stellen mit Blut übersät, aber sie hatte etwas an sich, das dem Dunmer nicht gefiel.
„Helft mir“, flehte sie, „bitte.“
Abschätzend musterte er die Frau, dann ging er langsam auf sie zu und baute sich vor ihr auf. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein belustigtes Grinsen ab.
„Nun habt Euch mal nicht so“, sagte er. „Oder glaubt Ihr wirklich, ich nehme es Euch ab, dass Ihr von einem Tier angefallen worden seid? Das ist es doch, was Ihr mir vorzugaukeln versucht? Seltsam. Ich bin schon seit einer Weile hier, aber kein Kampfeslärm war zu hören. Und erzählt mir nicht, dass Ihr Euch mit diesen Verletzungen noch meilenweit durch den Wald gekämpft habt, nur um zufällig hier bei mir zu landen?“
„Ihr seid ein überheblicher Mistkerl“, sagte sie und funkelte ihn böse an. „Ihr Männer seid doch alle gleich. Spielt Euch auf, aber wenn es einmal darauf ankommt, zieht ihr den Schwanz ein.“
„Oh, bitte, meine Liebe. Unter anderen Umständen hätte ich meinen Schwanz gewiss nicht eingezogen.“ Malukhats Grinsen wurde nur noch breiter. Hatte er doch gewusst, dass sie nicht das war, was sie zu sein schien. Und dass der Paladin nicht eingegriffen hatte, zeigte, dass es ihm wohl ähnlich ergangen war. Ansonsten hätte der Erzmagier jetzt ein Schwert im Rücken gehabt. Pardon, natürlich im Bauch. Der Bretone hätte ihn vorgewarnt und erst dann zugestochen.
„Aber, erzählt doch einmal, was macht ein zartes Geschöpft wie Ihr so allein im Wald? Hat es Euch in den Städten nicht gefallen oder versucht Ihr auf diese Weise, einen Mann abzubekommen?“
„Oh, sie hatte so recht mit Euch!“ Diese Worte spie sie ihm geradezu entgegen. Wie Malukhat jedoch verwundert feststellte, galten sie nicht ihm, sondern dem Paladin, der ein Stück abseits stand. „Ihr kriegt noch, was Ihr verdient. Ihr beide!“
Sie drehte sich um und rannte in den Wald.