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Ritter
[FONT="Garamond"]II.[/FONT]
[FONT="Book Antiqua"]Wie eine eisige Faust schlug ihm der Sturm entgegen, als Erhardt die Hütte verliess.
Schüsse peitschten irgendwo rechts neben ihm. Das Heulen des Windes liess die Kampfgeräusche und das Rattern der herannahenden Panzer beinahe verstummen. Doch Erhardt wusste, dass sie irgendwo dort draussen waren und auf ihn warteten. Sich mühsam durch den Schnee kämpfend, das Gewehr im Anschlag, versuchte er sich irgendwie an den Schussgeräuschen zu orientieren. Vor ihm schrie jemand auf Russisch und Erhardt erkannte, dass er dem Feind schon sehr nahe war. Der tobende Sturm liess ihn nichts erkennen, aber auch er war vor den Blicken und Gewehren des Feindes sicher. Jedenfalls im Augenblick.
Dann brach rumpelnd und knirschend der erste Panzer aus dem Dickicht, direkt vor ihm, das Rohr des Raupenfahrzeuges berührte beinahe seinen Kopf. Aber es war nicht dieser russische Panzer, der ihm das Entsetzen durch die kalten Glieder jagte, sondern dieser grosse, dunkle Schatten, der dort hinter der Kriegsmaschine im Unterholz lauerte.
Schreckliche Angst packte Thomas Weidmann, als die Tür der Hütte geöffnet wurde und in einem Schauer aus Schnee und Eis ein gebeugter Soldat den Raum betrat. Nase und Ohren waren ihm beinahe abgefroren, schwarz und blau von den Erfrierungen war die Haut. Sein Gesicht war unrasiert und von Stoppeln übersäht, kleine Eisklumpen hingen an ihm, wie Weihnachtskugeln an einem Christbaum. Ausserdem trug er die Uniform der roten Armee. Lang war die Klinge des Messers, dass der Russe in der Hand hielt, als Thomas es sah, durchzuckten ihn eisige Schrecken.
Langsam und stolpernd kam der Russe näher.
Eric Wijotev blickte auf den Deutschen unter sich, dessen Augen ihn mit grosser Furcht aber auch einer gewissen Erwartung anstarrten. Die Erwartung des Todes.
Genau über dem Brustkorb des Feindes hielt Eric sein langes Armeemesser, bereit zuzustechen. Blut das spritzt, Kugeln die durch Glieder fahren, das schreckliche Hämmern der Gewehre, wie eine groteske Schlachtmusik klingend, all dass sah er wieder vor sich. Deutsche Soldaten, die einen Russen nach dem andern abgeschlachtet hatten, direkt neben ihm, auf ihm, über ihm.
Gleissende Wut ergriff Erics kaputten Verstand, unendlicher Hass auf die Deutschen.
Entschlossen rammte er das Messer nach unten. Mit einem dumpfen Aufprall schnitt die scharfe Klinge tief in das Fleisch des Deutschen.
Dieser fing an zu röcheln und zu husten, verzog das Gesicht vor Schmerz und Pein. Blut lief ihm aus den Mundwinkeln, kleine rote Rinnsale, wie Sturzbäche.
Zuckend schauten die Augen im ganzen Raum umher, von nackter Panik ergriffen.
Sterben wollte der Deutsche aber nicht. Zumindest noch nicht.
Ruckartig packte Eric den Griff seines im Feinde steckenden Messers, wollte es in der Wunde drehen und wenden, bevor er es wieder aus dem Leib des Deutschen ziehen würde, doch er tat nichts von alledem. Obwohl in seinem Herzen kein Platz mehr war für solche Gefühle wie Mitleid oder Menschlichkeit, sondern nur noch Hass und Wut regierten, sah Eric etwas in den Augen dieses Menschen unter ihm, dass ihn stocken liess.
Feind ist Feind, schrie sein Verstand, und Feinde müssen sterben!
Töte dieses verfluchte deutsche Nazischwein!
Es war eine Träne, die er dort in den Augen des Deutschen sah, eine einzelne Träne, das einzige Menschliche an diesem Ort, das ihm geblieben war, hier wo sich tapfere Männer verschiedener Nationen in einem riesigen Schwall aus Blut sinnlos gegenseitig abschlachteten.
Eine Träne wie Eric sie vergossen hatte, als seine Kameraden und Landsleute zu hunderten tot um ihn gelegen hatten, wie die Träne im Auge des Leichnams geplatzt war und es wieder lebendig erscheinen liess. Dort waren die Gefühle aus ihm herausgebrochen und sie taten es nun wieder. Kraftlos liess er den Messergriff seiner Hand entgleiten und fiel krachend auf die Knie.
Da sah er den letzten Ausdruck von Erstaunen und Verblüffung in den Augen des Deutschen, aber auch die warme Bewunderung.
Hass und Wut brachen schreiend aus Eric heraus, seine Stimme überschlug sich krächzend und es war sein Herz, das schrie.
Als eine Explosion die ganze Welt erfüllte, sein Kopf wegen des heftigen Dröhnens zu explodieren drohte und die halbe hintere Wand der Hütte einfach weggerissen wurde, blickte Eric ein letztes Mal auf den verletzten Deutschen, der dort lag in einer Lache aus Blut, nun ganz still.[/FONT]
Geändert von deserted-monkey (15.04.2007 um 21:13 Uhr)
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