Omote und Ura bedeuten respektiv unter anderem "Vorder-" und "Rückseite". Die Begriffe zählen zu den Nihonjinron, da es in engem Zusammenhang mit Ruth Benedicts Schamkultur-These und weiters auch mit Tatemae und Honne und darüber hinaus auch eine Beziehung zu Takeo Dois Amae besteht.
Aber besser ich beginne bei Null, oder? "Omote" bezeichnet für die Soziologen das "öffentliche Gesicht", die Seite, die man anderen zeigt und das Verhalten, dass gegenüber der Öffentlichkeit als angebracht und repräsentativ betrachtet wird.
Ura ist einfach das Gegenteil davon. All die Dinge, die nun mal geschehen, auch wenn der Konsensus ist, dass sie nicht geschehen dürfen. Positiv steht Ura aber auch für den privaten Bereich, in dem man nicht gezwungen ist, den Forderungen der Gesellschaft stringen Folge zu leisten.
Hier kommt Ruth Benedict ins Spiel. Benedict hat während des zweiten Weltkrieges im Auftrag der amerikanischen Regierung mit Hilfe eines Übersetzers eine Art Psychogramm der Japanischen Nation der Zeit erzeugt. Man wollte dies einerseits, um zumindest die gröbsten Fettnäpfchen beim Wiederaufbau zu vermeiden und andererseits, weil man ein wenig beunruhigt durch die Zahl an selbstmörderischen Kombattanten war.
Benedicts Erklärung ging dahin, dass Japan einer Schamkultur angehören und ihr Selbstwert somit im wesentlichen über den Konsensus mit anderen gebildet wird, während man sich in einer Schuldkultur an der Gesellschaft übergeordneten und verinnerlichten Werte misst.
Als Mitglieder einer Schamkultur werten die Japaner den Erhalt ihres öffentlichen Gesichts, repräsentiert durch die Einhaltung Omote-Werte, höher als ihr Leben. Vernünftig, da sie ihre Stellung angeblich ausschließlich über diese definiert sind. Sollten sie mit dem Gesicht brechen, verlieren sie in den Augen der anderen ihren Selbstwert und damit ihr Existenzrecht.
Wenn ich mich recht entsinne.
Aus diesem Grunde strebten die japanischen Soldaten danach, das Ideal des Soldaten zu erfüllen oder beim Versuch zu sterben. Etwas anderes blieb ihnen nicht übrig, denn würde jemand bemerken, dass sie die Forderungen nicht erfüllen können, könnten sie genauso gut auch schon tod sein. In anderen Fällen versuchen sie aber zuerst einmal, ihr Versagen nicht bekannt werden zu lassen. Bezeichnend dafür sind entlassene Angestellte, die vor ihrer Familie weiterhin die Fassade aufrecht erhalten und jeden Tag zur selben Zeit wie früher aus dem Haus zur "arbeit" gehen und spät Nachts betrunken zurück kommen. Um den Eindruck der Beschäftigung aufrecht zu erhalten.
Ich darf hier anmerken, dass Ihre These in etwa so korrekt ist, wie die Farbenlehre Goethes. Man kann sie für gut befinden, bis man die neueren Forschungen gelesen hat. Sie hatte nicht unrecht, aber die ganzen Nebenbedienungen die zur Formung der Kriegskultur beitrugen entgingen ihr vollkommen.
Auch die besseren Analysen gesellschaftlicher Mechanismen, die sich seit Foucault eingebürgert haben sollten trugen große Stücke zur ent-Universalisierung ihrer These bei.
Aus dieser Logik heraus hat Japan die beiden Pole "Honne" und "Tatemae" entwickelt. "Honne" sind die wahren Gefühle einer Person und "Tatemae" das, was jemand nach außen hin herzeigt. Honne, also die wahren Gefühle einer Person, können nur im Ura-Bereich des Lebens ausgelebt werden. Meist ist dies der enge Zirkel der Familie, oder Orte des asobi, die ebenfalls zum Ura-Bereich der Gesellschaft gezählt werden....aber ich höre hier auf. Ich wollte nur zeigen, wie sich aus der Beschäftigung mit Omote und Ura der ganze Komplex der Japanischen Soziologie erschließt. Würde ich weiter machen, käme ich zu genaueren Auslegungen von Asobi, Amae und müsste auch noch den Wert und die Umstände von Makoto erklären.
Es läuft grundsätzlich darauf hinaus, dass ein Bürger Japans mindestens zwei Gesichter tragen muss, um sowohl den Anforderungen der Öffentlichkeit als auch denen seiner Familie gerecht zu werden und das ein beträchtlicher sozialer Druck ihn in seiner Persönlichkeit formt. Auf Europa trifft das natürlich auch zu, aber das geht uns zu nahe.