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Ritter
Cyrodiil, Kaiserstadt, Talos Platz Bezirk
Langsam ließ das stechende Gefühl in ihren Füßen nach, nur um sich jetzt über die Knie hinaus in die Oberschenkel auszubreiten. Doch an eine Veränderung ihrer Position hinter den Fässern und Kisten war nicht zu denken. Seit etwa einer viertel Stunde saß sie nun reglos da und lauschte den Gesprächen der Männer im Raum.
"Hast du von den Überfällen auf die Händler gehört? Man sagt, die Straßen seien unsicher geworden", hörte sie den Rücken vor ihr sagen.
"Ja, aber waren sie das nicht schon immer?", antwortete der andere Mann, der an der gegenüberliegenden Seite des Tisches saß, und dadurch immer wieder in Richtung ihres Versteckes schaute.
"Jetzt sind es aber nicht nur die üblichen Räuberbanden, sondern sogar Daedra, sagt man", beharrte der Erste.
"Hm", brummte der Zweite nur, und belegte seine Brotscheibe dick mit Käse.
In diesem Moment knarrte über ihr die Falltür, und ein weiterer Schwergerüsteter kam die Leiter hinabgestiegen.
"Was macht ihr denn noch hier?", begrüßte er die beiden Essenden, "solltet ihr nicht schon längst auf Patroullie sein?"
"Gewiss, gewiss, aber mit leerem Magen in der Kälte?", druckste die erste Wache am Tisch herum.
"Da lasst ihr lieber einen Kameraden länger frieren?", fuhr der Neuankömmling die beiden anderen an. "Jetzt seht zu, dass ihr auf Eure Posten kommt, oder ich muss Euch melden!"
Hastig standen die beiden Wachen vom Tisch auf, überprüften ihre Langschwerter und verließen dann den Wachturm. Der dritte Wachman nahm den übrigen Käse, trank ein paar Schlucke aus der Weinflasche und verließ dann ebenfalls die Wachstube.
Grimoa blieb regungslos hocken und lauschte ihrem eigenen Herzschlag... Spürte, wie es von innen gegen ihre Rippen schlug. Einmal, zweimal, dreimal...
Dann hob sie den Blick, an den in der Wand eingelassenen Sprossen vorbei und zu der Falltür in der Decke. Dies war ihr Ziel, schon seit geraumer Zeit zum greifen nahe, doch die beiden Wachen hatten ihre Planung gründlich durcheinander gewirbelt. In der Zeit, in der die Wachen, die Nachtdienst hatten schon draußen waren, und die abgelösten Wachen noch nicht zurückgekehrt waren, wollte sie schnell und ungesehen in das Büro im zweiten Stock einbrechen und die Beute holen.
Doch kaum hatte sie das Erdgeschoss des Turmes betreten, da kamen die beiden Wachen herunter. Nur ihre schnelle Reaktion konnte sie hinter den Voratsfässern in Sicherheit bringen.
Doch statt ihren Dienst anzutreten, hatten die beiden begonnen zu essen, als gäbe es kein morgen.
Jetzt mussten bald die übrigen Wachen zurückkehren, und es wäre riskant, dann oben zu sein.
Andererseits hatte sie seit Jahren keinen Einbruch mehr abbrechen müssen, und wer konnte ihr garantieren, dass die Disziplin der Wache bis nächste Woche besser wird?
Lautlos erhob sie sich, streckte die Beine, und sofort kehrten die tausend Nadeln zurück, um unbarmherzig in ihre Waden und Knie zu stechen. Es kostete sie weitere, wertvolle Augenblicke, die Taubheit aus ihren Beinen zu vertreiben.
Dann ergriff sie die untere Sprosse und kletterte flinkt bis zur Dachlucke hinauf. Auf den obersten Sprossen angekommen, presste sie ein Ohr gegen die Planken der Falltür, um auf Geräusche aus dem darüberliegenden Stockwerk zu lauschen. Wieder ließ sie einige Herzschläge verstreichen, bis sie sich sicher war, nichts außer einem gelegentlichen Schnarchen zu hören.
Als sie langsam die Luke aufdrückte, schickte sie ein Stoßgebet an die Götter, dass die Scharniere gut geölt sein mögen. Vielleicht half das sogar. Jedenfalls ließ sich die Luke ohne Geräusche öffnen.
In dem Raum über ihr befanden sich mehrere Betten und Truhen, außerdem ein Schreibpult und mehrere Waffenständer an der entfernten Wand. Eine weitere Leiter führte noch ein Stockwerk nach oben.
Rasch klettere Grimoa durch die Luke und schloss sie vorsichtig wieder hinter sich. In einem der Betten lag ein schlafender Mann, vermutlich auch eine Wache. Sie blieb einen Moment lang reglos stehen und heftete den Blick an die schlafende Wache. Der Mann drehte sich einmal und blieb dann wieder ruhig liegen, nur sein leises Schnarchen war zu hören.
Flink erklomm Grimoa nun auch die zweite Sprossenleiter und lauschte wieder an der nächsten Falltüre. Doch auch dort waren keine Geräusche zu vernehmen. Vielleicht hielt sich wenigstens der Hauptmann an den Dienstplan und war draußen in der Stadt.
Vorsichtig hob sie auch diese Luke an und spähte in den Raum. Er war nur spärlich durch das von draußen hereinscheinende Dämmerlicht herhellt. Vorne stand ein großer Schreibtisch, sowie mehrere Bücherregale und natürlich auch hier wieder Waffenständer.
Langsam schloss Grimoa die Falltür hinter sich. Nun hieß es also, das Zimmer zu durchsuchen.
Die Bücher und Waffenständer konnte sie von vornherein ausschließen. Blieben also noch der Schreibtisch und die beiden Truhen, wobei ihr diese wahrscheinlicher vorkamen. Beide Truhen standen nebeneinander an der Wand des Zimmers. Grimoa nahm sich die rechte zuerst vor.
Natürlich war die Truhe verschlossen. Sie zog ohne zu zögern den passenden Dietrich aus ihrer kleinen Ledertasche und steckte ihn in das Schloss der Truhe. Vier Bolzen konnte sie darin ertasten. Kein einfaches Schloss. Zügig und konzentriert machte sie sich nun daran, den Rhythmus der Bolzen zu ertasten. Langsam, langsam, schnell, schnell, sehr schnell... Immer weider drückte sie den Bolzen nach oben, und ließ ihn weider herunter fallen. Es war fast wie eine Melodie, und im richtigen Moment fügte sie die angenehmen Töne hinzu, wenn sie einen Bolzen mit einem leisen Klacken festsetzte.
Nach wenigen Augenblicken ergab sich das Schloss und sie konnte die Truhe öffnen. Darin fand sie nicht das erhoffte Ziel ihres Auftrags. Ein silbernes Langschwert blitze sie stattdesse im Dämmerlicht an. Auch in diesem unzureichenden Licht erkannte sie die meisterhafte Arbeit, die in diese Klinge geflossen war. Ihre Fingerspitzen juckten, doch sie hielt ihre Hand zurück. Das Schwert war zu sperrig, um es mitzunehmen. Besonders da sie noch nicht wusste, wie riskant der Rückweg werden würde. Außer dem Schwert lagen mehrere feine Kleidungsstücke und ein Lederbeutel in der Truhe.
Sie griff nach dem Lederbeutel und vernahm das gewohnte Gefühl von Münzen. Etwa zwanzig Stück verriet ihr das Gewicht des Säckchens. Sie ließ den Beutel in einer ihrer Taschen verschwinden, dann schloss sie die Truhe wieder.
Ohne lange zu warten öffnete sie nun die zweite Truhe, die mit einem ähnlichen Schloss gesichert war. Auch darin befand sich nicht, was sie suchte, stattdessen nur weitere Kleidung sowie ein paar schwere Rüstungsteile. Enttäuscht wollte sie die Truhe schon wieder schließen, als ihr Blick auf ein paar Lederhandschuhe fiel.
Die Handschuhe sahen nicht ungewöhnlich aus, dunkelbraunes, geschmeidiges Leder, kaum als Rüstungsschutz zu gebrauchen. Trotzdem streckte sich ihre Hand danach aus, und ohne dass sie es wollte, hatte sie die Handschuhe aus der Truhe genommen. Ein klein wenig ärgerte sie sich, denn bei der Arbeit würden sie ihr nur das Fingerspitzengefühl rauben. Sie wollte die Handschuhe energisch zurücklegen, doch stattdessen schloss sie die Truhe und zog die Handschuhe an.
Etwas verwirrt starrte sie ihre Hände an, und war sich sicher, dass die Handschuhe in dem Moment, als sie sie überstreifte, kurz ein schwaches Leuchten abgegeben hätten. Jetzt war es wieder verschwunden, und es waren einfache, braune Lederhandschuhe.
Wenn auch sehr bequeme.
Unschlüssig drehte sie den Dietrich in den Fingern, beschloss dann aber, den Handschuhen eine Bewährungsprobe einzuräumen, und begann, den Schreibtisch zu durchsuchen. Die ersten Schubladen waren unverschlossen, ihr Inhalt dementsprechend uninteressant. Dann stieß sie auf eine verschlossene Schublade, und begann, diese zu knacken.
Entgegen ihrer Befürchtung behinderten die Handschuhe sie nicht. Im Gegenteil, sie schien jetzt die Bolzen noch besser spüren zu können. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.
Rasch hatte sie das einfache Schloss geknackt, und fand gähnende Leere in der Schublade vor. Ärgerlich zog sie die Brauen zusammen. Wer verschloss eine leere Schublade? Und wo war die Ware?
Zweifelnd blickte sie sich im Raum um, als ihr Blick in der Dunkelheit auf den Vorhang an der hinteren Wand fiel. Vielleicht war dies nicht nur ein einfacher Vorhang, vielleicht war dahinter noch etwas verborgen?
Mit wenigen raschen Schritten hatte sie das Zimmer durchquert und spähte hinter den Vorhang. Absolute Dunkelheit.
Sie lauschte eine Weile, hörte jedoch kein Rascheln, kein Atmen, nur absolute Stille.
Vorsichtig schob sie sich hinter den Vorhang und hockte sich an der Wand hin, um ihren Augen Zeit zu geben, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
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