Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
@Rübe
Na, so meine ich es nicht. Verachtenswert ist weder Stolz noch Patriotismus. Ich kann auch nicht genau erklären, wieso Stolz für mich einen negativen Unterton hat; das hat sich einfach so ergeben. Ähnlich ist es z.B. bei mir auch mit dem Wort Respekt, da weicht meine Vorstellung von der Definition sehr stark ab. Nun gut, das nur am Rande.
Dann haben wir nur ein semantisches Problem, und da kann man schwer debattieren ^^.
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Ich denke nicht, dass bei uns der Nationalstolz unterdrückt wurde. Weder in meiner Erziehung noch in meinem sozialen Umfeld wurde damals gesagt, dass Nationalstolz schlecht ist. Er wurde eben nur nicht vorgelebt. Und das ist der springende Punkt. So wie du sagst, dass er bei uns unterdrückt wurde, könnte man das auch umkehren und sagen, dass er in den patriotischen Ländern anerzogen oder zumindest gefördert wurde. Niemand von uns ist frei von Beeinflussung und wenn die Eltern, Freunde oder Bekannten nicht auf ihr Land stolz sind, dann werden es die Kinder vermutlich auch nicht sein.
Das ist nur ein Teil von dem, den ich ansprechen wollte. Ich stimme dir völlig zu, dass wir immer von unserem Umfeld geprägt werden. Und ich stimme dir ebenfalls zu, dass durch das Verschwinden in einer Generation der Patriotismus in späteren Generationen schwerer wiedergegeben werden kann. Dazu kommt aber noch ein sehr seltsamer Umstand in Europa: England und Frankreich fürchten sich vor einer Wiedererstarkung des Patriotismus in Deutschland. Das spiegelt sich einerseits in der Haltung der Bevölkerungen wider, auf der anderen Seite aber auch in der Politik. Was haben England und Frankreich für Bedenken geäussert, als Deutschland sich (und das durchaus auch aus patriotischen Gründen) wiedervereinigt hat. Ich denke, dieser Druck von aussen hat ebenfalls Einfluss auf die Haltung der Deutschen.
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Sein Land zu lieben, das ist meistens keine Entscheidung, die man spontan trifft. Insofern hast du schon Recht, dass unser fehlender Nationatstolz eine Folge vom 3. Reich ist. Dennoch ist es mMn nicht richtig zu sagen, dass wir anti-patriotisch erzogen wurden, sondern wenn dann eher nicht-patriotisch. Vielleicht hat man sogar in Deutschland mehr als in vielen anderen Ländern die Wahl, selber zu entscheiden, ob man patriotisch sein will oder nicht.
Ich unterstelle eben, dass Patriotismus sozial unerwünscht ist. Ich erkläre dieses Phänomen mal anhand von Frankreich: Bei den letzten Präsidentschaftswahlen hat Jean Marie LePen in Umfragen immer recht schlecht abgeschnitten, in den Wahlen aber einen grossen Erfolg erzielt. Das geschah einfach aus dem Grund, dass der Front National als sozial unerwünscht zählt und deshalb niemand zugeben wollte, ihn zu wählen. Zurück nach Deutschland: Wenn das soziale Umfeld Patriotismus für unerwünscht hält, ist automatisch ein gewisser Zwang da, nicht patriotisch zu sein. Diese unterschwellige Vorschrift beeinflusst also klar das Verhältnis zum Gegenstand. Insofern ist man nicht wirklich freier. Aber ich muss zugeben, ich denke, dass die Wahlfreiheit zu oder gegen Patriotismus in Deutschland wahrscheinlich freier ist als in den USA mit ihrer Zivilreligion. Jedoch ist die Freiheit nicht grösser wie in Ländern, in denen einfach der gegenteilige unterschwellige Druck herrscht.
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Das hast du mißverstanden. Ich sehe Wahlen nicht als Zwang an (im Gegensatz zum Steuerzahlen ) und bin auch von der Demokratie als Konzept überzeugt, aber wenn ich wähle, dann denke ich dabei nicht an das Wohl von Deutschland und seinen Bewohnern, sondern zuerst an mein eigenes. Ich entscheide mich schon für die Partei, von der ich glaube, dass sie meine Interessen am besten vertritt und ich würde auch nicht auf die Idee kommen nicht zu wählen, weil dann nachher irgendwelche Honks an die Macht kommen.
Ich komme eben darauf, weil ich einerseits bei mir drüben im P&G einmal einen Post darüber gelesen habe (ich weiss nicht mehr von wem), dass die demokratische Entscheidung Englands, nicht zum Euro-Raum zu gehören schlechter sei, als die durch eine zentrale Gewalt bestimmte Entscheidung Deutschlands. Dazu kommt noch die Streitkultur, die man bei uns so einfach nicht kennt. Zugegeben, ich habe keine genaue Zahlen, wie es mit Wechselwählern und Stimmenthaltungen steht. Aber man hat den Eindruck, dass der Witz "Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt? -Seine Lippen bewegen sich" doch etwas das Verhältnis von Bürger und Politiker zeigt. Ganz nach dem Motto: Die in Berlin machen sowieso was sie wollen. Aber eben, ich kann mich auch täuschen, da ich mich nicht auf Zahlen sondern eigene Erfahrungen berufe.